TorontoHier baut Google

Im kanadischen Toronto entsteht die Smart City der Superlative.
(Bildquelle: sleg21/Fotolia.com)
Einst galten Städte wie Brasília als Stadt der Zukunft: autofreundliche Orte, die wenig Gedanken an Menschen als Verkehrsteilnehmer verschwendet haben. Statt Bürgersteigen durchziehen vielspurige Autotrassen das Zentrum der brasilianischen Hauptstadt. Der Präsident kann mit der Limousine über eine Rampe an sein Dienstzimmer im Palácio do Planalto heranfahren. Heute haben Städte eine Zukunft, wenn sie smart sind, auf digitale Infrastrukturen und allgegenwärtige Vernetzung setzen und dabei die Bürger im Blick behalten. So wie im neu entstehenden Stadtteil Quayside im kanadischen Toronto, wo das Unternehmen Alphabet, der Mutterkonzern von Google, eine Smart City der Superlative plant. Autos spielen dort zwar noch eine Rolle, allerdings nur in autonomer Version.
Modellprojekt für die digitale Urbanisierung
Alphabet, vertreten durch seine Tochterfirma Sidewalk Labs, hat damit begonnen, ein 50.000 Quadratmeter großes Gebiet im Industriehafen von Toronto zu erschließen, das später um ein Vielfaches erweiterbar ist. Um die Entwicklung des neuen Viertels voranzutreiben, werden zunächst 50 Millionen US-Dollar (circa 43 Millionen Euro) in die Hand genommen. Die kanadische Regierung rechnet mit Gesamtkosten von über einer Milliarde Dollar – zehntausende Menschen sollen einmal in Quayside leben und arbeiten können. Das Quartier gilt heute schon als ein Modellprojekt für die digitale Urbanisierung.
So wird etwa beim Gebäudebau Wert darauf gelegt, dass die Immobilien in Modulbauweise entstehen, flexibel als Büro-, Wohn- oder Gewerbeflächen nutzbar sind und jederzeit an die sich verändernden Ansprüche der Bewohner angepasst werden können. Mehr als 30 Prozent der Wohnfläche soll für Einkommensschwache reserviert sein. Die ganze Entwicklung des Quartiers geschieht in engem Kontakt mit der Bevölkerung. Es gibt regelmäßige Bürgertreffen, um die gegenseitigen Erwartungen abzuklären. „Unser ganzes Denken und unsere Entscheidungen drehen sich um die Frage: Wie verhelfen uns die Technologien des 21. Jahrhunderts dazu, etwas Besseres zu schaffen?“, erklärte Rit Aggarwala, Geschäftsführer von Sidewalk Labs, dem Fachmagazin Technology Review.
Roboterautos ersetzen Individualverkehr
Beim Verkehr setzt das Unternehmen auf autonomes Fahren. Neben öffentlichen Verkehrsmitteln sollen Taxibots – selbstfahrende Vehikel, die per Smartphone-App bestellt werden können – den Individualverkehr ersetzen. Die Roboterautos, die bis zu zwölf Sitzplätze haben, errechnen während der Fahrt die beste Route für die verschiedenen Fahrziele der Kunden. Die Quote von Privatautos soll auf diese Weise unter 20 Prozent sinken. Das errechnete Einsparpotenzial pro Jahr und Familie beträgt 6.000 US-Dollar. Der Einsatz von Robotern ist auch für die Müllabfuhr und die Auslieferung von Post und Paketen geplant. Über ein unterirdisches Tunnelsystem sollen alle Gebäude für die Roboter erreichbar sein. Das unterirdische Frachtsystem schafft Platz für Fußgänger und Radfahrer auf Straßen und Gehwegen.
Ein ganzer Stadtteil wird verkabelt
Das Funktionieren einer solchen Smart City basiert auf Vernetzung und Digitalisierung. Der ganze Stadtteil wird daher verkabelt und mit Kameras und Sensoren ausgestattet. Sidewalk Labs will – typisch für Google – möglichst viele Daten sammeln, um die öffentlichen Aktivitäten und die Gewohnheiten der Bewohner präzise zu erfassen. Verkehrsampeln zeichnen den Verkehrsfluss sowie die Bewegungen von Fußgängern und Radfahrern auf. Die selbstfahrenden Taxis reagieren auf diese Daten und können so etwa Verkehrsmassen umfahren. Eine Software erkennt freie Parkplätze und zeigt sie im Navi an. Die Temperatur von Gebäuden kann gemessen und reguliert und Mülleimer vor dem Überquellen bewahrt werden.
Aus den gewonnenen Daten soll zudem ein virtuelles Modell von Quayside entstehen, das Stadt- und Verkehrsplaner nutzen können, um Veränderungen an der Infrastruktur kostengünstig zu simulieren und zu testen. Die Daten sollen Start-ups und andere Firmen in die Lage versetzen, ihrerseits digitale Dienste zu entwickeln. Sidewalk Labs betrachtet die Smart City als eine Art Smartphone und sieht sich selbst als Plattformbetreiber dafür verantwortlich, die Grundwerkzeuge zur Verfügung zu stellen – so wie Google es mit seinem Betriebssystem Android für Smartphones macht. Schätzungen zufolge könnten 80 Prozent der Anwendungen künftig von Drittanbietern stammen.
Bedenken der Bürger ernst nehmen
Das wirft Fragen nach dem Geschäftsmodell von Sidewalk Labs auf. Kanadische Zeitungen und Blogs haben sich vielfach skeptisch darüber geäußert, dass bislang nicht kommuniziert worden ist, wie das Unternehmen seine Investitionen wieder einspielen will. Insbesondere die vielen Sensoren, die im gesamten Quartier installiert werden, haben Befürchtungen geweckt, die Firma wolle mit dem Vermessen der täglichen Interaktionen der Bewohner Geld erzielen. „Welche Daten werden gesammelt, wie persönlich werden sie sein, wie werden sie genutzt und wer soll Zugang zu ihnen erhalten?“, fragt etwa David Roberts, Professor für Stadtplanung an der University of Toronto.
Sidewalk Labs beschwichtigt und verweist darauf, dass die Daten nur zur Lösung konkreter Probleme herangezogen werden sollen. Eine Auswertung zu Werbezwecken sei für dieses Projekt ausgeschlossen. Die Stadt Toronto hat ihrerseits bereits klargestellt, dass sie von Sidewalk Labs erwartet, die Bedenken der Bürger ernst zu nehmen und ihnen zu erklären, was mit den Informationen geschieht und wie sie geschützt werden. Dass die Daten in Kanada verbleiben und gespeichert werden, gilt als gesetzt. Im engen Kontakt mit den Bürgern und zukünftigen Bewohnern des Quartiers bemüht sich das Unternehmen aufzuzeigen, dass Datensammeln notwendig ist, wenn man das urbane Leben der Menschen verbessern möchte. Wenn es gelingt, die Bürger wirklich von dieser Notwendigkeit zu überzeugen, könnte Quayside tatsächlich eine smarte Modellstadt werden. Bis 2020 soll sie fertig sein.
http://blog.waterfrontoronto.ca
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe August 2018 von Kommune21 im Schwerpunkt Smart City erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
Arnsberg: Hochwassermonitoring gestartet
[25.11.2025] Arnsberg hat an mehreren Bachläufen im Stadtgebiet neue Pegelstandsensoren installiert, die in Echtzeit ermitteln, wie sich die Wasserstände entwickeln. Die Daten sollen im nächsten Schritt mittels Künstlicher Intelligenz (KI) ausgewertet werden. Auf dieser Grundlage soll wiederum ein lokales Frühwarnsystem entstehen. mehr...
Aachen: Überarbeitetes Mobilitätsdashboard
[24.11.2025] Das Aachener Mobilitätsdashboard bietet einen schnellen und einfachen Überblick über das aktuelle Verkehrsgeschehen in der Stadt. Ein neues Design und neue Technologie sollen die Plattform jetzt noch leistungsfähiger machen. mehr...
Schwalm-Eder-Kreis: Verkehrsdaten in Echtzeit
[19.11.2025] Eine urbane Datenplattform soll es dem Schwalm-Eder-Kreis künftig ermöglichen, schneller auf Verkehrsprobleme zu reagieren. Dazu integriert die Plattform Echtzeit-Verkehrsdaten eines externen Anbieters, sodass beispielsweise die Einsatzrouten für Rettungskräfte optimiert werden können. Das Projekt wird im Programm Starke Heimat Hessen gefördert. mehr...
Smart City: Interaktive Wissenschaftslandkarte
[17.11.2025] Eine interaktive Wissenschaftslandkarte macht nun sichtbar, wer in Deutschland zu smarten Städten und Gemeinden forscht. Die Koordinierungs- und Transferstelle Modellprojekte Smart Cities (KTS) und das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) haben die zugrunde liegenden Daten über eine bundesweite Abfrage erhoben. mehr...
Mannheim: Scan-Fahrzeug im Testbetrieb
[17.11.2025] Mannheim ist eine von vier Kommunen, in denen das vom Land Baden-Württemberg getragene Pilotvorhaben zu Scan-Fahrzeugen praktisch erprobt werden soll. Die Stadt ist nun als erste in den Testbetrieb gestartet. mehr...
Grevenbroich: Smart-City-Reallabor in Betrieb
[13.11.2025] Die Stadt Grevenbroich testet nun unter realen Bedingungen unterschiedliche Smart-City-Anwendungen. 40 Sensoren sind dafür an unterschiedlichen Stellen in der Stadt installiert worden. Die Messdaten werden per LoRaWAN in Echtzeit an ein Digitallabor gesendet. mehr...
regio iT: Bekenntnis zu Open Source
[13.11.2025] Mit dem Beitritt zu Civitas Connect legt regio iT ein klares Bekenntnis zum Open-Source-Gedanken ab. Der IT-Dienstleister wird sich künftig aktiv im Rahmen der Planung und des Betriebs der urbanen Datenplattform CIVITAS/CORE engagieren. mehr...
Osnabrück: Daten für nachhaltige Mobilitätsplanung
[13.11.2025] Mit mobilen Zählstellen erfasst jetzt Osnabrück den Rad- und Fußverkehr im Stadtgebiet. Die Zählstellen werden in fünf Erhebungsphasen für jeweils rund zwei Monate an wechselnden Standorten eingesetzt. So soll eine fundierte Datengrundlage für eine bedarfsgerechte Mobilitätsplanung entstehen. mehr...
Grevenbroich: Aufbau eines LoRaWAN
[12.11.2025] Grevenbroich soll ein flächendeckendes Long Range Wide Area Network (LoRaWAN) erhalten. Die Stadt wird das geschlossen und datenschutzkonform betriebene Netz gemeinsam mit dem Grundversorger NEW aufbauen. Als Smart-City-Reallabor fungiert die Innenstadt, in der die neue Technik erprobt werden soll. mehr...
Ilmenau: Smart City aus eigener Kraft
[11.11.2025] Sukzessive füllt die Stadt Ilmenau den Begriff Smart City mit Leben. Dafür kooperiert sie mit der Technischen Universität Ilmenau und dem Institut für Mikroelektronik- und Mechatronik-Systeme (IMMS). Die Partner haben verschiedene nützliche Anwendungen hervorgebracht und setzen ihr Kooperation fort. mehr...
Berlin: Prototyp des Data Hub freigeschaltet
[10.11.2025] Berlin ebnet den Weg hin zu einer datengetriebenen Verwaltung: Mit dem nun von der Landesverwaltung und der Technologiestiftung Berlin freigeschalteten Webangebot Data Hub entsteht eine stadtweite, zentrale Infrastruktur für die Arbeit mit Daten. mehr...
Kreis Hof: Datenplattform für alle Kommunen
[07.11.2025] Der Landkreis Hof bietet jetzt eine Website zu seinem Smart-City-Projekt hoferLAND.digital an. Die Plattform stellt nicht nur Informationen zu dem interkommunalen Vorhaben bereit. Mit ihr sollen auch alle digitalen Anwendungen des Landkreises an einem zentralen Ort zur Verfügung stehen. mehr...
Frankfurt am Main: Sensoren optimieren Parkraumnutzung
[03.11.2025] Mit dem Projekt PauL – Parken und Leiten soll sukzessive der Parksuchverkehr in der Frankfurter Innenstadt reduziert werden. Dafür sind nun die ersten Parkanlagen mit Sensortechnik ausgestattet worden, die deren Belegung in Echtzeit an die Verkehrsleitzentrale übermitteln. Die Daten werden auch über die zentrale Verkehrsdatenplattform des Bundes verfügbar sein. mehr...
Essen: Reallabor für digitale Verkehrssteuerung
[03.11.2025] Die Stadt Essen treibt mit dem Projekt Connected Mobility Essen die digitale Verkehrserfassung und -auswertung voran. Mit Sensoren, Datenanalyse und KI-gestützter Steuerung soll der Verkehr umweltgerecht gelenkt werden. Erste Anwendungen werden derzeit im Reallabor getestet. mehr...
Büdingen: Urbane Datenplattform als Ziel
[03.11.2025] Mit einem LoRaWAN, einer Vielzahl von Sensoren und einer offenen urbanen Datenplattform will Büdingen einen großen Schritt in Richtung einer smarten, zukunftsfähigen Stadt machen. Dafür erhält die Kommune rund 430.000 Euro aus dem Förderprogramm Starke Heimat Hessen. mehr...
















