Mittwoch, 12. November 2025

InterviewDigitalisierung muss man wollen

[23.01.2024] Im Rahmen des Kongresses Innovatives Management sprach Kommune21 mit Michael Mätzig vom Städtetag Rheinland-Pfalz und Form-Solutions-Geschäftsführer Olaf Rohstock über Möglichkeiten, das Tempo bei der Digitalisierung zu erhöhen.
Michael Mätzig

Michael Mätzig

(Bildquelle: Städtetag Rheinland-Pfalz)

Herr Mätzig, Herr Rohstock, durchgängig digitale Prozesse sollen das Verwaltungshandeln deutlich beschleunigen. Wie digital sind die Kommunalverwaltungen aus Ihrer jeweiligen Sicht bereits? Michael Mätzig: Das hängt häufig von der Größe der Kommunen ab. Die größeren Städte in Rheinland-Pfalz sind bei der Digitalisierung deutlich weiter, viele haben auch die Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes (OZG) bereits umgesetzt. Kleinere Kommunen fangen zum Teil erst an, Digitalisierungsprojekte zu starten. Man sieht also, es ist ganz klar eine Frage der Ressourcenausstattung. Olaf Rohstock: Das kann ich bestätigen, größere Gemeinden tun sich mit der Digitalisierung leichter. Auch in kleineren Gemeinden gibt es gute Beispiele. Aber in der Tat sind die Verwaltungsprozesse noch nicht so durchgängig, wie es wünschenswert wäre. Die Technologien sind zwar vorhanden, aber es fehlt an Basisdienstleistungen. Und in kleineren Gemeinden fehlt oft das Personal, um die Digitalisierung auch intern voranzutreiben. Was tut die Landesregierung Rheinland-Pfalz, um die Kommunen bei der Digitalisierung zu unterstützen? Mätzig: In Rheinland-Pfalz sollte das Land Basiskomponenten für das OZG bereitstellen. Da dies nicht im erforderlichen Umfang geschehen ist, gibt es in den kleineren Gemeinden keine Fortschritte. Die Landesregierung ist aber bemüht, hier voranzukommen, insbesondere bei den Dienstleistungen nach dem Prinzip Einer für Alle. Ein Erfolg versprechender Ansatz ist die Konzentration auf 16 Basisdienstleistungen und hier ist das Land auf einem guten Weg. Vor allem nach der Landtagswahl, denn vorher war die Digitalisierung im Innenministerium angesiedelt – als eine von vielen Aufgaben. Jetzt gibt es ein eigenes Digitalministerium, und das macht sich bemerkbar. Leider gibt es wenig finanzielle Unterstützung für die Kommunen. Wenn man bedenkt, wie viele Milliarden der Bund zur Verfügung gestellt hat, ist bei den Kommunen sehr wenig angekommen. Welche Rolle spielen rechtliche Rahmenbedingungen und die richtige Mentalität bei der Digitalisierung? Rohstock: Um das Verwaltungshandeln von der Papierwelt in die digitale Welt zu überführen, braucht es eine entsprechende Mentalität und den Mut der Verwaltungsspitze, auch Grenzen zu überschreiten. Wir brauchen neues Denken und neue Prozesse. Leider verhindert das Korsett der Gesetzgebung oft die Modernisierung. Man kann Verwaltungsprozesse auch kreativ gestalten, aber man muss die ausgetretenen Pfade verlassen, welche die rechtlichen Rahmenbedingungen von vorgestern darstellen. Es wäre wichtig, die rechtlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass auch Experimente möglich sind. Mätzig: Leider wurde es beim OZG versäumt, zunächst den rechtlichen Rahmen an die neuen digitalen Prozesse anzupassen, etwa beim Thema Schriftformerfordernis. Jetzt haben wir die Chance, einen Neuanfang zu machen. Mit dem Digi-Check versucht der Bund, einen Praxisbezug in die Digitalisierung zu bringen. Das ist ein positiver Ansatz. Zur Mentalität: Viele Experten sagen, es gibt ein Organisationsversagen der öffentlichen Hand bei der Digitalisierung und das hat etwas mit der Denkweise zu tun. Man muss ganz klar sagen, dass die Digitalisierung noch nicht in den Köpfen angekommen ist. Bevor man immer neue Digitalstrategien verkündet, sollte man die kommunale Ebene erst einmal in die Lage versetzen, ihre Strukturen zu verändern. „Ich bin ungebrochen optimistisch, denn es gibt keine Alternative zur Digitalisierung.“ Herr Rohstock, was muss aus Ihrer Sicht getan werden, um echte Veränderungen im Verwaltungshandeln herbeizuführen? Rohstock: Da kann ich nur bestätigen: Digitalisierung beginnt im Kopf und ist Aufgabe der Verwaltungsspitze. Eine intrinsische Motivation zur Digitalisierung findet man in solchen Kommunen, in denen die Führungskräfte dahinter stehen. Die Praxis zeigt, dass es wichtig ist, Ermessensspielräume zu schaffen. So kann das Verwaltungshandeln beschleunigt werden. Veränderungen müssen aber auch gewollt sein. Welche konkreten Maßnahmen könnten ergriffen werden, um eine durchgängige Digitalisierung von Verwaltungsprozessen voranzutreiben? Mätzig: Ich finde es richtig, dass man sich jetzt auf 16 Fokusdienste konzentriert, es erscheint mir realistisch, bis Ende 2024 solche Ende-zu-Ende-Dienste zur Verfügung zu stellen. Was mich stört, ist, dass der Bund eine Initiative nach der anderen startet, aber die eigentlichen Probleme und Herausforderungen nicht angegangen werden. Und das ist das Thema Organisation. Die Kommunen brauchen Prozessdesigner, die in der Lage sind, die Prozesse in den Kommunalverwaltungen zu digitalisieren. Dafür sind Ressourcen und Know-how notwendig. Viele Kommunen haben weder das eine noch das andere. Rohstock: Ich möchte ein Beispiel aus Sachsen-Anhalt nennen. Das Land hat 2015 in der so genannten Flüchtlingskrise jeder Kommune Budgets zur Verfügung gestellt, um zusätzliches Personal einzustellen und den Zustrom zu bewältigen. So konnte die Wucht des Wandels abgefedert werden. Für die Digitalisierung gab es Bundesmittel, die vielleicht bei den kommunalen IT-Dienstleistern angekommen sind, aber nicht bei den Kommunen selbst. Die Kommunen brauchen aber Ressourcen und Personal, um von der Digitalisierung profitieren zu können. Welche Strategien würden Sie vorschlagen, um das Tempo des Verwaltungshandelns zu erhöhen und gleichzeitig echte Veränderungen herbeizuführen? Mätzig: Ich war der Meinung, dass der Top-down-Ansatz richtig ist, dass es sinnvoll ist, den vielen Kommunen bestimmte Basisdienste zur Verfügung zu stellen. Aber das hat nicht funktioniert. Es wäre besser, auf regionaler Ebene zusammenzuarbeiten. Wir müssen jetzt viel stärker die einzelnen Prozesse betrachten und anpassen. Rohstock: Die Idee der interkommunalen Zusammenarbeit bei der Digitalisierung ist nicht neu und es gibt viele erfolgreiche Beispiele. Regionale Projekte sind oft schneller und führen eher zu guten Ergebnissen. Allerdings sind regionale Entwicklungen nicht unbedingt auf andere Kommunen übertragbar. Wie optimistisch sind Sie, dass die Digitalisierung in den Kommunen trotz aller Rückschläge vorankommt? Mätzig: Ich bin ungebrochen optimistisch, denn es gibt keine Alternative und der Veränderungsdruck ist da. Es wird also vorangehen, zumal auch die Verwaltungsspitzen in den Kommunen die Digitalisierung wollen. Allerdings: Eine Bundesgesetzgebung in der Sache ist nicht förderlich.

Interview: Alexander Schaeff




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Messen | Kongresse

ANGA COM: Drei Viertel der Ausstellungsfläche bereits gebucht

[12.11.2025] Sechs Monate vor dem Start der ANGA COM 2026 sind bereits drei Viertel der Ausstellungsfläche vergeben. Die Fachmesse firmiert künftig unter dem neuen Namen „ANGA COM Fachmesse und Kongress für Breitband, Medien & Konnektivität“ und erweitert ihr Programm um aktuelle Wachstumsthemen wie Inhausnetze, KI und Creator Media. mehr...

GISA: Fachveranstaltung zu Digitalisierungsthemen

[07.11.2025] GISA richtet am 17. und 18. November 2025 in Leipzig die Fachveranstaltung Digital Insights aus. Dort geht es um Cloud, Künstliche Intelligenz, IT-Sicherheit und digitale Prozesse für Wirtschaft und Verwaltung. mehr...

Eine Person spricht auf einer Bühne, im Hintergrund sind die DIGITAL-Awards und mehrere wartende Personen zu sehen.
bericht

KommDIGITALE 2026: Digitale Kommune im Zentrum

[05.11.2025] Die KommDIGITALE findet im kommenden Jahr bereits im März statt. Teile des neuen Veranstaltungskonzepts sind die Digitalen Werkbänke als interaktive Praxisfläche. mehr...

Hamburg: Mithilfe von Software-Robotern werden Prozesse in kürzester Zeit automatisiert.

Niedersachsen: Rückblick auf das IT-Symposium 2025

[30.10.2025] Etwa 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen beim IT-Symposium 2025 der Niedersächsischen Landesverwaltung in Osnabrück zusammen, um praktische Einblicke in neue Technologien wie KI, RPA und VR zu gewinnen und um deren Einsatz in der öffentlichen Verwaltung zu diskutieren. mehr...

Fabian Mehring spricht auf einem Podium der Kommunale.

DIGITAL-Award 2025: Innovative Kommunen ausgezeichnet

[29.10.2025] Im Rahmen der Kommunale haben herausragende Kommunalprojekte den DIGITAL-Award erhalten. Die Auszeichnung wurde in drei Kategorien verliehen. Zu den Bestplatzierten zählen die Gemeinde Kloster Lehnin, der Markt Weisendorf, die Städte Bad Soden-Salmünster, Nürnberg, Leipzig und Nettetal sowie der Kreis Darmstadt-Dieburg, der Rhein-Kreis Neuss und der Kreis Augsburg. mehr...

bericht

Kommunale 2025: Starkes Signal aus dem Süden

[27.10.2025] Deutschlands größte Fachmesse für Kommunalbedarf wächst weiter: Die Kommunale in Nürnberg verzeichnete Rekordzahlen und präsentierte sich als Schaufenster für Innovation, Austausch und politische Orientierung. mehr...

bericht

cit-Kundentag: Verwaltungsdigitalisierung als Chance

[27.10.2025] Künstliche Intelligenz, Standardisierung und skalierbare Plattformlösungen spielen eine zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung digitaler Verwaltungsprozesse. Wie sich Effizienz, Nutzerorientierung und Datenschutz dabei in der Praxis verbinden lassen, zeigte der Kundentag des Unternehmens cit. mehr...

Über dem Ausgang einer Messehalle hängt ein Banner, das auf die Daten der Kommunale 2025 hinweist.
bericht

Kommunale 2025: Die Zukunft gestalten

[15.10.2025] Auf der Kommunale in Nürnberg erwartet die Besucher ein vielfältiges Angebot an Innovationen, Impulsen und praxisnahen Lösungen für die kommunale Zukunft. mehr...

Ein kleiner Junge und ein kleines Mädchen spielen zusammen auf einem Spielplatz.

Little Bird: Informationstag Kinderbetreuung

[14.10.2025] Anfang November lädt Softwareanbieter Little Bird zu einem kostenfreien Informationstag über die digitale Verwaltung von Kinderbetreuungsangeboten nach Walldorf ein. Teilnehmende erhalten von der ganzheitlichen Digitalisierung über die rechtssichere Platzvergabe bis hin zur Bedarfsplanung einen umfassenden Einblick in die Praxis. mehr...

Preisträger des delina Gruppenfoto

Learntec: Jetzt bewerben für den Innovationspreis

[09.10.2025] Im Rahmen der Bildungsmesse Learntec wird der Innovationspreis für digitale Bildung, delina, verliehen. Bewerbungen können noch bis Ende Oktober eingereicht werden. 
 mehr...

Infotag: KI und digitale Prozesse

[09.10.2025] Auf dem Infotag E-Government und Digitalisierung, den das Unternehmen NOLIS Anfang November in Hannover ausrichtet, stehen KI-Lösungen und digitale Prozesse im Mittelpunkt. mehr...

Ein Redner hält einen Vortrag vor einem gut gefüllten Saal mit Zuhörern.

Smart Country Convention: 2025 erneut gewachsen

[07.10.2025] Eine neue Rekordbeteiligung hat die Smart Country Convention 2025 erreicht. Mehr als 23.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben die Veranstaltung besucht, viele wollen zwischen dem 13. und 15. Oktober 2026 zur nächsten SCCON wiederkommen. mehr...

Intergeo: Lösungen für eine Branche im Wandel

[07.10.2025] Heute startet in Frankfurt die Intergeo 2025 – das weltweit führende Event für Geodäsie, Geo-Information und Landmanagement. Im Mittelpunkt stehen Künstliche Intelligenz, Digitale Zwillinge und Reality Capturing als Zukunftstreiber einer Branche im Wandel. mehr...

Kommunale: Wolters Kluwer gibt Einblick in digitale Werkstatt

[01.10.2025] Auf der Kommunale 2025 in Nürnberg präsentiert Wolters Kluwer digitale Werkzeuge für eine effizientere Verwaltungsarbeit. Im Mittelpunkt stehen KI-gestützte Rechtsinformationen und praxisnahe Lösungen für den kommunalen Alltag. mehr...

Eine Person präsentiert anderen Personen über ein Tablet eine Stadtkarte.
bericht

Intergeo 2025: Vernetzen, erleben, mitnehmen

[24.09.2025] Wie Geodaten, Digitale Zwillinge und Erdbeobachtungsdaten Kommunen entlasten können, macht die Intergeo, internationale Leitmesse für Geoinformation und Landmanagement, ersichtlich. Smarte Technologien werden ebenso präsentiert wie praktische Lösungen. mehr...