Dienstag, 19. August 2025

RegistermodernisierungDaten müssen in den Fokus

[02.10.2023] Daten sind die Basis der Verwaltungsdigitalisierung, sie stehen aber bislang nicht im Fokus. Das muss sich ändern, denn die aktuellen Datenstrukturen verhindern den digitalen Staat. Hier sind nicht zuletzt die Fachbereiche gefordert.
Zukunft der Verwaltung basiert auf Daten und Prozessen.

Zukunft der Verwaltung basiert auf Daten und Prozessen.

(Bildquelle: gonin/stock.adobe.com)

Dank Onlinezugangsgesetz (OZG) haben sich die Gebietskörperschaften vor allem damit beschäftigt, wie die Bürgerinnen und Bürger Anträge online bei der Behörde einreichen können. Viel Energie und Zeit ist in die entsprechenden Projekte geflossen. Zur Entlastung der Verwaltung und zur Effizienzsteigerung hat dies aber nur in wenigen Fällen beigetragen. Das liegt vor allem daran, dass die digital von den Bürgerinnen und Bürgern erfassten Daten selten direkt in die Fachanwendungen der Verwaltung übernommen werden können, mit der Folge, dass diese Lücke überwunden werden muss. Häufig geschieht das durch händische Erfassung im Fachverfahren. Zudem wird den Bürgerinnen und Bürgern auch in den Online-Formularen die Eingabe ohnehin schon mehrfach bei der Behörde vorhandener Daten abverlangt, was ein ständiges Ärgernis ist. Überdies steigt mit jeder händischen Eingabe die Fehlerwahrscheinlichkeit.

Redundanzen und andere Strukturen

Warum ist das so? Ein Großteil der Fachverfahren greift auf eine jeweils eigene Datenbank, so genannte Register, zurück. Diese Datenbanken weisen eine große Zahl redundanter Daten auf, die zum Teil auch noch jeweils anders strukturiert sind. Einmal sind in der Adresse Straßenname und Hausnummer in einem Datenfeld, in einer anderen Datenbank ist dies getrennt. In der einen Datenbank gibt es ein Auswahlfeld für Titel, in der anderen können diese in ein Freifeld eingetragen werden, mit der Folge, dass sich Inkonsistenzen einstellen. So lässt sich ein Doktorgrad erfassen mit Dr., Dr, Doktor. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Anzahl von Dateneingaben die Wahrscheinlichkeit von Fehlern beispielsweise in Form von Buch­stabendrehern steigt. Werden Name und Anschrift einer Person in 50 Registern einzeln erfasst anstatt in wenigen Zentralregistern, ist dies offensichtlich. Natürlich ist ein Teil der Register über Schnittstellen verbunden, aber erstens eben nur ein Teil, zweitens funktioniert das nur, wenn die Datenfelder konsistent sind, also zum Beispiel in Datenbank A und Datenbank B die Hausnummer jeweils als separates Datenfeld vorliegt, drittens funktionieren Schnittstellen häufig nach einem Release-Wechsel nicht mehr und viertens erkennt die Schnittstelle keine Datenfehler. So kann „Thomas Meuche“ in der einen Datenbank nicht dem „Thomas Muche“ in der anderen automatisch zugeordnet werden, obwohl es sich um dieselbe Person handelt und lediglich ein Schreibfehler vorliegt.
Es gibt technische Ansätze zur Lösung dieses Problems, sie sind aber aufwendig und kommen bislang in der öffentlichen Verwaltung kaum zum Einsatz. Diese Schwierigkeiten in den Datenstrukturen und bei der Datenqualität führen zu ganz eigenen Prozessen, über die versucht wird, die damit verbundenen Mängel zu beheben. Ein solcher Prozess ist die Anforderung und Vorlage einer Geburtsurkunde bei einer Behörde. Die Geburtsurkunde als Auszug aus dem Geburtsregister greift auf die Urdaten zu, sozusagen die einzig mit Sicherheit richtigen.

Unglaubliche Zeitersparnis

Man stelle sich vor, es gäbe nur eine einzige Datenbank für die Bürgergrunddaten, gewissermaßen eine Bundesbürger-Cloud, die mit einer BürgerID versehen wäre; ansonsten fänden sich die Daten in keinem anderen Register mehr. Dann gäbe es genau einen Ort, an dem die Daten gepflegt, gespeichert und gesichert werden müssten. In die Fachverfahren würden die Bürgerdaten nur direkt über die BürgerID eingelesen ohne dort gespeichert zu werden. Alleine das würde in Summe auf die gesamte Gesellschaft bezogen eine unglaubliche Zeitersparnis bringen. Prozesse ließen sich zum Teil erheblich beschleunigen und effizienter gestalten, manche könnten auch entfallen. Gleiches ließe sich unter anderem auf Unternehmens- und Grundstücksregister anwenden. Im Kontext der Verwaltungsdigitalisierung werden KI-Anwendungen oft als ultimative Lösung gesehen. Diese Anwendungen erfordern aber klare Datenstrukturen und eine hervorragende Datenqualität. Ist das nicht gegeben, liefern diese Systeme keine brauchbaren Ergebnisse.
Dass Daten für die Digitalisierung der Verwaltung eine Rolle spielen, hat auch der Gesetzgeber auf Bundes- und Europaebene erkannt. In Deutschland wurde deshalb das Registermodernisierungsgesetz geschaffen, das in den kommenden Jahren umgesetzt werden soll. Der Leitgedanke ist das Once-Only-Prinzip. Das heißt, Behörden in Deutschland und künftig innerhalb der Europäischen Union sollen über eine ID bestimmte Nachweise automatisiert austauschen können. Dazu werden technische Standards in TDDs (Technical Design Documents) beschrieben, welche die Basis für das NOOTS (National Once Only Technical System) auf nationaler und des EU-OOTS auf EU-Ebene darstellen. Voraussetzung für das Ganze ist die Festlegung eines einheitlichen Zugangs, also einer ID, die in der Single-Digital-Gateway-Verordnung geregelt ist. Damit sind wichtige Grundlagen geschaffen.

Chance auf den großen Wurf vergeben

Leider konnte man sich in Deutschland bislang nicht darauf verständigen, im Zuge der Registermodernisierung auch gleich eine Registerkonsolidierung durchzuführen. Nach aktuellem Stand sollen die existierenden Strukturen beibehalten werden – und damit auch alle mit redundanten Datenhaltungen zusammenhängenden Probleme. Betrachtet man nur Geburten-, Melde- und Passregister, stellt sich die Frage, warum diese nebeneinander existieren müssen. Ein Großteil der dort gespeicherten Daten ist identisch. Die Chance auf den großen Wurf hin zu einer nationalen Bürger-Cloud, wie sie die digitalen Vorzeigeländer Estland oder Dänemark schon lange praktizieren, ist erst mal vergeben. Aber erst die Registerkonsolidierung würde zu signifikanten Vereinfachungen bei Prozessen führen und manche gar komplett überflüssig machen. Auf einer dann einheitlichen Datenbasis ließen sich auch einheitliche Prozesse aufsetzen.

Wissen um Daten und Prozesse muss gefördert werden

Wie geht es jetzt weiter? Die Umsetzung der Registermodernisierung wird ein riesiges Projekt für die Gebietskörperschaften, denn bei diesen liegen die meisten Register. Viele, durchaus auch große Verwaltungseinheiten wissen aber bis heute gar nichts von der Existenz der entsprechenden Vorschriften, geschweige denn, dass sie eine Vorstellung davon haben, wie das zu bewältigen ist. Die Zeitvorgaben für die Umsetzung sind jedoch eng.
Die Zukunft der Verwaltung basiert auf Daten und Prozessen, das machen nicht zuletzt die entsprechenden Gesetze wie OZG und Registermodernisierungsgesetz klar. Ohne Mitarbeitende und Führungskräfte mit einem grundlegenden Verständnis für diese Themen gelingt die Digitalisierung nicht. Die rein juristisch geprägte Aus- und Weiterbildung der öffentlichen Verwaltung, wie sie heute vorherrscht, kann so keinen Bestand haben. Gerade auch in Führungspositionen wird das Wissen um Daten und Prozesse künftig unabdingbar sein, egal welchem Bereich man vorsteht. Denn Digitalisierung ist nicht Aufgabe der IT, sondern eines jeden Bereichs. Die IT stellt nur die Systeme bereit und kann bei der Datenanalyse helfen, die Prozesse und damit die Datenflüsse liegen in der Verantwortung der Fachbereiche.

Dr. Thomas Meuche ist Professor an der Hochschule Hof und leitet dort das Kompetenzzentrum Digitale Verwaltung, den Online-Studiengang Digitale Verwaltung und das Seminarprogramm zur Digitalisierung der Verwaltung.




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: IT-Infrastruktur
Die OpenCloud-Oberfläche dargestellt auf einem Desktop- sowie einem Smartphonebildschirm.

OpenCloud: Als Android-App verfügbar

[19.08.2025] Die Open-Source-Plattform OpenCloud ist jetzt auch als Android-App verfügbar. Die Lösung kann bereits im Browser sowie als Desktop-App für Windows, macOS und Linux genutzt werden. Zudem ist sie als iOS-App verfügbar. mehr...

bericht

Stadtwerke Rostock: Projektmanagementsoftware eingeführt

[18.08.2025] Die Stadtwerke Rostock haben mit der Einführung einer Projektmanagementsoftware ein strukturiertes IT-Ressourcenmanagement etabliert, um personelle Kapazitäten effizienter zu steuern und die Projektplanung zu verbessern. mehr...

Mehrere Personen halten bunte Zahnräder aneinander.

Baden-Württemberg: Prozessmanagement-Initiative startet in Runde vier

[15.08.2025] Im September startet die von Picture und der Kehler Akademie angestoßene Prozessmanagement-Initiative Baden-Württemberg in die nächste Runde. Teilnehmende Kommunen werden gezielt bei der Einführung und Etablierung eines professionellen Prozessmanagements unterstützt. mehr...

Vektorillustration mit jungen Menschen in der Nähe eines großen Smartphones, die Feedback und Bewertungen für ein Produkt oder eine Dienstleistung abgeben.

Treptow-Köpenick: Kiezkassen-Applikation im Test

[29.07.2025] In Berlin soll künftig eine Kiezkassen-Applikation die Verwaltungsprozesse bei der Vergabe nachbarschaftlicher Fördermittel digital abbilden. Im Bezirk Treptow-Köpenick haben Bürger, Verwaltungsmitarbeitende und Kiezpaten die Lösung einem ersten Test unterzogen. mehr...

Mehrere Personen stehen nebeneinander um eine Leuchtstele im Freien versammelt.

Etteln: Kommunaler Datenraum und mehr

[28.07.2025] Die Ortsgemeinde Etteln will den ersten kommunalen Datenraum Deutschlands entwickeln. In ihm könnten Daten aus verschiedenen Quellen verknüpft und daraus intelligente Services generiert werden. In einem anderen Vorhaben lässt das digitalste Dorf Deutschlands eine autonom fliegende Drohne zur Unterstützung der Feuerwehr starten. mehr...

Screenshot der Low-Code-Lösung Axon Ivy.

OWL-IT: Digitale Prozesse gestalten

[28.07.2025] Mit Einführung der Low-Code-Plattform Axon Ivy will OWL-IT die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen beschleunigen. Erste Erfahrungen zeigen, wie sich kommunale Fachlichkeit und technische Umsetzung verbinden lassen. Die Plattform wird auch auf der Smart Country Convention vorgestellt. mehr...

Fraunhofer FOKUS: Zweite Public Data Konferenz

[25.07.2025] Am 25. September lädt das Fraunhofer-Institut FOKUS zur zweiten Public Data Konferenz nach Berlin ein. Im Fokus stehen strategische Ansätze, praktische Lösungen und konkrete Projekte. Angesprochen werden leitende Personen aus Politik und Verwaltung, deren Aufgabe die Förderung des organisationsübergreifenden Datenaustauschs ist. mehr...

laptop-tastatur, torso dahinter drückt auf ein Ordner-Symbol

Werra-Meißner-Kreis: Standardisierung von Prozessen

[24.07.2025] Mit einem vom Land Hessen unterstützten Projekt will der Werra-Meißner-Kreis eine Standardisierung der Anbindung von Fachverfahren an Dokumentenmanagementsysteme erreichen. Andere hessische Kommunen sollen die Schnittstelle ebenfalls nutzen können. mehr...

Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder und Digitalminister Dirk Schrödter stehen nebeneinander vor dem Norderstedter Rathaus und halten gemeinsam ein Smartphone in die Kamera, auf dessen Bildschirm die neue Stadt-App zu sehen ist.

APPgemacht: Norderstedt immer griffbereit

[22.07.2025] Nützliches, Wissenswertes und zahlreiche städtische Onlineservices umfasst die neue Norderstedter Stadt-App. Die Kommune will mit dem Angebot alle Generationen ansprechen. In den kommenden Monaten soll der App-Umfang sukzessive erweitert werden. mehr...

Verschiedene Dokumente sind mit einer Wolke verbunden, im Hintergrund sieht man eine Computertastatur.

cit intelliForm Server: Release stärkt E-Government-Betreiber

[22.07.2025] Mit zwei Erweiterungen soll die neue Version des cit intelliForm Servers die Betreiber von E-Government-Services noch besser unterstützen. Dazu zählt die Verwendung von GitOps in der Formularverwaltung, während Kubernetes den Cloud- und Rechenzentrumsbetrieb vereinfacht. mehr...

Sechs Personen stehen nebeneinander vor einer Hauswand, zwischen Hauswand und Personengruppe ist das Logo der Picture GmbH zu sehen.

Kreis Paderborn: Systematisches Prozessmanagement

[17.07.2025] Um Wissen in der Verwaltung zu halten und deren Abläufe zu optimieren, hat der Kreis Paderborn ein professionelles Prozessmanagement eingeführt. Für den Projekterfolg waren eine aktive interne Kommunikation und die Unterstützung durch den Verwaltungsvorstand entscheidend. mehr...

Rechtecke sind durch leuchtende Linien miteinander verbunden, in der Mitte ist ein würfelförmiges Objekt zu sehen.
bericht

Urbane Datenplattformen: Wichtiger Schlüssel

[15.07.2025] Urbane Datenplattformen sind der Schlüssel zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung und Bürgerbeteiligung. Die Einführung und Nutzung bringen für Kommunen neben vielen Mehrwerten jedoch auch Herausforderungen mit sich. mehr...

Mehrere Personen sitzen auf nebeneinander auf einem Sofa und schauen gemeinsam auf einen aufgeklappten Laptop auf dem Schoß einer der Personen.
bericht

Kreis Traunstein: Weblösung reduziert Arbeitslast

[08.07.2025] Eine speziell auf die Verwaltung von Asylbewerbern, Unternehmen und gemeinnützigen Trägern ausgerichtete Weblösung unterstützt Kommunen bei der Koordination gemeinnütziger Aufgaben. Sie setzt auf Automatisierung und Künstliche Intelligenz (KI) und wurde gemeinsam mit dem Kreis Traunstein entwickelt. mehr...

Blick auf das Cadolzburger Rathaus.

Cadolzburg: Signieren ohne Tinte

[03.07.2025] Seit über einem Jahr nutzt die Marktgemeinde Cadolzburg den Signaturservice der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB). Um Zertifikate selbstständig ausstellen und administrieren zu können, führte sie 2025 ergänzend das Zertifikatsportal des IT-Dienstleisters ein. mehr...

bericht

Digitale Souveränität: Ist die Schmerzgrenze erreicht?

[02.07.2025] Auf dem Zukunftskongress Staat & Verwaltung diskutierten Experten in der vergangenen Woche den aktuellen Stand bei der digitalen Souveränität. Diese ist durch geopolitische Verschiebungen wieder ins Blickfeld der Politik geraten. Ob die Marktdominanz von US-Konzernen bei Netzen und Software in der öffentlichen Verwaltung überwunden werden kann, erscheint indes weiter ungewiss. mehr...