Sonntag, 12. Oktober 2025

BerlinDie Verwaltung und ihr Double

[30.06.2023] Das Berliner Innovationslabor CityLAB feiert vierjähriges Bestehen und startet ein partizipatives Projekt in einem umgebauten Schiffscontainer. Das Kiezlabor ist als offener Ort konzipiert, der als Zukunftswerkstatt, Workshop, Bühne, interaktive Ausstellung und für Netzwerktreffen dient mit dem Ziel, Bürgernähe zu erreichen.
Kiezlabor in Berlin: Offener Ort im Schiffscontainer.

Kiezlabor in Berlin: Offener Ort im Schiffscontainer.

(Bildquelle: Merschmann)

Zwischen Verwaltung und Bürgern herrscht oft große Distanz, die auch heimelige Pflanzenbegrünung in den Foyers von Bürgerämtern nicht überwinden kann. Die Hemmschwelle am Einlass bleibt bestehen. Mit dem „Kiezlabor“, einem umgebauten Schiffscontainer, soll in Berlin ein offener Ort für die Begegnung von Bürgerschaft und Verwaltung im öffentlichen Raum entstehen. Das so genannte „Tiny House für die digitale Transformation“ besteht aus einem Standard-Schiffscontainer, der zu einem Meeting-Space im Coworking-Look umgebaut wurde.
Auf dem Dach befinden sich Solarmodule für die energieautarke Stromversorgung für rund 18 Betriebsstunden. Die großen Fensterflügel an der Containerseite lassen sich weit und einladend öffnen. Drinnen sind die Stahlwände spanholzverkleidet und bieten Stauraum für Büro- und Medientechnik samt Mikrofonen, Soundanlage, drei Bildschirmen für Präsentationen sowie mehreren Tablets. Möbelmodule lassen sich zu Sitzgelegenheiten, Tischen und Ablagen aufbauen. Leuchtend rote Sonnensegel sorgen für Beschattung und selbst eine kleine Küchenzeile findet auf den 14 Quadratmetern Grundfläche Platz.

Digitale Transformation vorantreiben

Am Donnerstag dieser Woche (29. Juni 2023) ist das Kiezlabor, ein Projekt des Berliner Innovationslabors CityLAB, im Rahmen des jährlichen Sommerfestes gestartet. Das Labor will die Stadt- und Zivilgesellschaft mit der lokalen Verwaltung vernetzen und digitale Transformationsprozesse vorantreiben. Es sollen dabei Stadtvisionen diskutiert und Partizipationsprozesse erfahrbar gemacht werden. „Die Idee zum Kiezlabor kam aus vielen verschiedenen Richtungen, unter anderem aus dem Berliner Abgeordnetenhaus“, sagt Benjamin Seibel, Leiter des CityLAB. „Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass wir unsere Angebote in die lokalen Kieze hineintragen sollen. In den letzten zwei Jahren fand in Berlin ein Strategieprozess mit dem Titel Gemeinsam Digital: Berlin statt, wo immer wieder die Idee eines mobilen Begegnungsraums auftauchte. Wir wurden gefragt, könnt ihr nicht mobiler werden, um die weniger digital affinen Menschen zu erreichen?“ So entstand die Idee zum Kiezlabor und wurde innerhalb von sechs Monaten realisiert.
Richtig mobil ist das Kiezlabor allerdings nicht. Der Container wiegt mit Vollausstattung sechs Tonnen und kann nur mit Lastenkran und Sattelschlepper zu seinem Einsatzort verfrachtet werden. Deswegen soll er jeweils mindestens eine Woche an einem Ort verbleiben und dort Raum bieten zum Diskutieren, Experimentieren, für Beteiligungsprojekte und digitale Netzwerktreffen. Während der Testphase zog das Ausbildungsbürgeramt von Friedrichshain-Kreuzberg ein und bot, per VPN-Tunnel an das Verwaltungsnetz angeschlossen, reguläre Verwaltungsservices für die Besucher an – ganz ohne Terminreservierung. Im Bezirk Treptow lud die Bürgerinitiative Kungerkiez dazu ein, sich ein KI-gestütztes, virtuelles Bild von der geplanten Verlängerung der Stadtautobahn A100 zu machen und deren Auswirkungen auf den eigenen Kiez zu diskutieren. Weitere Einsatzorte mit jeweils eigenen Fragestellungen um Themenbereiche wie Klimaschutz, Mobilität und Platzverteilung sind auf dem Tempelhofer Feld, im Kreuzberger Gräfekiez und im Ostbezirk Marzahn-Hellersdorf noch für 2023 geplant.

Meinungsmobil in Köln

Auch in anderen Städten finden vergleichbare Aktivitäten statt. Schon 2019 hat das Innovationsbüro der Stadt Köln ein Gefährt für die mobile Öffentlichkeitsbeteiligung entwickelt: einen zum „Meinungsmobil“ umgebauten Fahrradanhänger. Damit sollte dem Wunsch nach mehr Mitsprache und Teilhabe entsprochen werden. Bürgerinnen und Bürger werden an verschiedenen Orten gezielt nach ihren Bedürfnissen, Erfahrungen und Ideen zu städtischen Themen befragt und in die Lösungen eingebunden. Ebenfalls in einem Frachtcontainer fand von Anfang April bis Ende Mai 2022 ein „PopUp Labor für Partizipation“ auf dem Kölner Ebertplatz statt, in dem erforscht wurde, wie mobile und temporäre Begegnungsstätten gestaltet werden müssen, um Menschen für Beteiligungsprozesse zu begeistern.

Tiny Rathaus in Kiel

In Kiel ist im Mai 2022 das erste deutsche Tiny Rathaus an den Start gegangen, die Mini-Version einer Bürgermeisterei. Es besteht aus einem umgebauten Autoanhänger mit stilisierten Rathaustürmen und stand wochenlang als Double vor dem richtigen Kieler Rathaus. „Im öffentlichen Bild gibt es keine Fehler- und Experimentierkultur in der Verwaltung“, sagt die Initiatorin Sophie Mirpourian, „wir müssen aber nur zuhören und wagen, Neues auszuprobieren.“ So wurde das Kieler Tiny Rathaus nicht nur zum partizipativen Begegnungsort, sondern auch zur volksnahen Amtsstube. Eine Zeit lang konnten dort Anträge auf Reduzierung von Kita-Gebühren für einkommensschwache Familie gestellt werden und wurden gleich vor Ort bearbeitet. Erfahrungsgemäß sind solche Anträge den Berechtigten oftmals zu kompliziert – hier erfuhren sie niedrigschwellige Unterstützung.
Die Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins sieht sich mit dem Projekt Tiny Rathaus als Teil einer internationalen Bewegung, die Stadtverwaltung neu zu denken. Auf der Projekt-Website heißt es: „Das Tiny Rathaus denkt neu, was ein Rathaus kann“. Vielleicht ist dieser Ansatz allein schon deshalb notwendig, um nach außen zu kommunizieren, dass die Verwaltung ihr größtes Problem – die Distanz zu den Bürgern – längst erkannt hat und zusammen mit den Bürgern nach Lösungen sucht.

Helmut Merschmann


Stichwörter: Panorama, Berlin, Kiezlabor


Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Panorama
Geschäftsmann hält Puzzle mit virtuellem Symbol.

Leitfaden: Wegweiser für Digitalisierungsbeauftragte

[07.10.2025] Studierende der Hochschule Ludwigsburg haben unter fachlicher Beratung von Axians-Infoma-Consultants einen Leitfaden entwickelt, der Digitalisierungsverantwortliche in Kommunen auf ihre vielfältigen Aufgaben vorbereiten soll. mehr...

Journalist und Podcast-Host Martin Brüning (l.) mit Oberbürgermeister Belit Onay im Maschpark.

Hannover: Podcast mit dem OB

[25.09.2025] Ein neues Kommunikationsformat startet Niedersachsens Landeshauptstadt: „Hannover macht das!“ lautet der Podcast mit dem Oberbürgermeister, der einen Beitrag zum demokratischen Diskurs leisten möchte. mehr...

eGovernment-Wettbewerb 2025: Die Gewinner stehen fest

[22.09.2025] Die Preisträgerinnen und Preisträger des 24. eGovernment-Wettbewerbs stehen fest. Die ausgezeichneten Projekte wollen konkrete Antworten auf Herausforderungen des Verwaltungsumbaus geben – mit KI, der Digitalisierung von Prozessen und durch bessere Bürgerservices. mehr...

Junger Mann mit einem Schreiben in der Hand rauft sich die Haare und schaut besorgt.

Dresden: Verständliche Behördenschreiben

[18.09.2025] Behördliche Schreiben sollen für rechtliche Eindeutigkeit sorgen – sind für Bürgerinnen und Bürger aber oft nur schwer verständlich. Die Stadt Dresden möchte das ändern: Eine Umfrage soll helfen, Verwaltungstexte klarer, verständlicher und bürgernäher zu gestalten. mehr...

Porträt einer Frau mit Kopfhörern in Office-Umgebung, die konzentriert zuhört.

Podcast: Deutschland-Index 2025 zum Hören

[05.09.2025] Welche Entwicklungen lassen sich bei digitaler Infrastruktur, Nutzungsverhalten und Verwaltungsdigitalisierung in den bundesdeutschen Ländern beobachten? Der ÖFIT-Podcast bereitet aktuelle Zahlen zu diesen und anderen Fragen ohrenfreundlich auf. mehr...

Wildschwein auf einer Lichtung

Kreis Kassel: Digitaler Service für Jäger

[15.08.2025] Die sogenannte Digitale Wildmarke erleichtert Jägern im Kreis Kassel jetzt die vorgeschriebene Abgabe von Trichinenproben. Gekühlte Briefkästen und ein App-gestütztes Verfahren verbessern nicht nur den Service für die Jäger, sondern stärken auch die Früherkennung von Tierseuchen. mehr...

Mithilfe eines CDO widmet sich die Stadtverwaltung Bonn der Digitalisierung.

Bonn: Modellkommune für Verwaltungsmodernisierung

[14.08.2025] Die Bundesstadt Bonn will sich als Modellkommune der Initiative „Für einen handlungsfähigen Staat“ bewerben. Ziel ist es, innovative Verwaltungsansätze zu erproben, Verfahren zu beschleunigen und Bürokratie abzubauen – im Rahmen demokratischer Prozesse. mehr...

Frauenhände die auf einem Laptop tippen mit einem Overlay aus Binärcode.

München/Schleswig-Holstein: Gemeinsam für gute Nutzererlebnisse

[04.08.2025] Im Projekt KERN setzen München und Verwaltungscloud.SH künftig gemeinsam Impulse: Sie übernehmen die Federführung für eine neue Technologieanbindung und stärken so die Entwicklung eines länderübergreifenden UX-Standards für die Verwaltung. mehr...

KGSt: Kooperation mit der DUV vereinbart

[24.07.2025] Um das kommunale Management weiter zu stärken, haben die KGSt und die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften (DUV) Speyer eine Kooperation geschlossen. mehr...

drei Personen vor einem Bildschirm, Frauengesicht auf Bildschirm

Fraunhofer IESE: Digitale Dörfer werden Smartes Land

[16.07.2025] Das Fraunhofer-Institut IESE, die Deutsche Assistance und die Versicherungskammer Bayern haben die Smartes Land GmbH gegründet. Damit werden die Plattformlösungen DorfFunk und BayernFunk aus dem Forschungsprojekt „Digitale Dörfer“ in den dauerhaften Betrieb überführt und unter einem gemeinsamen Dach weiterentwickelt und betrieben.  mehr...

Logo Digitaltag 2025 Digitale Demokratie

Studie: Viele fühlen sich digital abgehängt

[03.07.2025] Eine repräsentative Studie anlässlich des Digitaltags zeigt, dass in Deutschland zwar eine große Offenheit gegenüber digitalen Angeboten besteht, viele Menschen sich aber digital abgehängt fühlen und ihre eigenen Digitalkompetenzen eher schlecht bewerten. mehr...

Close up photo of a stack of moving boxes

In eigener Sache: K21 media zieht um

[01.07.2025] Seit 2001 versorgen die Publikationen von K21 media Kommunen, Entscheider auf Landes- und Bundesebene sowie Stadtwerke mit aktuellen und umfassenden Informationen zu relevanten Themen. Nun schlägt der Verlag sein Hauptquartier in der Landeshauptstadt Stuttgart auf. mehr...

Cover der Studie „Top 100 Wirtschaft 2.0“

Studie: Digitale Verwaltungservices für Unternehmen

[01.07.2025] Digitale Verwaltungsangebote für Unternehmen haben ein großes Potenzial, das noch bei Weitem nicht ausgeschöpft wird. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie des Unternehmens init. mehr...

Cover Deutschland-Index der Digitalisierung 2025

Studie: Digitalisierungsindex 2025 veröffentlicht

[26.06.2025] Im Rahmen des Zukunftskongresses Staat & Verwaltung (23. bis 25. Juni, Berlin) hat das Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) am Fraunhofer-Institut FOKUS den Deutschland-Index der Digitalisierung 2025 vorgestellt. Demnach schreitet die Digitalisierung zwar in vielen Bereichen voran, jedoch bestehen zwischen den einzelnen Bundesländern weiterhin erhebliche Unterschiede. mehr...

Ein Mann (Torso) sitzt an seinem Schreibtisch mit Stift und Papier, vor sich hat er Stapel von Euromünzen sowie ein Glas, in das er etwas Kleingeld wirft.

Umfrage: IT-Budgets zu eng bemessen

[24.06.2025] Ihr Jahresbudget halten weniger als 18 Prozent der IT-Fachkräfte im öffentlichen Sektor für ausreichend. Das zeigt eine weltweite Umfrage von SolarWinds unter rund 100 Fachleuten. Viele sehen Projekte gefährdet und Budgetkürzungen als wachsendes Sicherheitsrisiko. mehr...