InterviewZusammenarbeit als Schlüssel

Dr. Ilona Benz, CDO von Kaiserslautern
(Bildquelle: Thomas Kierok)
Frau Benz, Sie sind unter die Autorinnen gegangen. Was hat Sie dazu inspiriert, ein Buch über smarte Kommunen zu schreiben?
Das Buch knüpft an meine Dissertation an, die ich Anfang 2023 veröffentlicht habe. Bekanntlich sind viele Teile einer wissenschaftlichen Arbeit, beispielsweise der Stand der Forschung oder die Methodik, für Praktikerinnen und Praktiker in Kommunen weniger relevant. Es war jedoch von Anfang an mein Anspruch, ein Thema zu bearbeiten und Fragen zu beantworten, die auch in der Praxis relevant sind und Erkenntnisse zu liefern, die für die tägliche Arbeit von Digitalisierungsverantwortlichen einen Mehrwert bringen. Auf Anregung des Verlags war dann schnell die Idee geboren, aus der Dissertation ein praxisorientiertes Buch zu machen – weniger umfangreich und angereichert mit vielen praktischen Tipps, Tricks, Beispielen und Werkzeugen, die in der Dissertation so nicht enthalten sind.
Wer von Smart City spricht, denkt an Großstädte wie Hamburg, München oder Darmstadt. Sie konzentrieren sich aber auf kleinere Kommunen. Warum?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zunächst ist festzustellen, dass von 11.000 Kommunen in Deutschland etwa 10.000 Gemeinden weniger als 20.000 Einwohner haben. Viele Menschen in unserem Land leben also in kleineren Gemeinden und nicht in Großstädten. Wenn wir über den digitalen Staat reden, dann muss dieser folglich auch für die Gruppe der kleineren Kommunen funktionieren. Also brauchen wir auch für sie Konzepte, Beispiele, Handlungsanleitungen und praktische Hilfestellungen. Als ich mit meiner Dissertation begonnen habe, gab es relativ wenig Material für diese Zielgruppe.
Was sind die größten Herausforderungen für diese kleinen Kommunen?
Eine große Herausforderung ist sicherlich der Mangel an Ressourcen – Geld, Personal und Zeit. Hinzu kommt oft ein Mangel an technischem Verständnis und IT-Kenntnissen in den kleineren Kommunalverwaltungen. Eine weitere Herausforderung ist die praktische Überforderung vor Ort. Digitale Themen sind sehr komplex und können lokale Strukturen und Prozesse schnell überfordern, zum Beispiel Entscheidungsfindungsprozesse im Gemeinderat oder die Vorstellungskraft der Bürgerschaft. In größeren Städten gibt es beispielsweise oft engagierte zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich mit digitalen Themen beschäftigen. In kleineren Gemeinden sind solche Initiativen selten zu finden. Dementsprechend weniger ausgeprägt sind dort auch Sensibilität, Problembewusstsein und Steuerungsnotwendigkeiten in der digitalen Transformation.
Wie können diese Hürden – begrenztes technisches Know-how und fehlende Ressourcen – überwunden werden?
Ich glaube, der Schlüssel liegt in der interkommunalen Zusammenarbeit. Dieses bewährte Prinzip muss auch auf die Digitalisierung übertragen werden. Es gibt bereits vielversprechende Beispiele, wo sich Kommunen zusammengeschlossen haben, um gemeinsam an digitalen Themen zu arbeiten. Diesen Weg müssen wir flächendeckend gehen. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass wir an vielen Stellen auch mehr Zentralisierung von Leistungen auf Landes- oder Bundesebene brauchen.
In Ihrem Buch stellen Sie praxisorientierte Ansätze und Bausteine für die Entwicklung von Smart Cities vor. Können Sie dies näher erläutern?
In meinem Buch schlage ich eine Art Mindeststandard an Bausteinen vor. Diese Empfehlungen sollen aufzeigen, wie man mit begrenzten Ressourcen vorankommen kann. Ich gebe also Hinweise, wie innerhalb der für kleinere Kommunen geltenden Rahmenbedingungen die Strategieentwicklung vom ersten Impuls über die Zieldefinition bis hin zum Beteiligungsprozess, der Kommunikation und der Maßnahmenauswahl gelingen kann. Die in meinem Buch vorgestellten Module sind selbstverständlich an vielen Stellen erweiterbar. Mir ging es aber darum, das absolute Minimum aufzuzeigen, auf das nicht verzichtet werden kann und das für jede Gemeinde machbar ist.
Eine Strategie zu entwickeln ist das eine, sie umzusetzen das andere. Welche organisatorischen Strukturen sind notwendig?
Wir können dazu in der Praxis unterschiedliche Ansätze beobachten. Einige kleinere Kommunen haben etwa eine zentrale Zuständigkeit im Hauptamt oder in der IT-Abteilung, andere haben Digitalisierungsbeauftragte in jedem Fachbereich. Manche gründen sogar eigene Ämter für Digitalisierung oder kommunale Gesellschaften. Und dazwischen gibt es natürlich viele Schattierungen und Grautöne. Wichtig ist, dass das Thema als Querschnittsaufgabe in der Verwaltung etabliert wird. Außerdem ist zwingend eine federführende Zuständigkeit notwendig, um die Digitalisierung kraftvoll und koordiniert voranzutreiben.
Gibt es erfolgreiche Beispiele, die Sie in Ihrem Buch erwähnen?
Wenn wir bei den organisatorischen Strukturen bleiben, möchte ich die Gemeinde Heddesheim im Rhein-Neckar-Kreis in Baden-Württemberg als gutes Beispiel nennen. Der damalige Bürgermeister hat schon vor vielen Jahren in allen Fachbereichen Digitallotsen ernannt, diese Personen entsprechend qualifiziert und in einen gemeinsamen Arbeitskreis integriert. Dieses Vorgehen war sehr erfolgreich, weil die Digitalisierung auf diese Weise als Querschnittsthema, das alle angeht, in der Verwaltung angekommen ist.
Es gibt viele neue technologische Ansätze wie KI und Start-ups, die Lösungen für Kommunen entwickeln. Können sie kleineren Kommunen helfen?
Ja, ich sehe gerade für kleinere Kommunen große Vorteile in der Zusammenarbeit mit Start-ups. Im Vergleich zu großen Städten sind etwa in kleinen Gemeinden Entscheidungswege oft kürzer und Zuständigkeiten weniger zersplittert, sodass Projekte schneller umgesetzt werden können. Start-ups wiederum sind flexibler und anpassungsfähiger als große Unternehmen. Das kommt der Arbeitsweise und den Bedarfen kleinerer Kommunen sehr entgegen. Ein perfektes Match könnte man also sagen. KI und damit verbunden ein gutes Datenmanagement bieten Kommunen unabhängig von ihrer Größe enorme Möglichkeiten und Potenziale für die Entscheidungsfindung und politische Steuerung, zur Automatisierung von Routineaufgaben und in Planungsprozessen.
Welche Rolle spielen die kommunalen IT-Dienstleister in diesem Prozess?
Kommunale IT-Dienstleister spielen insbesondere bei der Digitalisierung in kleineren Kommunen eine zentrale Rolle. Viele einwohnerschwächere Kommunen verfügen kaum über eigene IT-Expertise und sind daher auf die Leistungsfähigkeit und die Angebote der kommunalen IT-Dienstleister angewiesen. Wir sehen hier in der Praxis starke Abhängigkeiten.
„Eine federführende Zuständigkeit ist zwingend notwendig, um die Digitalisierung kraftvoll und koordiniert voranzutreiben.“
Wie kann interkommunale Zusammenarbeit organisiert werden?
Zum Beispiel können Landkreise oder Regionalverbände eine Bündelungs-, Koordinierungs- und Servicefunktion übernehmen, es gibt aber auch andere Modelle wie Clusterinitiativen, lose Netzwerke und Städteverbünde, die unabhängig von Landkreis- oder Landesgrenzen zusammenarbeiten. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Kooperationen werden auch gerne kommunale Gesellschaften als Träger von Projekten gegründet. Wichtig ist, dass die unterschiedlichen Kooperationsmodelle die jeweiligen kommunalen Besonderheiten berücksichtigen. Nicht jedes Modell funktioniert überall.
Wie wichtig sind die Führungskräfte für den Erfolg der Digitalisierung in kleinen Gemeinden?
Führungskräfte sind auf allen Ebenen und in Kommunen jeglicher Einwohnergrößenklasse von entscheidender Bedeutung. Ohne Unterstützung und Engagement von oben wird es für Digitalisierungsbeauftragte oder Digitalteams auf der Arbeitsebene schwierig, erfolgreich zu arbeiten. Insbesondere die Stadtspitze muss das Thema aus eigener Überzeugung engagiert vorantreiben, ansonsten scheitern Digitalisierungsverantwortliche früher oder später an Widerständen, die sie auf ihrer Hierarchieebene nicht mehr ausflösen können. Das lässt sich leider in der Kommunalpraxis an vielen Stellen beobachten.
Welche Rolle spielt die Bürgerschaft beim Thema Smart City in kleinen Gemeinden?
Auch in kleinen Gemeinden gibt es einzelne Bürgerinnen und Bürger, die sich für die Digitalisierung interessieren und engagieren. Es ist wichtig, diese Menschen zu identifizieren, sie einzubinden, zu stärken und ihre Expertise bestmöglich zu nutzen. Die Praxis zeigt, dass Bürgerbeteiligungsveranstaltungen Menschen brauchen, die der Diskussion auf Basis ihrer Expertise eine inhaltliche Richtung geben können. Andernfalls besteht ein hohes Risiko, dass die Veranstaltung in einem bunten Wünsch-dir-was endet. Darüber hinaus beteiligen sich digitalaffine Bürgerinnen und Bürger auffällig häufig auch an der späteren Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen. In den allermeisten Strategieprozessen auf kommunaler Ebene sind Elemente der Bürgerbeteiligung bereits integriert und werden in der Regel gut angenommen. Das ist eine sehr gute Entwicklung.
Wie sieht eine smarte kleine Gemeinde in einer idealen Welt aus?
Es muss sich nicht um eine hochtechnisierte Kommune handeln. Wichtiger ist, dass lokale Verwaltung und Politik die Technik sinnvoll zur Unterstützung ihrer Aufgaben, zur Steuerung und zur Politikumsetzung einsetzen. Sensoren zur Messung von Luftqualität, Pegelständen oder in der Abfallentsorgung – die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig und sie werden mit dem technologischen Fortschritt immer größer. Entscheidend ist, dass diese Technologien verantwortungsvoll, partizipativ und klug eingesetzt werden, um die kommunalen Aufgaben, insbesondere Leistungen der Daseinsvorsorge, auch in Zukunft noch in hoher Qualität erfüllen zu können.
Augsburg: Echtzeitdaten zu Bus und Bahn
[12.05.2025] Augsburg hat sein Smart-City-Dashboard um zwei neue Datenbausteine erweitert: Neben Live-Daten zum ÖPNV sind nun auch aktuelle Zahlen zum Radverkehr abrufbar. Die Urbane Plattform bildet das Fundament für eine smarte, integrierte Verkehrssteuerung. mehr...
Smart City und E-Government: Ganzheitlich denken
[08.05.2025] Eine NEGZ-Studie hat die Synergieeffekte zwischen Smart City und E-Government in den Blick genommen. Studienautor Christian Schachtner, Professor an der Hochschule RheinMain, erläutert die Ergebnisse. mehr...
Baden-Württemberg: Parkraumkontrolle mit Scan-Fahrzeug
[08.05.2025] Als erstes Bundesland ermöglicht Baden-Württemberg den Einsatz von Scan-Fahrzeugen zur digitalen Parkraumkontrolle. Um die Einführung in den Kommunen zu erleichtern, wird ein Pilotversuch auf den Parkplätzen der Universität Hohenheim durchgeführt. mehr...
Kreis Wunsiedel: FichtelApp besonders nutzerfreundlich
[08.05.2025] Im Smart‑City‑App‑Vergleich des Bundesinstituts für Bau‑, Stadt‑ und Raumforschung (BBSR) hat die FichtelApp des Landkreises Wunsiedel hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit den ersten Platz belegt. mehr...
Data Governance Wegweiser: Praxisnahe Anleitung für Kommunen
[06.05.2025] Mit dem Data Governance Wegweiser steht den Kommunen nun ein Werkzeugkasten für den strategischen Umgang mit Daten zur Verfügung. Er thematisiert die rechtlichen Unsicherheiten sowie unklaren Zuständigkeiten, Strukturen und Prozesse, die oft verhindern, dass Digitalisierungsprojekte aus der Planungsphase herauskommen. mehr...
Kreis Wunsiedel: Fichtelgebirge als digitale Modellregion
[06.05.2025] Von einem Ideenwettbewerb, bei dem Start-ups digitale Lösungen für die Stadtentwicklung pilotieren, sollen die Kommunen im Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge profitieren. Gesucht wurden unter anderem Lösungen für die smarte Müllerfassung, die intelligente Buchung kommunaler Sporthallen oder eine Augmented-Reality-Anwendung für Wanderwege. mehr...
Arnsberg: Sensoren sammeln Umweltdaten
[05.05.2025] Lokale Umweltdaten, mit denen sich klimatische Entwicklungen nachvollziehen lassen, sind eine wertvolle Grundlage für die Stadtentwicklung. In Arnsberg werden solche Informationen künftig in einem Klimadashboard gebündelt. Bei der Erhebung der Daten mittels Sensoren nimmt die Stadt die Hilfe der Bürgerinnen und Bürger in Anspruch. mehr...
Mannheim: Grünflächen smart reinigen
[02.05.2025] Ob ein autonomer Roboter die Reinigung öffentlicher Grünflächen übernehmen kann, will die Stadt Mannheim herausfinden. Sechs Monate lang testet sie nun ein solches Gerät, das kleinteiligen Müll wie Zigarettenstummel oder Kronkorken erkennen kann. Bevor es den Unrat einsammelt, meldet es diesen georeferenziert. mehr...
Hanau: Roadshow im Sinne der Bürgerbeteiligung
[02.05.2025] Mit einer Roadshow zur Smart City wendet sich die Stadt Hanau an ihre Bürgerinnen und Bürger. Zum einen will sie in diesem Rahmen die in Hanau bereits vorhandenen smarten Lösungen sichtbar machen. Zum anderen will sie die Meinungen, Anregungen und Impulse der Bürgerschaft dazu aufnehmen. mehr...
Arnsberg: 3D-Stadtmodell mit neuen Funktionen
[30.04.2025] Die Stadt Arnsberg hat ihren Digitalen Zwilling erweitert: Neu integriert sind eine 3D-Solarpotenzialanalyse und die Visualisierung beantragter Windkraftanlagen. Ziel ist es, nachhaltige Energieprojekte gezielt zu fördern und zu unterstützen. mehr...
Friedrichshafen: LoRaWAN liefert wertvolle Daten
[29.04.2025] Mit LoRaWAN arbeitet jetzt die Stadt Friedrichshafen. Ergänzt um KI-gestützte Kamerasensoren überwacht sie damit beispielsweise den Belegungszustand von Rettungszufahrten. Auch den Standort von Rettungsringen am Bodenseeufer oder den Verbleib mobiler Stadtmöbel kann sie damit einfach und datenschutzkonform nachvollziehen. mehr...
Lübeck: VIAA setzt neue Maßstäbe
[28.04.2025] Die Stadt Lübeck beschreitet mit ihrem vom Bund geförderten Verkehrsprojekt neue Wege. Die Kombination aus moderner Technologie, datenbasierter Analyse und praxisnahen Testfeldern ermöglicht eine flexible, nachhaltige und zukunftssichere Verkehrssteuerung. mehr...
Jena: Smarter und vernetzter
[25.04.2025] Im Rahmen des Smart-City-Projekts der Stadt Jena sind bereits zahlreiche innovative Lösungen für aktuelle Herausforderungen entwickelt worden – vom Umweltschutz über digitale Teilhabe bis hin zu Gesundheitsversorgung und Mobilität. mehr...
Regensburg: Verbessertes Verkehrsmanagement
[24.04.2025] Mit einem umfassend modernisierten Verkehrsmanagementsystem arbeitet jetzt die Stadt Regensburg. Herzstück ist der erneuerte zentrale Verkehrsrechner. Auch wurden Ampelanlagen modernisiert, Umweltsensoren installiert und ein digitales Qualitätsmanagement eingerichtet. mehr...
Menden: Digitaler Zwilling veröffentlicht
[23.04.2025] Einen Digitalen Zwilling der Stadt bietet jetzt die Smart City Menden an. Die neue Onlineplattform zeigt lokale Umwelt- und Klimadaten in Echtzeit an und bietet damit praktische Funktionen für den Alltag – vom Hochwasserschutz mithilfe von Live-Pegeldaten bis hin zum digitalen Besuch eines 3D-Stadtmodells. mehr...