Samstag, 10. Mai 2025

KoalitionsvertragErste Stellungnahmen aus der Digitalwelt

[25.11.2021] Zum Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP liegen erste Stellungnahmen von Bitkom-Präsident Achim Berg und der bayerischen Staatsministerin für Digitales Judith Gerlach vor. Große Differenzen liegen in der Einschätzung des Vorhabens, ein Bundesministerium für Verkehr und Digitales zu gründen.

Sowohl Bitkom-Präsident Achim Berg als auch die bayerische Digitalministerin haben sich zum gestern (24. November 2021) vorgelegten Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP positioniert. Beide Stellungnahmen verweisen darauf, dass der Koalitionsvertrag mit Blick auf die Digitalisierung hinter seinen ursprünglichen Ansprüchen hinterherhinkt. Laut Angaben des Bayerischen Staatsministeriums für Digitales kritisiert Judith Gerlach, dass die Ampel-Koalition mit wortreichen Ankündigungen für einen digitalen Aufbruch gestartet sei. Den jetzt vorgelegten Koalitionsvertrag bezeichnet sie als den ersten Ampel-Ausfall.
Der Mitteilung des Bitkom ist hingegen zu entnehmen, dass Achim Berg das Zurückbleiben hinter einigen ursprünglich gegebenen Versprechen etwas moderierter darstellt. Er bemerkt: „Der Koalitionsvertrag bleibt in puncto Digitalisierung etwas hinter den hohen Ansprüchen des Sondierungspapiers zurück.“ Statt eines Ampel-Ausfalls kann er im Koalitionsvertrag trotzdem eine Fülle guter Ansätze entdecken, um Deutschland für die digitale Welt fit zu machen. Er bemerkt: „Jetzt muss es darum gehen, die digitalen Kernvorhaben wie zum Beispiel die Digitalisierung von Verwaltung und Schulen in die Praxis umzusetzen und gleichzeitig dort nachzulegen, wo es noch Lücken gibt wie in der Datenpolitik und bei digitalen Identitäten. Das neue Ampelbündnis stellt an sich selbst den Anspruch, eine Fortschrittskoalition zu bilden. Es geht jetzt also darum, die wichtigen Zukunftsfragen anzugehen, allen voran die Digitalisierung und Dekarbonisierung. Ich freue mich, dass der Vertrag der Bedeutung dieser beiden epochalen Transformationsprozesse ausdrücklich Rechnung trägt. Der angekündigte digitale Aufbruch muss Realität werden und in allen Bereichen Boden gutgemacht werden.“
Der Branchenverband Bitkom begrüße, dass der Koalitionsvertrag eine Bündelung von Kompetenzen vorsehe und die Digitalisierung mit dem Bundesministerium für Verkehr und Digitales erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik einen festen Platz am Kabinettstisch erhalte, heißt es in der Stellungnahme weiter. „Die vom Bitkom vorgeschlagene Erweiterung eines bestehenden Ministeriums ist der richtige Weg, wenn er pragmatisch beschritten und das neue Haus zügig arbeitsfähig wird“, so Berg. „Nun muss sich zeigen, dass es auch in der Praxis mit allen Rechten und Ressourcen ausgestattet wird, um die Digitalisierung zu konzertieren und voranzutreiben. Der angekündigte Digitalisierungs-Check für alle neuen Gesetze sollte in der Verantwortung dieses Ressorts liegen und es sollte auch über das zentrale zusätzliche Digitalbudget verfügen.“
Auskünften des Bayerischen Digitalministeriums zufolge empfindet Judith Gerlach hingegen gerade die geplante Gründung des Bundesministeriums für Verkehr und Digitales als problematisch. So werde die Digitalisierung durch eine künstliche Anbindung ans Verkehrsressort zum Anhängsel degradiert: „Hier wurde eine Riesenchance vertan, ein koordiniertes Querschnittsressort zu schaffen“, so Gerlach. „Die künftige Regierungskoalition beweist damit jetzt schon digitalpolitische Mutlosigkeit.“

Luftschlösser vs. konkrete Vorschläge

Zudem wirft Gerlach dem Koalitionsvertrag vor, dass sich dieser aus Luftschlössern zusammensetze, wenig konkrete Vorschläge mache und die Frage offen lasse, „wie das umgesetzt und bezahlt werden soll“. Diesbezüglich ist Berg konträrer Meinung, er stellt fest: „Der Koalitionsvertrag enthält viele konkrete Projekte, die wir sehr positiv sehen und die jetzt schnell angegangen werden müssen. An die Spitze der Prioritäten gehört die Digitalisierung, Modernisierung und Entbürokratisierung der Verwaltung. Positiv ist das Vorhaben, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und das gleich im ersten Jahr auf den Weg zu bringen. Die Einführung eines digitalen Gesetzgebungsportals kann Transparenz, Teilhabe und Vertrauen in einen handlungsfähigen Staat stärken. Erfreulich ist auch, dass Digitalisierungshemmnisse wie Schriftformerfordernisse abgebaut werden sollen. Hier sollte ein klarer zeitlicher Rahmen nachgereicht werden. Noch im ersten Jahr soll der Digitalpakt Schule beschleunigt und von bürokratischem Ballast befreit werden, was auch unbedingt nötig ist, damit die Milliarden endlich bei den Schulen ankommen.
Laut Koalitionsvertrag will die neue Bundesregierung ihre Digitalstrategie von Grund auf überarbeiten, digitale Schlüsseltechnologien fördern und die Ausgaben für Forschung und Entwicklung erhöhen. Auch dies bewertet der Bitkom positiv. Berg: „Für den privaten Sektor schaffen Superabschreibungen auf Investitionen in Digitalisierung und Klimaschutz wichtige Anreize. Und für die innovative Start-up-Szene sind es positive Signale, einen vereinfachten, rechtssicheren Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu bekommen.“
Die Grundlage für die beschleunigte Digitalisierung in Deutschland stellen nach Angaben des Bitkom die digitalen Infrastrukturen dar. Es sei daher folgerichtig, dass die Koalition dem Ausbau von Breitbandinternet und Mobilfunk unter anderem mit digitalen Genehmigungsverfahren und schnellerer Verlegeverfahren Vorfahrt geben wolle. Neuerungen für die öffentliche Förderung müssten dem Leitgedanken der Koalition für einen Vorrang des eigenwirtschaftlichen Ausbaus folgen. Der Ausbau dürfe zudem nicht durch neue Belastungen für die Unternehmen erschwert werden.

Föderalismus vs. übergreifende Standards

In der neuen, erstmals aus drei Parteien gebildeten Bundesregierung sieht Berg die große Chance, die politischen Prozesse an die Herausforderungen einer gleichermaßen komplexen wie schnellen digitalen Welt anzupassen. Er bemerkt: „So können nicht nur ambitionierte Digital-Vorhaben mit flexiblen Strukturen und agilen Methoden besser vorangetrieben werden. Ein vielversprechender Ansatz ist etwa, feste ressort- und behördenübergreifende agile Projekt-Teams und Innovationseinheiten mit konkreten Kompetenzen zu bilden. Wir müssen Ressort- und föderale Grenzen überwinden, wir müssen die Verwaltungen leistungsfähiger machen und übergreifende Standards etablieren. Wir müssen in allen Bereichen des staatlichen, aber auch des privatwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Handelns digitaler und damit auch schneller und besser werden. Die neue Bundesregierung hat die Chance und den Auftrag, Deutschlands Wirtschaft und Gesellschaft in den nächsten vier Jahren in die digitale Welt zu führen.“ Judith Gerlach warnt hingegen davor, die Bundesländer bei der Digitalisierung aus dem Blick zu verlieren. Sie bemerkt: „Auch die Zusammenarbeit mit den Bundesländern bleibt völlig unbeantwortet, dabei spielen die Länder gerade bei der Umsetzung der Digitalisierung eine maßgebliche Rolle. Wer die Länder vergisst, hat Digitalisierung nicht verstanden. Das Wegducken vor deutschlandweiten Herausforderungen, mit denen die Ampel konfrontiert werden wird, ist sicher kein gelungener digitalpolitischer Start.“





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