E-Government in EuropaDänemark geht voran

Dänemark ist Vorreiter der Digitalisierung.
(Bildquelle: VisitDenmark/Simone Bramante)
Das Jahr der Revolution und des Aufbruchs in Europa war 1968. In Dänemark fand auch auf anderer Ebene eine revolutionäre Begebenheit statt, die jedoch nichts mit den Studentenprotesten zu tun hatte: Das Centralpersonregister (CPR), also das Zentrale Personenregister, wurde eingeführt, das die digitale Identifizierung der dänischen Bürger in einem sicheren, öffentlichen Zentralregister mit sich brachte. Seit 1970 werden in Dänemark somit etwa Volkszählungen per Knopfdruck durchgeführt.
Heute – 50 Jahre später – ist die dänische Gesellschaft in vielen Bereichen durchdigitalisiert. Bürger, die von einer Stadt in eine andere oder gar ins Ausland umziehen, müssen sich nur in der zentralen Plattform borger.dk einloggen und können sich so innerhalb weniger Minuten ummelden. Auf diese Weise wird viel Zeit gespart, und die Bürger müssen sich nicht mehr einen halben Arbeitstag freinehmen, um aufs Bürgeramt zu gehen. Auch bei der Vergabe eines Kita-Platzes ist borger.dk hilfreich. Ebenso bei der Steuererklärung, der Rente oder beim Wohngeld – alles wird digital organisiert und administriert. Wer sein eigenes Unternehmen gründen möchte, kann dies vertraulich, sicher und effektiv über die Online-Seite virk.dk in weniger als einer Stunde erledigen. Die Bescheinigungsnummer (CVR), die für ein Unternehmen in Dänemark wichtig ist, erhält man sofort. Der Däne von heute wird am Tag seiner Geburt zum digitalen Bürger.
Kommunen als Vorreiter
2018 führt Dänemark wiederholt den europäischen DESI-Index über die am stärksten digitalisierten EU-Länder an. In diesem Index spielt unter anderem die Bereitschaft der Bürger, sich neue Technologien anzueignen und diese auch anzuwenden, eine große Rolle. Es sind aber nicht nur die Bürger, die sich in Dänemark der Digitalisierung verschrieben haben. Auch die dänischen Kommunen sind hierbei Vorreiter.
Die Entwicklung in diesem Bereich nahm bereits 1970 entscheidend Fahrt auf, als der kommunale Landesverband Kommunedata gegründet hat, ein öffentliches Unternehmen, das über 38 Jahre lang für die koordinierte Entwicklung von IT-Lösungen für alle dänischen Gemeinden stand. In ihrer Gesamtheit sind die Gemeinden für 70 Prozent der öffentlichen Dienste in Dänemark verantwortlich. Anstatt dass jede Kommune ihre eigene Lösung entwickelte, erkannten sie den Wert, den eine Harmonisierung der IT-Lösungen bringt. Kommunedata wurde 2008 verkauft, um ein Marktmonopol zu verhindern. Zudem generierte es zu hohe Gewinne durch Verkäufe an den privaten Sektor, um weiterhin als öffentliche Institution zu gelten. Heute heißt Kommunedata KMD A/S und ist eine der größten dänischen IT-Firmen.
Ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Geschichte der Digitalisierung Dänemarks wurde im Jahr 1983 erreicht: Die damalige Regierung, welcher der konservative Ministerpräsident Poul Schlüter vorstand, kam aufgrund zahlreicher Berechnungen zu dem Schluss, dass die Produktion und Herstellung von Papierdokumenten zu langwierig und kostspielig für den Sozialstaat sei. Dies war ein erster entscheidender wirtschaftlicher Ansporn für die Digitalisierung des öffentlichen Sektors.
Nutzerfreundlichkeit als Ideal
Im Jahr 2001 begannen der dänische Staat, der kommunale und der regionale Landesverband mit der Entwicklung der digitalen Infrastruktur, die heute das öffentliche System Dänemarks kennzeichnet. Alle fünf Jahre veröffentlichen die drei Partner eine nationale Digitalisierungsstrategie, in der die Kosten zu jeweils 40 Prozent auf Staat und Gemeinden aufgeteilt werden, während die Regionen 20 Prozent der Strategiefinanzierung übernehmen.
Um die heutige, progressive Digitalisierungsstrategie Dänemarks besser zu verstehen, ist es notwendig, einige ihrer Grundlagen zu kennen: Zusammenarbeit, Effektivität, wirtschaftlicher Ansporn. Und, heute besonders relevant: Das Ideal der Nutzerfreundlichkeit, das im öffentlichen Sektor Dänemarks für Sicherheit, Zuverlässigkeit und Transparenz steht. Das spiegelt sich in internationalen Erhebungen zur Korruption wider, bei denen Dänemark neben Neuseeland regelmäßig die vorderen Plätze einnimmt – ein Ergebnis, zu dem die Digitalisierung in hohem Maße beiträgt.
Nutzerfreundlichkeit als erklärtes Ziel des öffentlichen Sektors in Dänemark ist gleichbedeutend damit, dass die Bürger einen Einblick in Verwaltungsverfahren, Einsicht in Beschlussgrundlagen und nicht zuletzt in ihre eigenen Daten erhalten. Nutzerfreundlichkeit steht sowohl für Transparenz als auch für gute Datenverarbeitung. Beides ist notwendig, um das Vertrauen der Bürger zu sichern.
Drei Grundpfeiler der Digitalisierung
Ein konkretes Beispiel für die Umsetzung des Ideals der digitalen Nutzerfreundlichkeit im öffentlichen Sektor ist die im Jahr 2006 vollzogene Gleichsetzung von elektronischen Dokumenten und Unterschriften mit schriftlicher Kommunikation. Die Bürger müssen Dokumente seitdem weder ausdrucken noch per Post verschicken; gleichzeitig wird die Sachbearbeitung spürbar schneller und effektiver, da elektronische Zusagen bindend sind. Für die öffentlichen Institutionen sowie für die Bearbeitung von elektronischen Dokumenten durch die Bürger wurde parallel eine sichere, digitale Infrastruktur aufgebaut. Dies impliziert beispielsweise, dass Bürger immer den Überblick behalten und im Zweifel belegen können, dass ein Dokument versandt oder empfangen wurde.
Zentraler Bestandteil dieser Infrastruktur ist Nem-ID, die zweite Generation der digitalen Identität. Sie wurde im Jahr 2007 eingeführt und wird von allen öffentlichen Institutionen des Landes verwendet. 2008 wurde zudem die „Digital Post“ vorgestellt, ein sicheres Postsystem, das wie ein Mail-System genutzt werden kann. Hier verfügen alle Bürger und Unternehmen über einen digitalen Postkasten, welcher mit ihrer CVR- oder CPR-Nummer verbunden ist. Das gibt den Nutzern zusätzliche Sicherheit, da deutlich erkennbar ist, mit wem sie kommunizieren.
Die Gleichsetzung von elektronischen Dokumenten und Unterschriften mit der schriftlichen Kommunikation, die Einführung von Nem-ID und „Digital Post“ bilden die drei Grundpfeiler der öffentlichen Digitalisierung Dänemarks im 21. Jahrhundert. Da diese digitalen Grundpfeiler längst fester Bestandteil sind und immer weiterentwickelt werden, ist heute vor allem das Nutzererlebnis in den Fokus gerückt. Diesbezüglich kann man die Digitalisierung als einen Prozess verstehen, der laufend optimiert werden kann und nie abgeschlossen ist, und zu dem die Gemeinden, der Staat und die dänischen Regionen in einer integrierten Zusammenarbeit beigetragen haben.
Demokratie des 21. Jahrhunderts
Übergeordnet hat die Digitalisierung die dänischen Bürger näher an ihre Gemeinden herangeführt. Aber auch das Verhältnis zum Staat ist enger, weil die Digitalisierung den Kontakt und die Kommunikation mit Behörden vereinfacht und die Sicherheit der Bürger erhöht hat. Die öffentliche Digitalisierung ist daher aus dänischer Sicht ein ganz zentraler Teil der Demokratie des 21. Jahrhunderts. Hier wird Digitalisierung gleichbedeutend mit einem Weniger an Zufall und Willkür gedacht. Die Digitalisierung gibt den Bürgern einen besseren Einblick in Entscheidungsprozesse und ein neues Verständnis ihrer demokratischen Identität. Vor dem digitalen System sind alle Bürger gleich.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe August 2018 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
Bund/Hessen: Digitalisierungsoffensive in Kommunen
[22.09.2025] Im Rahmen der OZG-Umsetzung wurden zahlreiche föderale Verwaltungsleistungen digitalisiert – die Einführung in den Kommunen stockt aber. Der Bund und das Land Hessen wollen nun ein praxistaugliches Modell entwickeln, das den flächendeckenden Roll-out beschleunigt. mehr...
eGovernment Benchmark: Blick über die Grenzen
[19.09.2025] Deutschland kann hinsichtlich der Digitalisierung einiges von seinen europäischen Nachbarn lernen – etwa was die Transparenz digitaler Services oder die Nutzung der eID angeht. Das zeigt der aktuelle eGovernment Benchmark der Europäischen Kommission. mehr...
Hessen: Bei OZG-Umsetzung führend
[11.09.2025] Hessens Digitalministerin Kristina Sinemus erläutert, wie das Bundesland bei der OZG-Umsetzung vorgegangen ist und warum bundesweit stärker auf Synergien, Schnittstellen und standardisierte Lösungen gesetzt werden sollte. mehr...
Merseburger Erklärung 2025: Verwaltung gemeinsam gestalten
[08.09.2025] Wie Sachsen-Anhalt die Kommunen bei der Digitalisierung noch besser unterstützen könnte, ist in der Merseburger Erklärung festgehalten. Sie wurde im Rahmen der Merseburger Digitaltage 2025 verabschiedet und umfasst sieben Forderungen. mehr...
Digitalisierung: Bleibt die Analogverwaltung?
[03.09.2025] Allen Digitalisierungsbemühungen zum Trotz ist die Analogverwaltung noch voll im Einsatz und funktioniert. Ob sich das jemals vollkommen ändern wird, ist ungewiss – auch im rechtlichen Kontext. mehr...
Landkreistag Baden-Württemberg: Digitalisierungskodex 2.0
[18.08.2025] Mit dem Digitalisierungskodex 2.0 setzt der Landkreistag Baden-Württemberg erneut Standards für die digitale Zukunft der Landkreise. Das Dokument umfasst zwölf Leitlinien für einheitliche digitale Prozesse, mehr Datensouveränität und einen besseren Bürgerservice. mehr...
Staatsmodernisierung: Blick in den Maschinenraum fehlt
[17.07.2025] In einer Stellungnahme zum Abschlussbericht der Initiative für einen handlungsfähigen Staat kritisiert das Netzwerk Junge Bürgermeister*innen, dass kommunale Realitäten in den Vorschlägen nicht genügend berücksichtigt werden. Es fehle an Lösungen für die Praxis – etwa bei Personal, Finanzierung oder Führung. mehr...
Abschlussbericht: Wie kann die Staatsreform gelingen?
[17.07.2025] Die Initiative für einen handlungsfähigen Staat hat ihren Abschlussbericht an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übergeben. Viele ihrer Vorschläge finden sich im Koalitionsvertrag wieder. Die Initiatoren fordern nun eine zügige Umsetzung – auch durch neue Wege wie Modellkommunen. mehr...
Vitako: Deutschland-Stack und KI im Fokus
[15.07.2025] Die Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister, Vitako, diskutierte mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Verwaltung über Strategien zur Verwaltungsdigitalisierung. Im Fokus: der Deutschland-Stack, kultureller Wandel und konkrete Rahmenbedingungen für kommunale Umsetzung. mehr...
Verwaltungsdigitalisierung: Bayerns Kommunen an der Spitze
[15.07.2025] Bei der Verwaltungsdigitalisierung belegen bayerische Kommunen im bundesweiten Vergleich die 34 vordersten Plätze. Das geht aus den aktuellen Zahlen des Dashboards Digitale Verwaltung des Bundes zur Verfügbarkeit digitaler Verwaltungsleistungen hervor. Platz eins belegt Augsburg. mehr...
Wiesbaden / MACH: Ökosystem mit offenen Standards
[09.07.2025] Kommune21 hat mit Maral Koohestanian von der Stadt Wiesbaden und Sören Knörr von MACH über die Erwartungen an die neue Bundesregierung und die Bedeutung offener Standards bei der Umsetzung der Digitalisierung gesprochen. mehr...
Kreis Steinfurt: Besser interkommunal
[07.07.2025] Das Service Innovation Lab im Kreis Steinfurt soll Verwaltungen dabei unterstützen, schneller, flexibler und kundenorientierter zu werden. Die interkommunale Zusammenarbeit ist dabei von zentraler Bedeutung. mehr...
Rheinland-Pfalz: Ausweitung der EfA-Fertigungsstrecke
[07.07.2025] Das Land Rheinland-Pfalz hat die Ausweitung der EfA-Fertigungsstrecke zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes auf Kommunen beschlossen. Diese sollen so noch leichter digitale Services für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen bereitstellen können. mehr...
Mecklenburg-Vorpommern: Verwaltungsvereinbarung mit eGo-MV
[30.06.2025] In Mecklenburg-Vorpommern haben das Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung und der Zweckverband Elektronische Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern (eGo-MV) eine neue Verwaltungsvereinbarung unterzeichnet. Sie adressiert die weitere Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). mehr...
Hannover: Taskforce und Fonds
[05.06.2025] KI und ein wachsendes Angebot an Onlinedienstleistungen verbessern den Service der Stadt Hannover. Die Verwaltung geht die Digitalisierung strategisch an: Sie hat Kompetenzteams installiert und Mittel in Höhe von knapp 50 Millionen Euro mobilisiert. mehr...