InterviewWahlfreiheit für Kommunen

Detlef Sander, Geschäftsführer von DATABUND, dem Verband der mittelständischen IT-Dienstleister und Software-Hersteller für den öffentlichen Sektor
(Bildquelle: DATABUND/Pollert)
Herr Sander, der Verband DATABUND hat sich in einer Stellungnahme gegen die Pläne des IT-Planungsrats gewandt, einen App-Store für die Verwaltung, den FIT-Store, einzurichten (wir berichteten). Was hat Sie bewogen, sich jetzt zu Wort zu melden?
Unser Kernthema als Verband ist Wettbewerb. Wettbewerb ist wichtig für Innovation, Weiterentwicklung und kostengünstige Lösungen. Der FIT-Store läuft dem diametral entgegen. Die Privatwirtschaft wird komplett ausgeklammert. Das können wir nicht gutheißen, und ich glaube, dass es auch für den Bürger nicht gut ist. Es gibt viele Beispiele, wo die öffentliche Verwaltung alleine versucht hat, IT-Anwendungen zu entwickeln, die dann nicht sehr erfolgreich waren. Der Staat sollte sich darauf konzentrieren, was er kann: Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung. Seine Stärke ist sicherlich nicht, Software und IT zu entwickeln. Es genügt, wenn er Leitlinien erstellt, innerhalb derer es Wettbewerb um gute Lösungen gibt.
Warum bedeutet das vom neuen Bundes-CIO Markus Richter ausgegebene Einer-für-alle-Prinzip eine Benachteiligung der privaten Anbieter?
Einer für alle muss keine Benachteiligung privater Anbieter sein, denn der eine könnte ja auch ein Privater sein. Monopole sind aber in jeder Hinsicht schädlich –sowohl in der Wirtschaft als auch beim Staat. Der Hintergedanke dabei ist sicher, möglichst schnell zu Lösungen zu kommen und bis zum Jahr 2022 etwas vorzuweisen. Aber wenn man dabei alles kaputt schlägt, was vorhanden war, hinterlässt man nur ein Trümmerfeld.
Sie haben ein Alternativkonzept für einen App-Store vorgelegt, das einen freien Zugang aller Lösungen vorsieht. Was würden die privaten IT-Unternehmen dort anbieten?
Wir wollen, dass es klare Regularien gibt, welche Standards die IT-Lösungen erfüllen müssen, die in diesen App-Store möchten, welche Datenformate, welche Schnittstellen und so weiter. Ein App-Store ist attraktiv für alle Anbieter, denn man spart sich den ganzen Vertriebsaufwand. Positive Effekte gibt es aber auch auf der Nachfrageseite. Ein Kunde, etwa eine Kommunalverwaltung, hat die Gewährleistung, dass Interoperabilität und Standards unterstützt werden. Wichtig dabei sind eine neutrale Kontrollinstanz und klare Regeln, sodass jeder Einspruch erheben kann, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt.
Das OZG umfasst das Front End, die Schnittstelle vom Bürger zur Verwaltung. Sind Ihre Mitglieder in diesem Bereich tätig?
Selbstverständlich. Zum einen bieten fast alle Fachverfahren mittlerweile auch Online Clients für die Nutzung durch die Bürgerinnen und Bürger, oft sogar mit eID-Funktion. Darüber hinaus sind fast alle Formularhersteller mittlerweile Mitglied bei uns im Verband. Wir vertreten auch einige Web-Anbieter, CMS-Anbieter und auch Anbieter von Serviceportalen. 80 Prozent unserer Mitglieder bieten Bürger-Front-Ends an. Inzwischen hat ja auch das Bundesinnenministerium erkannt, dass es nichts bringt, nur das Front End zu digitalisieren. Man muss den gesamten Prozess betrachten und digitalisieren. Und somit sind die Fachverfahren wieder mit im Boot.
„Warum wird für Millionenbeträge neue Software entwickelt, die es schon gibt?“
Es gibt eine Art Bestandsgarantie unter dem Signum der Interoperabilität. Man kann die vorhandenen Infrastrukturen und Lösungen nicht einfach wegwerfen. Sehen Sie dies gefährdet?
Die Interoperabilität sehe ich nicht gefährdet, die Bestandsgarantie unter Umständen schon. Denn von den Digitalisierungslaboren, die jetzt überall arbeiten, werden nach Abschluss in der Regel Arbeitsaufträge vergeben. Und diese Arbeitsaufträge gehen alle an öffentliche Unternehmen oder Beratungshäuser und nicht an private. Deswegen sehe ich für eine Bestandsgarantie durchaus Probleme. Ich halte es auch für problematisch, wenn das Ergebnis eines Digitalisierungslabors schon seit zehn Jahren am Markt vorhanden ist. Warum wird für Millionenbeträge neue Software entwickelt, die es schon gibt? Beispiele sind eine Lösung für die digitale Abwicklung der Kurtaxe oder die HPI-Schulcloud. Hier gibt es seit Jahrzehnten Software-Anbieter mit guten Lösungen am Markt.
Niemand weiß, welche Online-Lösungen bereits vorhanden sind. Hätte man nicht zuerst einmal erfassen müssen, was da ist, bevor man identifizieren kann, was fehlt?
Es hätte ausgereicht, das Ziel festzulegen. Dann hätten sich auch die Privaten an der Umsetzung beteiligen können, so wie wir es seit jeher machen, wenn es etwa zu Gesetzesänderungen kommt, die in den entsprechenden Verfahren berücksichtigt werden müssen. Man muss aufpassen, dass nicht die großen kommunalen IT-Dienstleister bald den gesamten Markt okkupieren. Da spreche ich übrigens nicht nur für die Privaten, sondern auch für Unternehmen in öffentlicher Hand, die beispielsweise als GmbH arbeiten. Die trifft das genauso.
Lässt sich der Marktanteil Ihrer Mitglieder beziffern?
Es gibt wohl keine Kommune, die nicht mit einem unserer Mitglieder zusammenarbeitet. Wir decken hundert Prozent der Kommunen ab und 75 Prozent der Fachverfahren. Beispielsweise hat der Verlag für Standesamtswesen 100 Prozent Marktanteil, wie ja jeder weiß. Die HSH-Gruppe kommt im Meldewesen auf 70 Prozent. Beim Gewerbewesen sind es über 50 Prozent. Dann gibt es noch den Ausländerbereich, dort ist das Unternehmen Kommunix sehr gut im Markt etabliert. Wir haben eine ganze Reihe von Marktführern im Verband.
Wie ist das Verhältnis von DATABUND zu den kommunalen Dienstleistern?
Das hängt stark von den Themen ab. Ich würde sagen, wir haben eine große Übereinstimmung bei Themen, die uns einen. Aber es gibt natürlich auch unterschiedliche Ansichten.
Bei der Vergabe vermutlich…
In der Tat, die Inhouse-Vergabe ist ein Thema, das uns nicht eint. Das sehen aber alle GmbHs ähnlich. In unserer Stellungnahme haben wir ausführlich beleuchtet, dass hier das Vergaberecht von Bund und Ländern umgangen wird. Es wurde ja eingeführt, um gewisse Prinzipien bei der Beschaffung in öffentlichen Verwaltungen umzusetzen, zum Beispiel Transparenz und Kosteneffizienz. Durch die Inhouse-Vergabe wird das jetzt ausgehebelt. Das ist sicherlich nicht im Sinne des Gesetzgebers und auch nicht im Sinne der EU-Gesetzgebung, auch wenn wir verstehen, dass Kommunen den bürokratischen Aufwand für Ausschreibungen vermeiden wollen.
Der Bund hat im Rahmen seines Konjunkturprogramms drei Milliarden Euro für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung zur Verfügung gestellt. Wofür sollten die Mittel gerade im kommunalen Bereich eingesetzt werden?
Die Kommunen tragen bei der Digitalisierung die Hauptlast. Wenn man die Bürgermeister fragt, fühlen sich viele allein gelassen, trotz der vielen Unterstützungsangebote. Das Geld ist nun vorhanden, doch fehlt es an Know-how. Die Verwaltung sollte also, um digital souverän zu sein, eigenes Know-how besitzen, um selbst entscheiden zu können, was für sie der richtige Weg bei der Digitalisierung ist. Insofern sollte das Geld auf jeden Fall in den kommunalen Bereich fließen. Den Kommunen sollte die Wahlfreiheit gelassen werden, welche Software sie einsetzen wollen. Deswegen brauchen sie ein Digitalisierungsbudget.
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