Freitag, 21. November 2025

IT-InnovatorGelegentlich auch Missionar

[07.05.2015] Bürgerfreundlich organisiert und mit wenig Aufwand verbunden – so sollte Verwaltung laut Frankfurts Stadtrat Jan Schneider funktionieren. Der für IT und Bürgerservice zuständige Reformdezernent setzt diese Mission aufmerksam und mit diplomatischem Geschick um.
Politik und Technik begeistern Jan Schneider.

Politik und Technik begeistern Jan Schneider.

(Bildquelle: Privat)

Eigentlich wollte er Pilot werden. Für Überflug sorgt er jetzt aber in einem ganz anderen Bereich: Als Reformdezernent ist Stadtrat Jan Schneider unter anderem zuständig für den Bürgerservice und die IT in Frankfurt am Main. „Nachdem ich also meine technische Neigung nicht als Pilot zum Beruf machen konnte, habe ich mich meiner Begeisterung für Politik gewidmet und Jura studiert.“ Die Arbeit in der Kanzlei fand Schneider dann aber unbefriedigend. Deshalb absolvierte er ein zweijähriges Trainee-Programm im hessischen Innenministerium – und hat sich dann bewusst für die Arbeit in der Verwaltung entschieden. „Weil ich dort eine vielseitigere Verantwortung trage“, begründet er. Und so wurde er mit 32 Jahren zum Reformdezernenten der Stadt Frankfurt am Main berufen. Mit dem Thema E-Government kam Schneider im Innenministerium zwar hin und wieder in Berührung. Intensiv befasst er sich damit aber erst, seit er im November 2013 als Stadtrat und Reformdezernent dafür zuständig wurde. „Das Thema passt gut in den Bereich eines Reformdezernenten“, findet Schneider. „Meine Aufgabe ist es, in der gesamten Verwaltung nach Möglichkeiten zu suchen, wie sie effizienter, bürgerfreundlicher und wirtschaftlicher organisiert werden kann. Und dabei kommt man um E-Government gar nicht herum. Auch deshalb, weil sich viele Reformen erst dann umsetzen lassen, wenn die IT funktioniert.“

Persönliche Feldforschung

Die Frankfurter Stabsstelle E-Government gibt es bereits seit Längerem. Jan Schneider aber ist der erste Dezernent, der über verstetigte Mittel für die Stabsstelle verfügt. „Nur so darf ein Projekt, das mehrere Jahre in Anspruch nimmt, aus Haushaltsgründen aufgesetzt werden. Und E-Government-Projekte brauchen ihre Zeit.“ Für Schneider ist nicht nur interessant, was die Verwaltung aus Bürgersicht verbessert. Er sucht ebenso nach Möglichkeiten, die Arbeitsweisen für die Verwaltungsmitarbeiter zu optimieren – und gegebenenfalls somit die Verwaltung günstiger zu organisieren. Um diese Ziele zu erreichen, geht er auch privat mit offenen Augen durch die Stadt. „Immer wieder fallen mir Dinge auf, die besser gemacht werden können. Nehmen wir etwa die Kfz-Zulassung. Früher musste man einen Tag Urlaub nehmen, stand dann morgens um sieben bei der Zulassungsstelle, zog eine Nummer und wenn man Glück hatte, war man um 14 Uhr fertig – vorausgesetzt, man wurde nicht wieder weggeschickt, weil die mitgebrachten Unterlagen unvollständig waren.“ Vor Kurzem sei er nun selbst Kunde in der Zulassungsstelle gewesen. „Ich sagte am Empfang, wann ich meinen Termin habe. Die Mitarbeiterin wusste sogleich meinen Namen und schickte mich direkt zu ihrem Kollegen am Schalter. Zehn Minuten später war die Sache erledigt. So muss Verwaltung funktionieren – bürgerfreundlich organisiert und mit kleinem Aufwand.“ Schneider ist sich bewusst, dass das nicht in allen Verwaltungsbereichen so einfach zu organisieren ist. „Aber Verwaltung sollte den Anspruch haben, dass sie mindestens so gut sein kann wie die freie Wirtschaft. Vor allem in den Bereichen, wo die Behörde als Dienstleister auftritt.“

Die Notwendigkeit von E-Government und IT

Frankfurt ist eine wachsende Stadt. 15.000 Bürger sind im vergangenen Jahr zugezogen. Die Verwaltungsaufgaben nehmen zu, nicht aber die Anzahl der Mitarbeiter. Denn gleichzeitig muss der Haushalt konsolidiert werden. „E-Government baut keine Arbeitsplätze ab, wie man es mit Blick auf die IT in der freien Wirtschaft befürchtet“, erklärt Schneider deshalb den Mitarbeitern. „E-Government und IT sind stattdessen eine Notwendigkeit. Denn nur wenn sich die Arbeitsweisen verändern, können Verwaltungsmitarbeiter die neuen Herausforderungen stemmen. Und solange der PC nicht mehr als eine digitale Schreibmaschine ist, bleiben die Abläufe mit all ihren Medienbrüchen anachronistisch.“ Damit Verwaltung zukunftsfähig ist, braucht sie aus Schneiders Sicht ein klug eingerichtetes Dokumenten-Management-System (DMS) und eine elektronische Aktenführung. Nicht zuletzt, weil in den kommenden zehn Jahren ein Großteil der erfahrenen Mitarbeiter in den Ruhestand gehen. „Früher hat der Stelleninhaber seinen Nachfolger eingearbeitet. Heute sind Stellen oft eine Zeit lang vakant und werden gegebenenfalls von Mitarbeitern besetzt, die aus einem ganz anderen Bereich kommen. Bereits erarbeitetes Wissen muss deshalb in elektronischer Form erhalten bleiben, damit es einfach weitergegeben werden kann.“ Damit verwaltungsinterne Stellenwechsel besser zu realisieren sind, setzt der Frankfurter Reformdezernent auf eine möglichst einheitliche Lösung für die ganze Stadt. „Dann haben wir auch den Support aus einer Hand.“ Ein solches System sollte an zentraler Stelle etabliert werden. Dafür zeichnet die Stabsstelle E-Government verantwortlich. „Andernfalls nehmen das die einzelnen Verwaltungsbereiche wieder selbst in die Hand und ein Software-Flickenteppich entsteht. Dass das nicht besonders effizient ist, können wir an der derzeit heterogenen Server-Struktur Frankfurts sehen.“ Diese sei ein Ergebnis der Magistratsverfassung in Hessen. „Während in der süddeutschen Bürgermeisterverfassung der Bürgermeister verwaltungsübergreifende Anordnungen geben kann, kann in Hessen jeder Stadtrat oder Dezernent für seinen Bereich selbst entscheiden.“ Um eine einheitliche Lösung zu realisieren, gleiche Schneiders Arbeit deshalb oft einer diplomatischen Mission, in der er die verschiedenen Verantwortlichen von einer Lösung zu überzeugen versucht – und das mit Erfolg: Die Server-Konsolidierung hat in der Mainmetropole wieder eingesetzt. „Dabei wird die Stadt auch energieeffizienter, wenn die aktuell 1.400 über Frankfurt verteilten Server in einem modernen und effizient gekühlten Rechenzentrum komprimiert werden.“

Halbprivate Facebook-Nutzung

Bei der Präsentation nach außen geht Frankfurt ebenfalls mit der Zeit. „Das Image der Stadt prägen wir vor allem über Facebook und Twitter. Dort posten wir etwa Fotos, Geschichten über die Stadtteile oder Geschichten über interessante Menschen, die in der Mainmetropole leben. Und die Resonanz ist gut. Wir erreichen damit eine ganz andere Zielgruppe als mit den herkömmlichen Kanälen.“ Früher hat sich Schneider gegen Facebook und Co. gewehrt. „Ich habe immer gesagt, ich brauche das nicht, ich habe im echten Leben Freunde genug. Als ich dann aber in den Landtag kam, musste ich feststellen, dass die allein über Pressemitteilungen erreichte Wahrnehmung recht überschaubar ist.“ Seither nutzt der Reformdezernent Facebook halbprivat. „Ich veröffentliche dort Presseartikel, kommentiere Dinge oder berichte von einer Veranstaltung. Der Privatmann Jan Schneider steht dabei aber nicht im Vordergrund.“ Trotzdem veröffentlicht er dort hin und wieder ein privates Foto – etwa wie er mit dem Motorrad auf der Rennstrecke unterwegs ist. „Weil es die Bürger interessiert, was Politiker außerhalb ihres Büros machen“, sagt er. „Und Motorradfahren ist mein Ausgleich – wenngleich ich leider nicht so oft dazu komme, wie ich gerne würde. Doch auf dem Motorrad bekomme ich den Kopf frei. Denn da konzentriere ich mich garantiert auf nur eine Sache: die Rennstrecke.“ Auf den Boden der Tatsachen bringen ihn zu Hause dann seine Frau und zwei kleine Töchter zurück. „Von ihnen würde ich aber kein Bild auf Facebook posten“, betont er. „Ebenso wenig, wie ich ein Bild vom Weihnachtsessen in dem sozialen Netzwerk verbreiten würde. An der Haustür verläuft für mich die Grenze.“ Dass ihn das Thema E-Government auch in zehn Jahren noch beschäftigen wird, kann sich Jan Schneider gut vorstellen – egal in welcher Position er dann sein wird. „IT und E-Government werden für die Stadt wichtig bleiben. Auch meine Magistratskollegen kommen um das Thema nicht herum. Es ist einfach zu wichtig für die tägliche Arbeit.“

Verena Barth




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