Freitag, 25. Juli 2025

DigitalisierungEngpässe langfristig lösen

[29.08.2023] Durch die Wohngeldreform ist das Arbeitsaufkommen in den zuständigen Ämtern enorm gestiegen. Burkhardt Vitt, Business Manager Public Digital & Customer Solutions bei Wolters Kluwer Deutschland, erklärt, wie Digitalisierung für Entlastung sorgen kann.
Burkhardt Vitt

Burkhardt Vitt

(Bildquelle: Wolters Kluwer)

Herr Vitt, durch die Wohngeldreform und das im Januar dieses Jahres in Kraft getretene Wohngeld Plus haben jetzt dreimal so viele Haushalte Anspruch auf die staatliche Förderung. Das führt aktuell zu einem enormen Anstieg an Anträgen und damit zu einer teils massiven zusätzlichen Belastung der Ämter, die vielerorts ohnehin bereits unter Personalmangel leiden. Wo sehen Sie derzeit die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt der öffentlichen Verwaltung?

Das größte Thema ist die Verfügbarkeit von qualifiziertem Fachpersonal. Stellen werden zwar beantragt und im Bedarfsplan entsprechend ausgeschrieben, jedoch ist das Fachpersonal schlicht und ergreifend nicht vorhanden. Zudem trifft der demografische Wandel die öffentliche Verwaltung in voller Härte. Das Wohngeld Plus lässt daher viele Behörden endgültig an ihre Grenzen stoßen. In früheren Jahren agierten Verwaltungen oft so: Für ein temporäres Problem wurden Mitarbeitende aus anderen Abteilungen zur Verfügung gestellt, Engpässe wurden auf diese Weise kurzfristig gelöst. Dieses Modell ist nicht mehr existent. Die einzige Chance, der Lage Herr zu werden, besteht darin, Arbeitsabläufe zu optimieren, was sich vor allem durch Digitalisierung erreichen lässt. Die Anzahl der zu bearbeitenden Fälle steigt unaufhörlich, ihre Komplexität nimmt zu, gleichzeitig steigt der Zeitdruck, und qualifiziertes Fachpersonal fehlt. Diese Herausforderungen lassen sich meiner Meinung nach ohne Digitalisierung gar nicht mehr bewältigen.

Kommunale Arbeitgeber haben nicht nur mit fehlendem Fachpersonal zu kämpfen, sondern sehen sich in den kommenden Jahren auch mit einem massiven Verlust von Fachkräften konfrontiert. Wie lässt sich vorhandenes Wissen bewahren, strukturieren und weitergeben, damit es der Verwaltung weiterhin zur Verfügung steht?

Ich persönlich glaube an die Renaissance des Begriffs Wissensmanagement. Dieser hat in den vergangenen Jahren eher ein Schattendasein geführt, und viele konnten sich darunter wahrscheinlich nicht so viel vorstellen. Wissensmanagement ist in erster Linie die Gesamtheit aller Aktivitäten, um möglichst gut dafür zu sorgen, dass bestehendes Wissen innerhalb einer Organisation weitergegeben und damit weiter von ihr genutzt werden kann. Es geht darum, den Mitarbeitenden relevante Informationen in einem standardisierten Prozess jederzeit und passend zum jeweiligen Arbeitsschritt zur Verfügung stellen zu können. Dabei empfiehlt es sich, keine Insellösungen zu schaffen, sondern am besten gleich eine Software-Lösung aufzusetzen, die nicht nur die behördeneigenen Informationen beinhaltet, sondern diese auch sinnvoll mit den für die Arbeit relevanten allgemeinen Rechtsinformationen in Beziehung setzt. Das wäre für mich eine neue Form von Wissensmanagement, die dabei hilft, bereits vorhandenes Wissen zu entwickeln, zu strukturieren, zu transferieren und schließlich abzuspeichern und punktgenau verfügbar zu machen – auch hier spielt demnach die Digitalisierung eine tragende Rolle.

Welche Voraussetzungen muss eine Verwaltung erfüllen, um die Digitalisierung zum Erfolg zu führen?

Wenn ich mir die Digitalisierung als Gesamtprojekt für die Verwaltung anschaue, ist es das Wichtigste, dass die Mitarbeitenden abgeholt und mitgenommen werden. Verwaltungen müssen sicherstellen, dass Digitalisierung eine Arbeitserleichterung und Konzen­tration aufs Wesentliche ermöglicht und damit das Nutzenversprechen einlöst. Wenn Mitarbeitende den Effekt einer Digitalisierungsmaßnahme sofort erkennen können, werden sie sehr viel schneller zu Fürsprechern und klammern sich nicht an althergebrachte Arbeitsweisen. Damit geht einher, dass alle Anwendungen auch nutzerfreundlich sein müssen. Es hilft nicht, wenn die Anträge digital eingehen und die Mitarbeitenden diese zweimal am Tag zwei Stockwerke tiefer ausdrucken müssen, um sie dann der Kollegin oder dem Kollegen auf den Tisch zu legen.

„Die Herausforderungen lassen sich ohne Digitalisierung gar nicht bewältigen.“
Gibt es weitere Aspekte zu beachten?

Ein weiteres wichtiges Thema im Zusammenhang mit der Digitalisierung ist das Schnittstellen-Management. Sachbearbeitende sind immer in einer bestehenden Landschaft tätig: Sie arbeiten mit Fachverfahren, mit Dokumenten-Management-Systemen oder mit Office-Produkten, und möglicherweise kommen auch Anträge in Papierform herein. Die relevanten Fragen lauten also: Wer braucht zu welcher Zeit welche Information, und wo geht sie aus welchem System und über welchen Kanal hin?

Die Arbeitsbelastung führt in den Ämtern zu Verzögerungen in der Sachbearbeitung. Wie kann die Verwaltung konkret in ihrer Arbeit unterstützt werden?

Grundsätzlich sind Verwaltungen unterschiedlich aufgebaut. Sie haben sehr differenzierte Anforderungen und gewachsene Strukturen. Das können – und sollten – Verwaltungen nicht von einem Tag auf den anderen ändern. Digitale Lösungen, die Verwaltungen sofort unterstützen, greifen idealerweise bestehende Strukturen auf. Für die Fallbearbeitung sind sie zudem auf zahlreiche Informationsquellen angewiesen. Insbesondere das Sammeln, Bereitstellen und Pflegen lokal geltender Vorschriften ist sonst mit einem hohen Zeitaufwand verbunden. Darüber hinaus sollte die Lösung die Inhalte mit relevanten Rechtsinformationen verknüpfen und sicherstellen, dass diese immer aktuell und gepflegt sind. Das ermöglicht es auch neuen Mitarbeitenden, schnell zu relevanten und rechtssicheren Informationen und damit zum Bearbeiten ihrer Aufgaben zu kommen. Neue Kolleginnen und Kollegen einzuarbeiten, ist wichtig, aber aufwendig. Mit zentral bereitgestellten, gesicherten, vollständigen, gut strukturierten und leicht verständlich aufbereiteten Inhalten ist hingegen in weiten Teilen eine selbstständige Einarbeitung möglich, und erfahrene Mitarbeitende gewinnen Zeit für ihre Kernaufgaben.

Welche Anforderungen sollten Verwaltungen an eine Software stellen?

Im besten Fall handelt es sich bei einer Software um eine Plug-and-play-Lösung, die Anwendung des Tools ist also ohne großen Projekt- und Implementierungsaufwand möglich. Das kann heißen, dass eine Software-as-a-Service(SaaS)-Applikation genutzt wird, bei der die IT-Hürden so gering wie möglich gehalten werden. Außerdem sollte es auch immer ein wenig Spaß machen, mit der Anwendung zu arbeiten. Eine weitere wichtige Anforderung ist aus meiner Sicht, ein möglichst offenes System zu nutzen, um die Kommunikation mit anderen Anwendungen zu ermöglichen. Deshalb sollten Verwaltungen bereits bei der Auswahl darüber nachdenken, mit welchen anderen Ämtern, Institutionen, aber auch Software-Programmen und Fachverfahren das System zusammenarbeiten muss. Für Mitarbeitende in der Verwaltung ist zudem von enormer Wichtigkeit, dass sie Verwaltungshandeln rechtssicher umsetzen. Das setzt voraus, dass sie auf Basis aktueller rechtlicher Grundlagen arbeiten. Deswegen müssen die genutzten Informationssysteme genau dieses Versprechen einlösen. Im Falle neuer Regelungen – wie beispielsweise alle relevanten Neuerungen zum Jahreswechsel oder die umfangreichen Änderungen beim Bürgergeld – haben die Anwender unserer Lösung eGovPraxis zum Beispiel innerhalb kürzester Zeit sowohl Zugriff auf die neuen Rechtsnormen als auch auf leicht verständliche, praxisorientierte Informationen.

Interview: Bettina Weidemann




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: IT-Infrastruktur

Fraunhofer FOKUS: Zweite Public Data Konferenz

[25.07.2025] Am 25. September lädt das Fraunhofer-Institut FOKUS zur zweiten Public Data Konferenz nach Berlin ein. Im Fokus stehen strategische Ansätze, praktische Lösungen und konkrete Projekte. Angesprochen werden leitende Personen aus Politik und Verwaltung, deren Aufgabe die Förderung des organisationsübergreifenden Datenaustauschs ist. mehr...

laptop-tastatur, torso dahinter drückt auf ein Ordner-Symbol

Werra-Meißner-Kreis: Standardisierung von Prozessen

[24.07.2025] Mit einem vom Land Hessen unterstützten Projekt will der Werra-Meißner-Kreis eine Standardisierung der Anbindung von Fachverfahren an Dokumentenmanagementsysteme erreichen. Andere hessische Kommunen sollen die Schnittstelle ebenfalls nutzen können. mehr...

Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder und Digitalminister Dirk Schrödter stehen nebeneinander vor dem Norderstedter Rathaus und halten gemeinsam ein Smartphone in die Kamera, auf dessen Bildschirm die neue Stadt-App zu sehen ist.

APPgemacht: Norderstedt immer griffbereit

[22.07.2025] Nützliches, Wissenswertes und zahlreiche städtische Onlineservices umfasst die neue Norderstedter Stadt-App. Die Kommune will mit dem Angebot alle Generationen ansprechen. In den kommenden Monaten soll der App-Umfang sukzessive erweitert werden. mehr...

Verschiedene Dokumente sind mit einer Wolke verbunden, im Hintergrund sieht man eine Computertastatur.

cit intelliForm Server: Release stärkt E-Government-Betreiber

[22.07.2025] Mit zwei Erweiterungen soll die neue Version des cit intelliForm Servers die Betreiber von E-Government-Services noch besser unterstützen. Dazu zählt die Verwendung von GitOps in der Formularverwaltung, während Kubernetes den Cloud- und Rechenzentrumsbetrieb vereinfacht. mehr...

Sechs Personen stehen nebeneinander vor einer Hauswand, zwischen Hauswand und Personengruppe ist das Logo der Picture GmbH zu sehen.

Kreis Paderborn: Systematisches Prozessmanagement

[17.07.2025] Um Wissen in der Verwaltung zu halten und deren Abläufe zu optimieren, hat der Kreis Paderborn ein professionelles Prozessmanagement eingeführt. Für den Projekterfolg waren eine aktive interne Kommunikation und die Unterstützung durch den Verwaltungsvorstand entscheidend. mehr...

Rechtecke sind durch leuchtende Linien miteinander verbunden, in der Mitte ist ein würfelförmiges Objekt zu sehen.
bericht

Urbane Datenplattformen: Wichtiger Schlüssel

[15.07.2025] Urbane Datenplattformen sind der Schlüssel zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung und Bürgerbeteiligung. Die Einführung und Nutzung bringen für Kommunen neben vielen Mehrwerten jedoch auch Herausforderungen mit sich. mehr...

Mehrere Personen sitzen auf nebeneinander auf einem Sofa und schauen gemeinsam auf einen aufgeklappten Laptop auf dem Schoß einer der Personen.
bericht

Kreis Traunstein: Weblösung reduziert Arbeitslast

[08.07.2025] Eine speziell auf die Verwaltung von Asylbewerbern, Unternehmen und gemeinnützigen Trägern ausgerichtete Weblösung unterstützt Kommunen bei der Koordination gemeinnütziger Aufgaben. Sie setzt auf Automatisierung und Künstliche Intelligenz (KI) und wurde gemeinsam mit dem Kreis Traunstein entwickelt. mehr...

Blick auf das Cadolzburger Rathaus.

Cadolzburg: Signieren ohne Tinte

[03.07.2025] Seit über einem Jahr nutzt die Marktgemeinde Cadolzburg den Signaturservice der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB). Um Zertifikate selbstständig ausstellen und administrieren zu können, führte sie 2025 ergänzend das Zertifikatsportal des IT-Dienstleisters ein. mehr...

bericht

Digitale Souveränität: Ist die Schmerzgrenze erreicht?

[02.07.2025] Auf dem Zukunftskongress Staat & Verwaltung diskutierten Experten in der vergangenen Woche den aktuellen Stand bei der digitalen Souveränität. Diese ist durch geopolitische Verschiebungen wieder ins Blickfeld der Politik geraten. Ob die Marktdominanz von US-Konzernen bei Netzen und Software in der öffentlichen Verwaltung überwunden werden kann, erscheint indes weiter ungewiss. mehr...

KGSt: Kritik an Deutscher Verwaltungscloud

[01.07.2025] Die KGSt unterstützt die Deutsche Verwaltungscloud grundsätzlich – sieht aber Nachbesserungsbedarf bei Steuerung, Wirtschaftlichkeit und technischer Umsetzung. mehr...

Datentechnologiehologramm, im Hintergrund sind die Hände einer Frau zu sehen, die Notizen macht.

Nordrhein-Westfalen: Digital-Index für das Ruhrgebiet

[01.07.2025] Erstmals wurde für die 53 Kommunen im Ruhrgebiet ein Digital-Index erstellt. Er nimmt verschiedene Themenfelder in den Blick, darunter die Bereiche Forschung, Beschäftigung, Unternehmen und Infrastruktur. Auch wurde das Gebiet mit elf anderen Metropolregionen in Deutschland verglichen. mehr...

Luftbild der Nürnberger Altstadt: viele rote Ziegeldächer, im Bildzentrum der grüne Doppelturm von St. Sebaldus.

Nürnberg: AutiSta aus der AKDB Cloud

[23.06.2025] Auf AutiSta als Software-as-a-Service bei der AKDB setzt die Stadt Nürnberg. Im Rahmen des Projekts hat die Frankenmetropole eng mit dem Fachverfahrenshersteller und dem IT-Dienstleister zusammengearbeitet. mehr...

Spielplatz in einem Wohngebiet.

GIS Consult / RIB IMS: CAFM-System mit GIS-Anbindung

[19.06.2025] Die Unternehmen RIB IMS und GIS Consult haben die bidirektionale Systemintegration der CAFM-Software RIB FM und des Geo-Informationssystems Smallworld GIS ausgeweitet. Flurstücke lassen sich somit grafisch visualisieren und darüber Prozesse für Verwaltungsaufgaben aller Art managen. mehr...

Eine Wolke schwebt über einem Stapel Münzgeld.
bericht

E-Rechnungspflicht: So gelingt die Umstellung

[17.06.2025] Mit der Einführung der E-Rechnungspflicht im B2B-Bereich erwartet Kommunen ein deutlicher Anstieg eingehender E-Rechnungen. Angesichts dessen hat der Softwarehersteller ­xSuite sein Angebot in diesem Bereich ausgebaut und setzt dabei auch auf eine Cloudplattform. mehr...

Amt Föhr-Amrum Gebäude
bericht

Föhr-Amrum: Mit vereinten Kräften

[28.05.2025] Das Amt Föhr-Amrum hat vor rund einem Jahr eine Verwaltungskooperation mit dem Land Schleswig-Holstein getroffen. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. mehr...