Wiesbaden / MACHÖkosystem mit offenen Standards

Im Gespräch: Maral Koohestanian und Sören Knörr.
(Bildquelle: K21 media GmbH)
Frau Koohestanian, Herr Knörr, wir sprechen auf dem Kongress Innovatives Management in einer besonderen Kulisse: dem ehemaligen Bundestag in Bonn. Mit Blick auf die neue Bundesregierung: Welche Erwartungen haben Sie hinsichtlich der Verwaltungsdigitalisierung?
Maral Koohestanian: Für uns als Kommune ist entscheidend, dass auf Bundesebene anerkannt wird: Bürgerinnen und Bürger erleben den Staat zuerst auf kommunaler Ebene. Hier entscheidet sich, ob staatliches Handeln funktioniert oder nicht. Deshalb brauchen wir dringend eine Stärkung unserer Handlungsfähigkeit – nicht nur durch klare Zuständigkeiten, sondern auch durch ausreichende Mittel. Es kann nicht sein, dass der Bund oder die Länder uns Aufgaben übertragen, ohne für deren Finanzierung zu sorgen. Fördermittel müssen einfacher zugänglich sein, ohne einen bürokratischen Aufwand zu erzeugen, der uns lähmt. Wir brauchen praxisnahe, flexible Instrumente, die es uns ermöglichen, die Digitalisierung dort umzusetzen, wo es für unsere Stadt am sinnvollsten ist.
Das Onlinezugangsgesetz (OZG) sollte die Digitalisierung entscheidend voranbringen – ein Projekt mit vielen Ambitionen, aber gemischter Bilanz.
Koohestanian: Ja, das OZG hat eine Grundlage geschaffen. Aber es hat an Verbindlichkeit gefehlt. Die Kommunen sind mit sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in das Projekt gestartet, was Standards, Software und Ressourcen betrifft. Ein verpflichtender Rahmen allein reicht nicht aus. Die Umsetzung braucht Unterstützung und Koordination sowie realistische Ziele. Es gibt gute Beispiele, wie das i-Kfz-Verfahren. Aber vieles blieb Stückwerk. Die Folge: Leistungen wurden begonnen, dann aber wieder eingestellt.
Sören Knörr: Ich sehe das ganz ähnlich. Die initiale Phase des OZG hat für viel Bewegung im Bereich der Digitalisierung gesorgt. Es wurde viel gestartet, doch die nachhaltige Umsetzung blieb oft aus. Häufig wurde die Digitalisierung nur bis zur Antragstellung gedacht.
Mit dem neuen Digitalministerium weht ein frischer Wind. Was erhoffen Sie sich konkret?
Koohestanian: Das Ministerium ist ein großer Schritt. Es muss jedoch auch mit Kompetenz, Budget und Durchsetzungsrecht ausgestattet werden. Es darf nicht an den Strukturen anderer Ressorts scheitern. Wir brauchen endlich verbindliche Standards – und zwar bund-, länder- und kommunenübergreifend. Momentan haben wir einen Flickenteppich inkompatibler Lösungen. Jetzt ist die Gelegenheit, das zu ändern – auch, weil wir uns in vielen Bereichen noch auf der grünen Wiese bewegen.
Knörr: Dem neuen Digitalministerium kommt eine sehr hohe Bedeutung zu. Es ist unumgänglich, dass sich das neue Bundesministerium intensiv mit den Anforderungen der Kommunen beschäftigt. Zentrale Entwicklungen, die dann an die nächsten Verwaltungsebenen durchgereicht werden, sind nicht der richtige Ansatz. Die Lösungen müssen praktikabel sein, vor allem im Zusammenspiel mit dem bestehenden Softwaremarkt, auf dem es bereits viele bewährte Fachanwendungen gibt.
„Eine offene, interoperable Datenplattform ist der Schlüssel zu einer resilienten und innovativen Verwaltung.“
Lassen Sie uns über Technologien sprechen. Wie schätzen Sie das Potenzial von KI in der öffentlichen Verwaltung ein?
Koohestanian: Ich denke, aktuell arbeiten wir noch mehr mit Algorithmen als mit echter KI. Verantwortlicher KI-Einsatz setzt voraus, dass Daten qualitativ hochwertig, strukturiert und bewusst eingesetzt werden – das fehlt vielerorts noch. Gleichzeitig birgt KI ein enormes Potenzial, gerade angesichts des Fachkräftemangels. Chatbots, die verständlich kommunizieren – auch für Menschen mit sprachlichen oder kognitiven Barrieren –, wären ein echter Mehrwert. Auch intern kann KI helfen, etwa bei der Analyse veralteter oder verteilter Datensätze, beim Hochwasserschutz oder in der Bürgerkommunikation.
Knörr: Aus Unternehmenssicht sind zwei Dinge wichtig: Erstens, was hilft den Bürgerinnen und Bürgern unmittelbar? Zweitens, was entlastet die Verwaltung intern? Wir arbeiten beispielsweise an KI-Modulen, die automatisch erkennen, ob hochgeladene Dokumente den Vorgaben entsprechen. Solche Prüfungen können die Mitarbeitenden in ihrer Arbeit entlasten. In Zukunft könnten viele Prozesse sprachbasiert ablaufen. Anstatt ein Formular auszufüllen, sagen Sie beispielsweise: „Ich habe einen Hund und möchte diesen zur Hundesteuer anmelden“, worauf das System reagiert und den Antragstellenden durch den Prozess leitet.
Die Stadt Wiesbaden ist für das Engagement im Bereich Open Source und Open Data bekannt. Wie wichtig sind offene Standards?
Koohestanian: Extrem wichtig – im Sinne der digitalen Souveränität. Unsere Daten müssen intern und extern nutzbar sein, und zwar für Verwaltung, Wirtschaft, Start-ups, Forschung und Bürger. Eine offene, interoperable Datenplattform ist der Schlüssel zu einer resilienten und innovativen Verwaltung.
Knörr: Interoperabilität ist auch für uns als Anbieter von zentraler Bedeutung. Offene und standardisierte Schnittstellen sind entscheidend, denn nur so lassen sich bestehende und neue Systeme sinnvoll verbinden. Was wir nicht brauchen, sind zentrale Einer-für-Alle-Dienste des Bundes, die an der Realität der Kommunen vorbeigehen. Der Bund sollte verbindliche Leitplanken vorgeben, die detaillierte Umsetzung jedoch den Unternehmen mit entsprechender Expertise überlassen.
Kommen wir noch zum Softwaremarkt, Herr Knörr: Die MACH AG wächst stark durch Zukäufe. Was ist die Strategie dahinter?
Knörr: Der Markt konsolidiert sich und wir sind ein aktiver Teil davon. Gute Software kann nur durch viele Nutzende erreicht werden. Investitionsbedarfe in beispielsweise KI oder Cloud sind hoch. Daher werden nur die Großen erfolgreiche und zukunftsfähige Lösungen anbieten können. MACH wird dazu gehören und ist schon jetzt der größte reine GovTech-Anbieter in Deutschland. Diese Position bauen wir weiter aus.
Was bedeutet das für bestehende Produkte und Kunden?
Knörr: Wir waren innerhalb der MACH Gruppe mit der MACH Finanzplus, der mps public solutions und der MACH ProForms drei Schwesterunternehmen, die alle seit über 25 Jahren ihren Fokus auf Lösungen für die Kommunalverwaltungen haben. Nun sind wir den konsequenten Schritt gegangen und haben diese Unternehmen in der MACH zusammengeführt. Wir etablieren innerhalb von MACH einen Geschäftsbereich für Kommunalkunden und bündeln dort unsere Kräfte. Bestehende Lösungen bleiben erhalten, werden weiterentwickelt und enger verzahnt.
Früher war oft von einer „kommunalen Gesamtlösung“ die Rede. Ist das noch aktuell?
Knörr: Eine einzelne Suite wird es so nicht geben. Dafür sind die kommunalen Anforderungen zu heterogen. Was wir aber schaffen können, ist ein Ökosystem mit offenen Standards und Schnittstellen.
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