JenaÜber IT hinausdenken

Jena: Digitalisierungsstrategie als Innovationsprogramm.
(Bildquelle: Peter Schmidt/pixelio.de)
Im Jahr 2005 gliederte die Stadtverwaltung Jena ihre IT-Abteilung in einen Eigenbetrieb aus. Aus einem integrierten IT-Bereich wurde ein externer Dienstleister mit entsprechenden Dienstleistungsverträgen. Die Auftraggeberrolle wurde durch einen IT-Koordinator besetzt, welcher die Einhaltung der Verträge überwachte und die Anforderungen der einzelnen Fachbereiche und Ämter an den Dienstleister prüfte und weiterreichte. Erst sieben Jahre später wurde die Festlegung getroffen, die Auftraggeberrolle und vor allem die Rolle der Strategieentwicklung zu stärken. Im Februar 2013 nahm das Team IT-Strategie und E-Government, angegliedert im Bereich des Oberbürgermeisters, seine Arbeit auf. Der Team-Leiter bekam die Rolle des CIO zugeordnet und hatte damit neben dem Auftrag auch die Legitimation, eine Gesamtstrategie zu entwerfen und durchzusetzen. Warum benötigt eine Stadtverwaltung eine IT-Strategie? Diese Frage scheint legitim zu sein, beinhaltet jedoch mindestens zwei Missverständnisse. Die Durchdringung unserer Lebenswelt mit digitalen Systemen, vom Smartphone bis zur intelligenten Gebäudeleittechnik, vom selbstfahrenden Auto bis zum Bürgerserviceportal, lässt die Grenzen der einzelnen Handlungsfelder, hier Stadt, Wohnung, Unternehmen, dort Verwaltung, Schule und Bürgerbüro, verwischen. Die Digitalisierung verbindet Systeme und Geschäftsprozesse. Es geht schon lange nicht mehr um den Einsatz von Informationstechnologie zur Verbesserung der Prozessausführung. Digitalisierung verändert Prozesse nachhaltig, generiert völlig neue Abläufe und schafft neue Bedingungen für die Nachvollziehbarkeit behördlicher Vorgänge und die Transparenz von Verwaltung. Eine IT-Strategie mutiert zur Digitalisierungsstrategie. Die Digitalisierungsstrategie umfasst die gesamte Stadt, von der die Verwaltung nur ein Teil ist. Sie beschreibt Aufgaben und Zielstellungen für die Ausgestaltung und Umsetzung der Digitalisierungsprozesse im Verwaltungshandeln und in der täglichen Lebenswelt von Bürgern und Unternehmen.
Druck auf die Verwaltung wächst
Eine Grundfrage ist, wie viel Spielraum eine Stadt und eine Stadtverwaltung für die digitale Ausgestaltung von Prozessen in ihrer Organisation tatsächlich besitzen und welche Abläufe bereits durch omnipräsente Verwaltungsvorschriften hinlänglich beschrieben sind. Verwaltungsvorschriften beschreiben formalisierbare Prozesse. Sie sind ein Regelwerk für bekannte und beschreibbare Vorgänge. Bei näherer Betrachtung wird man allerdings feststellen, dass diese nur einen Teil des Verwaltungshandelns ausmachen. Wie in jeder Organisation wird ein nicht geringer Teil der Arbeit von informellen Prozessen bestimmt. Team-Arbeit, Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, partizipative Prozesse mit Bürgern und Unternehmen, Schulung und Weiterbildung sind nur in Ansätzen oder gar nicht in Verwaltungsvorschriften beschrieben. In den vergangenen 20 Jahren war der Einsatz von Informationstechnologie wesentlich von der Kenngröße Effizienzgewinn geprägt. Spätestens seit der zweiten Dekade dieses Jahrhunderts, verbunden mit dem Siegeszug von E-Commerce und Smartphone, wächst die Erwartungshaltung der Bürger und Unternehmen an die Verwaltung: Sie soll eine aus der Perspektive unterschiedlichster digitaler Services betrachtete, vergleichbare Qualität bieten. Der Druck auf die Verwaltung wächst – nicht nur wegen des zunehmenden Aufwandes für die Erbringung der Dienstleistungen. Themen wie die Online-Vergabe von Kita-Plätzen, der mobile Zugriff auf urbane Mobilitätsdaten, CityWLAN oder Transparenz erzeugen ebenfalls Druck auf die Digitalisierung und das Innovationsverhalten der Verwaltung.
Jena wird digital
Etwas altmodisch heißt das Jenaer Konzept „Entwicklung der Informationstechnologie der Stadt Jena 2015-2025“. Es beinhaltet 16 Leitlinien für diese Entwicklungsprozesse. So heißt es darin zum Beispiel: „Die Stadt Jena betrachtet Bürger und Unternehmen als Partner und pflegt einen kooperativen und fairen Kommunikationsstil. Dies schließt die Nutzung interaktiver Kommunikationskanäle gleichermaßen ein wie den diskriminierungsfreien Zugang zu Informationen für alle Bürger, Print-, TV- und Online-Medien sowie deren Vertreter. Die Stadt Jena entwickelt ein Instrumentarium zur Online-Beteiligung von Bürgern und Kindern und Jugendlichen zu wichtigen kommunalpolitischen Fragen.“ Deutlich wird, dass es im Rahmen der Digitalisierung immer schwieriger wird, Form und Inhalt zu trennen. In einer weiteren Leitlinie heißt es: „Alle künftigen Systeme (Internet-Portale, Plattformen, Social-Media-Angebote) werden so konzipiert und umgesetzt, dass sie den Anforderungen aus der Nutzung mobiler Endgeräte gerecht werden.“ Auch hier geht es nicht nur um eine rein technische Vorgabe, sondern um die Analyse und Verbesserung praktisch aller Prozesse hinsichtlich ihrer Digitalisierung und Mobilisierung. Die enge Verzahnung von Stadt, Stadtverwaltung und Industrie machen die Leitlinien ebenfalls deutlich: „Die Stadt Jena fördert in enger Kooperation mit den Hochschulen und den Branchenorganisationen sowie führenden Unternehmen die IT-Industrie durch gezieltes Standortmarketing. Das Potenzial der IT-Industrie wird gezielt für die Umsetzung von IT-Vorhaben genutzt.“ Diese Leitlinie zeigt, dass die Entwicklung der Digitalisierungsstrategie einer Stadt nicht losgelöst von den speziellen Infrastrukturbedingungen betrachtet werden kann. Jena ist eine wachsende Stadt, hat jedoch in den heutigen Stadtgrenzen nur bedingt Wachstumsmöglichkeiten. Die Kommune wird deshalb von der digitalen Transformation profitieren, da mit der Digitalisierung die Wertschöpfung in der Industrie mit geringerem Ressourceneinsatz erhöht werden kann. Dies kann ein wichtiger Standortfaktor werden. Mit schon heute 5.000 Arbeitsplätzen in der Digitalindustrie ist bereits eine gute Grundlage geschaffen. Fazit: Die IT-Strategie einer Stadt ist ein durch die Digitalisierungsbrille gesehenes Innovationsprogramm, das vor keinem Bereich, keinem Arbeitsplatz und keinem Arbeitsprozess Halt macht. Vor allem aber ist sie eine Klammer für interdisziplinäres Handeln in der Verwaltung.
Dieser Beitrag ist in der März-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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