Sonntag, 7. Dezember 2025

REPORTGigabyte statt Goethe

[19.04.2010] Dass IT-Kenntnisse heutzutage eine Schlüsselqualifikation auf dem Arbeitsmarkt sind und dementsprechend auch in der Schule vermittelt werden müssen, wird wohl niemand bestreiten. Trotzdem kommt in Deutschland der Einsatz von PC und Internet im Unterricht immer noch zu kurz.

Eltern, Lehrer und Schüler sind sich einig: IT gehört auf den Stundenplan. Laut einer aktuellen Umfrage, welche das Marktforschungsunternehmen TNS Infratest im Februar 2010 im Auftrag von Microsoft Deutschland durchgeführt hat, sind 90 Prozent der befragten Eltern sowie 86 Prozent der Lehrer der Meinung, dass Schüler im Unterricht den Umgang mit Computer und Internet erlernen sollten.

Wünsche für die Schule der Zukunft

Die Vermittlung von IT-Kompetenz wird als Schlüsselqualifikation und für wichtiger erachtet als etwa Kenntnisse über deutsche Dichter und Denker. Auch die Mehrheit der befragten Lehrer fordert, den Einsatz von IT im Unterricht auszuweiten und zu verbessern, da klassisches Lehrmaterial heute oft nicht ausreiche, um Wissen zu vermitteln. Ein weiteres Argument für den Einsatz von IT: Das eigenverantwortliche Arbeiten der Schüler wird gefördert.
An deutschen Schulen sind neue Medien im Unterricht allerdings immer noch die Ausnahme – in der Infratest-Studie gaben nur 39 Prozent der Schüler an, mit Computer und Internet zu lernen. Dabei macht aus ihrer Sicht das Lernen mit IT mehr Spaß (87 Prozent) und fällt leichter (76 Prozent). Die Schüler haben auch ganz konkrete Vorstellungen davon, wie die Schule der Zukunft aussehen sollte – in einer gemeinsamen Aktion von Microsoft und einem Jugendmagazin formulierten sie dazu mehr als 1.500 Wünsche und Ideen. Tenor: Erforderlich ist auf jeden Fall ein stärkerer Einsatz von IT, welche außerdem interaktiv genutzt werden soll. Zudem sollten das Lernen vernetzt und der Zugriff auf Informationen immer und überall möglich sein. Gut vorstellen können sich die Schüler, dass Lehrer künftig mittels Videokonferenz unterrichten. Gewünscht werden darüber hinaus ein individuelles Lernen mit Online-Angeboten und eine stärkere Konzentration auf verschiedene Lerntypen.

Vernetztes Lernen in Freiburg

Für eine Vernetzung von Lehrern und Schülern sowie den besseren Zugriff auf Informationen und Unterrichtsmaterialien hat beispielsweise die Friedrich-Weinbrenner-Gewerbeschule (FWG) in Freiburg ein Schulportal aufgebaut. Das umfassende Kommunikations- und Organisationsangebot basiert auf der plattformunabhängigen Standard-Software Intrexx von Anbieter United Planet.
Die Schulleitung der FWG geht davon aus, dass bereits mehr als 90 Prozent der Lehrkräfte die Arbeit mit dem Schulportal in ihren Alltag integriert haben. Sie können über die Plattform Arbeitsabläufe online organisieren und dazu Anwendungen wie den Schulkalender oder einen Raumreservierungsplan nutzen. Schülern bietet das Portal die Möglichkeit, auch von zu Hause aus auf Unterrichtsmaterialien zuzugreifen, welche entweder während des Unterrichts dort gespeichert oder von den Lehrern eingestellt wurden.

Sachsen-Anhalt lernt im Web

In Sachsen-Anhalt soll das Lernen mit Online-Angeboten in Zukunft eine stärkere Rolle spielen. Dazu hat das Land vor Kurzem das Modellprojekt „Kompetenzorientiertes Arbeiten mit Lernplattformen in Sachsen-Anhalt“ (KALSA) gestartet. Unterrichtsinhalte, vor allem für die Fächer Deutsch, Biologie, Geografie, Kunsterziehung und den Fremdsprachenunterricht, sollen künftig auf speziellen E-Learning-Portalen veröffentlicht werden. Nach Angaben des Kultusministeriums Sachsen-Anhalt nehmen an der Erprobungsphase zunächst 20 Schulen teil. Das Modellprojekt soll über einen Zeitraum von drei Jahren beobachtet und anschließend entschieden werden, ob und wie sich die Erfahrungen in den weiteren Unterricht integrieren lassen. Die teilnehmenden Schulen werden vom Land übrigens nicht nur finanziell bei der Anschaffung von Multimedia unterstützt, sondern auch bei der Fortbildung der Pädagogen im Umgang mit der IT.

Mit Standards punkten

Denn als eine Ursache dafür, dass trotz vieler Befürworter der PC-Einsatz im Unterricht stagniert, wird die mangelnde Unterstützung der Lehrkräfte bei der IT-Weiterbildung genannt: Das Wissen über den Umgang mit neuen Medien müssen sich die Lehrer zum Großteil in Eigeninitiative erarbeiten, wovor aber gerade ältere Lehrkräfte zurückschrecken.
Für einen nachhaltigen Einsatz von IT an Schulen ist daher auch eine Professionalisierung der pädagogischen IT-Systeme notwendig. Denn ein ganzheitlicher Lösungsansatz trägt wesentlich dazu bei, Lehrern den Umgang mit dem Computer zu erleichtern und somit die Akzeptanz für die Nutzung des PCs im Unterricht zu erhöhen.
Josef Seitner, Geschäftsführer des Schul-IT-Anbieters MTS Reinhardt, meint: „Der Computer wurde für Normalbürger nutzbar gemacht, indem maschinennahe DOS-Befehle durch anwendungsorientierte, intuitive Eingaben ersetzt wurden. Übertragen auf die IT-Ausstattung von Schulen heißt das: Nur eine Standardisierung gewährleistet eine breite Akzeptanz der Nutzer, eine kostengünstige Betreuung sowie die Zukunftssicherheit der eingesetzten Mittel.“ Bestandteil eines Standards müsse dabei auch ein schulgerechtes Management-System sein, welches das Zusammenspiel der Hardware-Komponenten regelt. „Im Idealfall besteht die Standardisierung eines unterrichtsgerechten pädagogischen Netzwerks aus einer homogenen Hardware sowie einem ganzheitlichen Fachverfahren für die unterrichtliche IT-Nutzung an Schulen“, so Seitner.
Solche standardisierten Fachverfahren ermöglichen es insbesondere Lehrern, die im Umgang mit dem Computer weniger versiert sind, sich auf den Fachunterricht konzentrieren zu können, statt sich darum kümmern zu müssen, dass die IT „läuft“. Wie wichtig dies ist, kann Volker Kamolz, Leiter der Erich-Weinert-Grundschule im brandenburgischen Eisenhüttenstadt, bestätigen. Die Schule nutzt, wie alle fünf Grundschulen der Stadt, seit Herbst 2009 die Netzwerk-Management-Software MTS EDUCATOR von MTS Reinhardt. Besonders wichtig sei ihm, dass die Lehrkräfte angstfrei mit dem System arbeiten können, so Kamolz. Positive Erfahrungen mit der Lösung hat auch Angelika Stelzer-Dasbach, Rektorin der Wilhelm-Busch-Schule in Rodgau im Kreis Offenbach, gesammelt: „Der PC wird von uns im Unterricht sehr intensiv genutzt. Dies ist nur möglich, weil die Lehrkräfte sich auf die Stabilität der Software, deren einfache Bedienung und die klare Strukturierung verlassen können.“

Schulen fordern professionelle Unterstützung

Schulen befürworten technische Standards auch in Form zentraler Lösungen. So das Ergebnis einer Umfrage, welche die Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) gemeinsam mit dem Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib) unter den staatlichen allgemeinbildenden Schulen der Freien und Hansestadt durchgeführt hatte. Standardisierte Angebote können die Auswahl, Nutzung und Bereitstellung der Technik wesentlich erleichtern. Voraussetzung ist, dass sie mit einem konkreten Mehrwert, etwa Verbesserungen im IT-Betrieb und -Support, verbunden sind. Denn die IT-Infrastruktur der Schulen ist teilweise bereits so komplex, dass Administrationsaufgaben nicht mehr alleine bewältigt werden können.
Die Hamburger Schulen sprachen sich in der Umfrage unter anderem für zentrale Schul-Server-Lösungen mit einfachen pädagogischen Oberflächen oder die Nutzung von Lern-Management-Systemen aus. An Grundschulen, wo technikaffine Lehrkräfte seltener anzutreffen sind, wird außerdem die Bereitstellung einer speziell zugeschnittenen Lern-Software gewünscht, welche von der Schulbehörde um Support- und Fortbildungsangebote ergänzt wird. In Hamburg fasst man die Ergebnisse der Schulbefragung als Auftrag an den Schulträger auf, eine Strategie für den Aufbau effektiver IT-Services für Schulen zu entwickeln. Zwar werde dies vor dem Hintergrund zunehmend knapper finanzieller und personeller Ressourcen erfolgen müssen, sei aber unumgänglich, um die IT-Investitionen in den Schulen zu etablieren, so Astrid Krüger, die bei der Hamburger Schulbehörde das Projekt „Aufbau Kundenzentrum Schul-IT“ betreut.

Prozessorientierung bietet Vorteile

Eine neue, nämlich prozessorientierte Herangehensweise an die IT-Modernisierung des Bildungssektors empfiehlt Holger Heubner, Manager Local Government/Education bei HP Enterprise Services. Die Prozessorientierung lege das fachliche Fundament für die Frage, welche IT-Unterstützung für die Durchführung schulischer Prozesse jeweils erforderlich ist und welche IT-Infrastruktur dafür benötigt wird. Nur wenn ausgehend von den fachlichen Aufgaben, ihren Besonderheiten und Zielen über die IT-Anforderungen von Schulen nachgedacht werde, sei eine angemessene, anforderungsgerechte und wirtschaftliche IT-Unterstützung erreichbar. „Technikgetriebene Überlegungen zur Art und Weise der IT-Unterstützung von Schulen erzeugen oftmals hochgerüstete Rechnerausstattungen und bunte Applikationsportfolios, aber nicht zwingend eine optimale Unterstützung der handelnden Akteure“, meint Heubner.
Die Betrachtung aus Prozessperspektive biete zudem den Vorteil, dass eine Diskussion über die Zuständigkeitsverteilung für Bildung auf Bund, Länder und Kommunen vermieden werden kann, indem die Organisationssicht zunächst ausgeblendet wird. Darüber hinaus ermöglicht eine prozessorientierte IT-Modernisierung eine integrierte Betrachtung der pädagogischen Kern- und Steuerungsprozesse, wodurch Risiken wie die unzureichende Interoperabilität von Systemen, inkonsistente Informationen, Medienbrüche oder mangelnde Qualität von Prozessergebnissen ausgeschaltet werden können. „Im Bildungssektor sollte daher auf technikgetriebene und isolierte Betrachtungen verzichtet werden“, meint Holger Heubner.

Hardware bevorzugt

Viele Schulträger investieren allerdings immer noch bevorzugt in die Ausstattung mit Hardware und Betriebssystemen, während Investitionen in IT-Services oder standardisierte Fachverfahren für die unterrichtliche IT-Nutzung weitgehend unberücksichtigt bleiben. Ob die Wunschvorstellungen von der Schule der Zukunft auf diesem Wege in Erfüllung gehen, ist fraglich.





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