Kreis Lüchow-DannenbergKleiner Landkreis, große Ideen

Kreis Lüchow-Dannenberg testet das KI-Tool scriba.
v.l.: Landrätin Dagmar Schulz; die Geschäftsführer von straiqr.ai, Dr. Sydney Otten und Felix Komoll; Sabrina Donner, Stabsstelle Digitalisierung im Landkreis Lüchow-Dannenberg
(Bildquelle: Kreis Lüchow-Dannenberg)
Abgelegen in der niedersächsischen Provinz, im äußersten Osten des alten Westens, liegt der Landkreis Lüchow-Dannenberg. Hier kam es in den 1980er-Jahren zu Großdemonstrationen gegen ein geplantes Atommüll-Endlager. Heute findet hier die KI-Revolution statt. Die Verwaltung des nach der Einwohnerzahl kleinsten deutschen Landkreises führt gegenwärtig zwei KI-Lösungen ein, welche die Angestellten der Kreisverwaltung von Routinearbeiten entlasten sollen. Davon verspricht man sich große Effizienzgewinne für die Produktivität in den Fachabteilungen, auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden soll durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz steigen.
„Wir waren bei der Digitalisierung nicht sehr weit fortgeschritten und hatten gerade einmal die E-Akte eingeführt“, berichtet Landrätin Dagmar Schulz. „Der Landkreis stand nicht unbedingt für Innovation und Fortschritt.“ Das hat sich jetzt geändert. Seitdem die Stabsstelle Digitalisierung eingerichtet worden ist, hat die Kommune aufgeholt und Anschluss gefunden an das bundesweite Digitalisierungstreiben. „Zum einen setzen wir komfortable Lösungen für Bürgerinnen und Bürger mit dem Onlinezugangsgesetz um“, erläutert Landrätin Schulz, „zum anderen sind wir auch die Prozessgestaltung im eigenen Haus angegangen und haben die Prozesse in den Fachabteilungen digitalisiert, sodass, wenn jemand ausfällt, andere Zugriff haben.“
Arbeit im Sitzungsdienst erleichtern
Insbesondere die Arbeit im Sitzungsdienst sollte erleichtert werden. Sitzungsdienst bedeutet: wortgetreue Abschriften von allen Sitzungen des Kreistags und seiner Ausschüsse. Solche Wortlaut-Protokolle sind arbeitsintensiv und zeitaufwendig. Gleichsam ist eine akribische Protokollführung notwendig, um die Beschlüsse sowie den Weg der Beschlussfindung zu dokumentieren. Normalerweise benötigen die Mitarbeitenden im Sitzungsdienst bis zu drei Tage für eine Abschrift. Mit dem KI-Tool scriba ist das nun in wenigen Stunden möglich. Die Software fertigt eine präzise Transkription an, kann automatisch die Sprecher zuordnen und zudem beliebig Zusammenfassungen erstellen.
„Eine KI ist bestens dafür geeignet, repetitive Prozesse zu automatisieren“, sagt Felix Komoll, Geschäftsführer des Düsseldorfer Unternehmens straiqr.ai, die das KI-Tool entwickelt. „Schon nach wenigen Sekunden Sprachaufnahme ist das System in der Lage, die Stimme einem Redner oder einer Rednerin zuzuordnen.“ Die genauen Anforderungen für die KI-Lösung im Landkreis Lüchow-Dannenberg, das Lastenheft und die Sicherheitsrichtlinien sind in enger Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und IT-Unternehmen entstanden. Der offizielle Startschuss fiel am 25. September 2023, bereits Ende Januar dieses Jahres soll das KI-System produktiv gehen. „Die komplette Anwendung wird auf unseren Servern gehostet“, sagt Sabrina Donner, Leiterin der Stabsstelle Digitalisierung und auch für Informationssicherheit zuständig. „Die Sitzungsprotokolle sind zum Teil hochsensibel und es ist wichtig, dass die Informationen bei uns verbleiben. Deswegen haben wir uns für eine On-Premise-Lösung entschieden.“
EMMA unterstützt das Jugendamt
Gleiches gilt für die zweite KI-Lösung, die demnächst beim Jugendamt von Lüchow-Dannenberg an den Start geht. Bei EMMA handelt es sich um eine Künstliche Intelligenz, die Prozessschritte beliebiger Fachverfahren automatisieren kann und dadurch Fallentscheidungen vorbereitet (wir berichteten). Eingesetzt wird sie zunächst für den Unterhaltsvorschuss. Alleinerziehende Eltern erhalten Unterhaltsansprüche von der Verwaltung vorgestreckt. Dazu müssen sie zahlreiche Unterlagen einreichen, die von EMMA auf Vollständigkeit überprüft werden. Beispielsweise registriert das KI-Tool, ob alle nötigen Angaben vorhanden sind und eine Unterschrift an der richtigen Stelle geleistet worden ist. „Solche einfachen Tätigkeiten führen, wenn sie automatisiert ablaufen, zu einer großen Entlastung“, erklärt Susanne Altemeyer, Leiterin des Fachdiensts Kinder, Jugend, Familie im Kreis Lüchow-Dannenberg. „Die Mitarbeitenden bei uns sind begeistert.“ Zusätzlicher Vorteil sei, so Altemeyer, dass sich bei monotoner Arbeit manchmal menschliche Fehler einschleichen, was mit EMMA nicht passieren könne.
EMMA muss man sich als virtuelle Mitarbeiterin vorstellen. Das Programm wird darauf trainiert, sich alle Prozessschritte, welche die echten Mitarbeitenden in einem beliebigen Fachverfahren am PC erledigen, zu merken und wiederholen zu können. „Weil EMMA den PC wie ein Mensch bedient und dabei Entscheidungen auf Basis von Zahlen, Texten und Mustern trifft, ist es auch so leicht, EMMA einzuarbeiten“, erklärt Paul Tessmann, Gründer des IT-Firma Wianco Ott Robotics. Dafür seien keine Programmierkenntnisse notwendig, sondern nur zwei Trainingstage, um die Mitarbeitenden zu befähigen, das Programm eigenständig einzusetzen.
EMMA befindet sich in Lüchow-Dannenberg momentan im Testbetrieb, soll ab Februar dieses Jahres in den regulären Einsatz gehen und dann insgesamt sechs Arbeitsplätze im Jugendamt unterstützen. Angedacht ist, das KI-Tool auch in der wirtschaftlichen Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe zu nutzen. Weitere geplante KI-Projekte im Landkreis umfassen die digitale Barrierefreiheit der Website, die dann automatisiert in 24 Fremdsprachen und leichter Sprache verfügbar sein soll, sowie die aktive Bewerbersuche mit KI-Unterstützung. Dass Künstliche Intelligenz im Gegenzug einmal Personal ersetzen könnte, steht angesichts des Fachkräftemangels und großen Mitarbeiterschwunds im öffentlichen Dienst vorerst nicht zu befürchten. Die Losung lautet vielmehr: Unterstützung und nicht Ersatz.
Überschaubare Kosten
Im Moment stehen in Lüchow-Dannenberg die Zeichen auf Evaluation. Die beiden KI-Tools unterliegen einer genauen Kontrolle. Die Transkriptionen und automatischen Zusammenfassungen von scriba werden sorgsam gegengeprüft und mit Kennzahlen versehen, um dann feststellen zu können, wie viel effizienter die Arbeit wirklich ist. Das KI-Tool EMMA wird zurzeit noch trainiert, indem vorgegeben wird, was die Software lesen, klicken und erkennen darf. Die Resultate werden ebenfalls sorgsam begutachtet. „Die KI trifft keine eigenen Entscheidungen, jeder Vorgang wird noch einmal von unseren Mitarbeitern überprüft“, erläutert CDO Sabrina Donner.
Was die Kosten anbelangt, so bewegen sich diese im überschaubaren Rahmen. Einmalig 20.000 Euro hat der Landkreis für scriba ausgegeben und mit dem Hersteller vereinbart, dass es keine Folgekosten gibt, da es sich auch für straiqr.ai um ein Modellprojekt handelt, an dessen Entwicklung der Landkreis beteiligt war. Für EMMA sind jährliche Lizenzkosten für das Testprodukt und später die Endversion fällig. Investieren könnte der Landkreis allerdings noch in eine bessere IT-Infrastruktur. „Die Hardware-Landschaft in Verwaltungen ist nicht immer State of the Art“, sagt Felix Komoll. „Bei uns im Düsseldorfer Rechenzentrum würden die Transkriptionen nur einige Minuten dauern.“
https://www.straiqr.ai
https://www.wianco.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Februar 2024 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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