Mittwoch, 24. Dezember 2025

KIDie Industrie als Vorbild

[07.09.2023] Schleswig-Holsteins Digitalisierungsminister Dirk Schrödter spricht im Interview über die Chancen, die KI für die Verwaltung der Zukunft bietet, mögliche Einsatzszenarien für ChatGPT & Co. und den erforderlichen Kulturwandel im Umgang mit Daten.
Dirk Schrödter

Dirk Schrödter, Digitalisierungsminister Schleswig-Holstein

(Bildquelle: Frank Peter)

Herr Minister Schrödter, Schleswig-Holstein hat sich 2019 als erstes Bundesland eine KI-Strategie gegeben, 2021 wurde diese fortgeschrieben. Den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Verwaltung zu stärken, ist eines der acht Handlungsfelder. Welche Potenziale sehen Sie für die KI-Nutzung durch die Landesverwaltung?

Die Zukunft der Verwaltung ist automatisiert, algorithmisiert, cloudifiziert und datenbasiert. Wenn wir diese Zukunft der Verwaltung erreichen wollen, dann geht das nur mit KI. Der Einsatz von KI, also algorithmenbasierter Prozesse, in der öffentlichen Verwaltung wird die Entscheidungsfindung effizienter gestalten und schneller machen, die Ergebnisse der internen Verwaltungsabläufe qualitativ verbessern und die personellen Fachressourcen schonen. Durch den Einsatz von KI werden wir in der Lage sein, vor allem im Bereich der gebundenen Entscheidungen beispielsweise in der Leistungsverwaltung einen bislang ungeahnten Automatisierungsgrad zu erreichen. Die Industrie muss uns hier Vorbild sein. Die Kolleginnen und Kollegen in der Fachlichkeit werden so von Routineaufgaben entlastet und können sich besser um komplexe oder atypische Fälle kümmern. Zugleich können wir die Qualität der Entscheidungen, zum Beispiel durch die Reduktion von Fehlern bei der Dateneingabe oder -auswertung, verringern.

Sie haben im Mai dieses Jahres auch für den Einsatz großer KI-Sprachmodelle wie ChatGPT innerhalb der Landesverwaltung grünes Licht gegeben – was bedeutet das konkret?

Ich habe das auf der Grundlage unseres IT-Einsatzgesetzes (ITEG) getan. Es geht mir dabei nicht nur um ChatGPT an sich, sondern um das klare Signal innerhalb und außerhalb der Verwaltung, sich neuen Technologien nicht nur nicht zu verschließen, sondern sich diese nutzbar zu machen. Die Potenziale von ChatGPT, generativer KI oder vergleichbaren Technologien begreifen wir als Chance. Zunächst wollen mit deren Einsatz Erfahrungen sammeln. Dabei gehen wir mit Bedacht und vorsichtig vor. Das ITEG liefert uns hierfür einen Rahmen. ChatGPT wird zunächst nur dazu genutzt, Inspiration für Mitarbeitende zu geben. Eine direkte Anbindung von ChatGPT an Fachverfahren erfolgt dabei nicht. Mittelfristig brauchen wir Lösungen wie ChatGPT natürlich als so genannte On-premise-Lösung in Rechenzentren, über die wir vor Ort die volle Souveränität haben. Wir brauchen ein ChatGPT für die öffentliche Verwaltung.

Welche Nutzungen wären für Chat­GPT und ähnliche Anwendungen innerhalb der Verwaltung in näherer Zukunft denkbar?

Wenn wir dazu kommen, derartige Sprachmodelle mit den Daten zu nutzen, die der öffentlichen Verwaltung bereits jetzt vorliegen, werden wir einen Quantensprung in der Verfügbarkeit und Auswertung von Informationen erreichen – über Zuständigkeitsgrenzen hinweg. Die automatisierte Beantwortung von Fragen aus dem parlamentarischen Bereich oder der interessierten Öffentlichkeit, Planungsentscheidungen oder die Recherche von Informationen für die Vorbereitung von gesetzlichen Entscheidungen wären in einer bisher nicht erreichbaren Qualität und Schnelligkeit möglich.

„Wenn wir die Zukunft der Verwaltung erreichen wollen, dann geht das nur mit dem umfassenden Einsatz von KI.“
Ohne Daten keine sinnvolle KI-Anwendung. Was muss sich am Umgang der Verwaltung mit Daten ändern, damit der KI-Einsatz möglich wird?

Wir müssen lernen, nicht in Zuständigkeitsgrenzen, sondern in Nutzungsszenarien zu denken und zu handeln. Es ist doch heutzutage kaum noch erklärbar, warum es zum Beispiel zwischen den Kommunen, dem Land und dem Bund keine zentrale Verwaltung von Baustelleninformationen gibt. Das Szenario wäre doch nicht, nur die Baustellendaten der eigenen kommunalen Straße zu verarbeiten, sondern bei einer Planung gleich auch die Daten des Landes und des Bundes zu erhalten und daraus die Konsequenzen für die Sperrung einer kommunalen Straße zu erkennen, wenn gleichzeitig die Landesstraße gesperrt wird und der innerkommunale Verkehr daher über eine Bundesautobahn umgeleitet werden müsste. Hier in dem Szenario „Aufrechterhaltung des Straßenverkehrs“ und nicht „Sperrung kommunaler Straßen im eigenen Gemeindegebiet“ zu denken, ist die Herausforderung an die Verwaltung. Dabei ist wichtig, zwischen offenen und sensiblen Daten zu trennen. Ein KI-System, das von der Öffentlichkeit genutzt werden kann, darf nur mit offenen Daten trainiert werden. Sensible Daten dürfen nur für das Training von internen KI-Systemen verwendet werden. Ansonsten besteht das Risiko, dass durch geschickte Prompt-Formulierungen sensible Daten aus den Modellen an die Öffentlichkeit geraten. Wir brauchen eine Kultur des Datennutzens und des Datenteilens. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter muss den Wert von Daten über den eigenen Arbeitsbereich hinaus kennen. Dann wird es uns gelingen, nicht nur unsere Prozesse schneller, besser, bürgerfreundlicher zu machen, sondern durch das Verfügbarmachen von Daten der Verwaltung neue Wertschöpfung zu schaffen. Die Verwaltung muss dafür ihre Datensilos aufbrechen.

Der Einsatz von KI hat das Potenzial, die Verwaltung grundlegend zu verändern. Sie selbst sprachen von einer „Revolution der Verwaltungsprozesse“. Welche Rahmenbedingungen müssen neben den technischen Grundlagen für den KI-Einsatz in der Verwaltung geschaffen werden?

Die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung benötigen die intrinsische Motivation, den Umgang mit Daten und mit KI als Chance zu begreifen. Damit diese wachsen kann, brauchen wir zwei Dinge: Zuerst den Aufbau von Kenntnissen und Wissen, wie diese Technologien genutzt werden und welche Einsatzszenarien denkbar und sinnvoll sind und damit zur Entlastung beitragen. Wir müssen den Nutzen für jede einzelne Mitarbeiterin und jeden einzelnen Mitarbeiter aufzeigen. Gleichzeitig müssen wir es ihnen ermöglichen, sich mit dem damit einhergehenden Wandel zu beschäftigen. Wir müssen hierfür bei der bereits jetzt hochverdichteten Aufgabenvielfalt durch eine klare Priorisierung zugunsten der Innovation den Raum schaffen. Und natürlich müssen wir Verwaltungsprozesse und gesetzliche Vorgaben daraufhin prüfen, ob sie digitalisierungsfeindlich sind. Warum bekommt eigentlich nicht jedes Neugeborene neben der Steuer-ID auch gleich noch ein digitales Nutzerkonto?

Schleswig-Holstein will beim KI-Einsatz bundesweit Vorreiter werden, die Verwaltung soll dabei eine Pionierrolle spielen. Sie haben betont, es sei wichtig, ins Tun zu kommen und nicht darauf zu warten, bis bundesweite Diskussionen abgeschlossen sind. Welches sind die nächsten Schritte für die Landesverwaltung?

Wir schaffen derzeit die infrastrukturellen Voraussetzungen, dass wir KI-Services jeder öffentlichen Stelle als Software as a Service anbieten können und wir arbeiten am „Datenhaus“ Schleswig-Holstein, um mehr Daten für KI-Anwendungen verfügbar zu machen und die Datennutzungskompetenzen der Beschäftigten zu verbessern.

Interview: Sibylle Mühlke




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik
Ein fehlendes Puzzleteil wird in ein Puzzle eingesetzt.

GovTech Kommunal: Kommunen digital handlungsfähig machen

[18.12.2025] Die Initiative GovTech Deutschland hat ihr Angebot um den Verein GovTech Kommunal erweitert. Es soll damit eine bundesweite Einheit geschaffen werden, welche die kommunale Digitalisierung systematisch bündelt und konsequent an den Bedarfen der Städte, Gemeinden und Landkreise ausrichtet. Die Mitgliedschaft steht mit gestaffeltem Beitragsmodell allen Kommunen offen. mehr...

Abgedunkelter Saal mit Publikum, im Bildhintergrund eine helle Bühne mit Projektion "Kick-off Roadshow Hanau", zwei Personen auf der Bühne

Hanau: Stadtweite IT neu ausgerichtet

[18.12.2025] Hanau hat sich das Ziel gesteckt, bis 2030 die Digitalisierung der gesamten „Unternehmung Stadt“ abzuschließen. Dazu werden Entscheidungs-, Verantwortungs- und Budgetstrukturen künftig an einer Stelle gebündelt, zudem soll die Stelle des CDO geschaffen werden. mehr...

Ein Bürotisch ist komplett von unterschiedlichen Stapeln an Dokumenten bedeckt.

Deutscher Landkreistag: Kommunen in Modernisierungsagenda einbinden

[11.12.2025] Die von Bund und Ländern vereinbarte föderale Modernisierungsagenda bewertet der Deutsche Landkreistag (DLT) als positiv. Damit Bürger, Unternehmen und Kommunen jedoch tatsächlich entlastet werden, ist ein enger Schulterschluss mit Landkreisen, Städten und Gemeinden bei der Umsetzung erforderlich. mehr...

Porträt von Lydia Hüskens

Sachsen-Anhalt: Zentrale Serviceagentur für Kommunen

[08.12.2025] Eine Machbarkeitsstudie aus Sachsen-Anhalt zeigt, dass eine zentrale Serviceagentur für Kommunen Verwaltungsabläufe beschleunigen und verbessern kann. Digitalministerin Lydia Hüskens kündigte an, dass ab 2026 sukzessive eine Unterstützungseinheit für Kommunen umgesetzt werden soll. mehr...

Abstrakte Darstellung eines Besprechungsraums in dem die Silhouetten mehrerer Personen zu sehen sind, die an einem Besprechungstisch sitzen.

IT-Planungsrat: Kommunalbeirat NOOTS

[08.12.2025] Das Kommunalgremium des IT-Planungsrats übernimmt im Zuge der Neuaufstellung des Nationalen Once-Only-Technical-Systems (NOOTS) zusätzlich die Rolle des Kommunalbeirats NOOTS. Es hat dabei keine Entscheidungsbefugnis, sondern erfüllt eine Resonanz- und Feedbackfunktion. mehr...

Blick in einen gut besetzten Sitzungssaal mit rechteckiger Tischanordnung.

4. Digitalministerkonferenz: Bessere Zusammenarbeit aller Ebenen

[27.11.2025] Bei der 4. Digitalministerkonferenz in Berlin setzte Niedersachsens Digitalministerin Daniela Behrens den Schwerpunkt auf föderale Zusammenarbeit: Sie forderte eine engere, effektivere Zusammenarbeit aller föderaler Ebenen und den Zugang zu Services des ITZBund auch für Länder und Kommunen. mehr...

Oldenburger Rathaus und Degodehaus

Oldenburg: Mit neuem Amt in die digitale Zukunft

[27.11.2025] Alle Aufgaben rund um digitale Verwaltungsprozesse und die IT-Infrastruktur bündelt die Stadt Oldenburg ab Anfang kommenden Jahres in einem eigenen Amt für digitale Transformation. Das soll Abstimmungsaufwände reduzieren, Prozesse beschleunigen und dauerhaft zu innovativen, bürgernahen Angeboten beitragen. mehr...

Ein Zukunftskongress-Spezial nimmt den Status quo der Verwaltungsdigitalisierung hierzulande in den Blick.

Föderale Modernisierungsagenda: Jetzt muss gehandelt werden

[27.11.2025] Der Nationale Normenkontrollrat mahnt die in der Föderalen Modernisierungsagenda vorgesehene bessere Aufgabenbündelung mit Nachdruck an. Die Ministerien müssten dieses Projekt konsequent weiterverfolgen, um Effizienz und Entlastung der Kommunen zu sichern. mehr...

Gruppenfoto vor Vitako-Logo

Vitako: 20 Jahre Austausch und Innovation

[11.11.2025] Seit zwei Jahrzehnten vertritt Vitako die Interessen der kommunalen IT-Dienstleister. Bei der Jubiläumsfeier würdigte Digitalminister Karsten Wildberger in klaren Worten die Rolle der Kommunen als Ausgangspunkt digitaler Verwaltung und rief zu enger Zusammenarbeit mit Bund und Ländern auf. mehr...

Hamburg-CIO Annika Busse

Hamburg: Annika Busse ist die neue CIO

[11.11.2025] Annika Busse ist die neue CIO der Freien und Hansestadt Hamburg. Die bisherige stellvertretende Hamburg-CIO hat zum 1. November die Nachfolge von Jörn Riedel angetreten, der nach langjährigem Wirken in den Ruhestand verabschiedet wurde. mehr...

Gruppenbild der Teilnehmenden an der Sitzung des Kommunalgremiums.

IT-Planungsrat: Kommunaler Input zu digitalstrategischen Themen

[23.10.2025] Der IT-Planungsrat stellt die strategischen Weichen für die Verwaltungsdigitalisierung – und bindet dabei auch Kommunen ein. Beim letzten Treffen des Kommunalgremiums ging es um die zentralen Bereitstellung von EfA-Leistungen und eine Aufgabenneuordnung zur Entlastung von Kommunen. mehr...

Diagramme und Datenvisualisierung in leuchtenden Farben.

Bitkom-Dataverse: Datenbank zum digitalen Deutschland

[21.10.2025] Mit dem Bitkom-Dataverse soll das größte kostenlose Onlineportal mit Zahlen und Statistiken zum Digitalen Deutschland entstehen. Es umfasst Daten unter anderem aus den Bereichen Bildung, Künstliche Intelligenz, Cybersicherheit, Verwaltung sowie Mobilität. Auch die Bitkom-Indizes wie der Länderindex oder Smart-City-Index sind enthalten. mehr...

Fachwerkhäuser im historischen Stadtzentrum von Backnang, mit Rathaus und Marktplatz

Baden-Württemberg: Kommunen als Treiber der Entbürokratisierung

[20.10.2025] In Baden-Württemberg wurde das Kommunale Regelungsbefreiungsgesetz beschlossen. Damit erhalten Kommunen und Zweckverbände mehr Flexibilität bei der Neugestaltung und Vereinfachung von Verwaltungsverfahren. Sich bewährende Neuerungen sollen landesweit umgesetzt werden. mehr...

Mehrere Zahnräder liegen neben- und übereinander.
bericht

Digitalisierung: Zehn-Punkte-Plan von Vitako

[10.10.2025] Im Rahmen eines Zehn-Punkte-Plans hat die Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister, Vitako, Vorschläge für eine gezielte Förderung der Digitalisierung erarbeitet. Als wichtiger Aspekt wird dabei die ebenenübergreifende Zusammenarbeit betont. mehr...

Foto von Bayerns Digitalminister Fabian Mehring
interview

Bayern: Täglich Vollgas geben

[09.10.2025] Bayerns Digitalminister Fabian Mehring spricht über die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz, eine proaktive Verwaltung und erläutert, warum der Freistaat bei der Verwaltungstransformation so erfolgreich ist. mehr...