Sonntag, 15. Juni 2025

Serie OZGMitgestaltung erwünscht

[07.11.2019] In den Digitalisierungslaboren entstehen Blaupausen von digitalen Lösungen für besonders häufig genutzte Verwaltungsverfahren. In Kiel fand Anfang Oktober das zweite Treffen des Labors Bürgerbeteiligung statt. Ein Werkstattbericht.
Digitalisierungslabor: Prototyp für Bürgerbeteiligung in der Entwicklung.

Digitalisierungslabor: Prototyp für Bürgerbeteiligung in der Entwicklung.

(Bildquelle: Helmut Merschmann)

Der eine möchte neue Bänke im Stadtteil aufstellen, damit ältere Menschen sich darauf ausruhen können. Andere stören sich daran, dass sie nicht am Ufer des Sees flanieren können, weil die Privatgrundstücke bis ans Wasser reichen. Wieder andere wollen sich für eine Lärmschutzwand einsetzen, die den Geräuschpegel der nahen Bundesstraße senken würde. Immer häufiger setzen sich Bürger für die Belange ein, die sie unmittelbar betreffen. Doch oftmals wissen sie nicht, an wen sie sich in welcher Form zu wenden haben.
Reicht ein Einwohnerantrag oder der Besuch einer Bürgersprechstunde? Sind ein Bürgerbegehren oder ein Bürgerentscheid opportun? Und welche Tragweite haben Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid? All diese Beteiligungsverfahren stehen Bürgern als formelle Instrumente der direkten Demokratie zur Verfügung. Sie sind gleichsam reguläre Verwaltungsverfahren und sollen nun im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) digitalisiert werden. Insgesamt sind derzeit knapp 40 Digitalisierungsprogramme in 14 Themenfeldern aktiv, die je ein Bundesland federführend begleitet.

Arbeiten nach der Design-Sprint-Methode

Das Digitalisierungslabor Bürgerbeteiligung steht unter der Federführung Schleswig-Holsteins und der kommunalen Spitzenverbände und ist Mitte August mit einem Kick-off-Treffen gestartet. Darin vertreten sind Mitarbeiter der Städte Hannover und Falkensee, zwei Experten des IT-Dienstleisters Dataport, zwei Vertreter des schleswig-holsteinischen Digitalministeriums, ein Mitarbeiter von Höhn Consulting und vier Mitarbeiter des Beratungsunternehmens init, das als Dienstleister des Bundesinnenministeriums die Konzeption und Durchführung des Digitalisierungslabors verantwortet. Nicht zu vergessen: Auch normale Nutzer sind in die Labore eingebunden – sie bringen die Bürgerperspektive ein.
Ziel ist es, bis 2022 ein Online-Portal für Bürgerbeteiligung einzurichten. Auf diesem soll es möglich sein, sich grundsätzlich über die verschiedenen Beteiligungsverfahren zu informieren und die erfolgversprechendste Form für das eigene Anliegen zu ermitteln. Für die Arbeit im Digitalisierungslabor greift init auf die Design-Sprint-Methode zurück. Diese ist von Google bei der Zusammenarbeit mit Start-up-Firmen entwickelt worden und sieht einen Prozess vor, der Input und Feedback von Usern und Experten gleichermaßen berücksichtigt.

Am Anfang steht die Nutzerbefragung

Nutzerorientierung wird in allen Digitalisierungslaboren großgeschrieben. Beim Labor Bürgerbeteiligung sind bereits in der Recherchephase elf Nutzer in Form von Interviews befragt worden. Gleichzeitig wurden sieben Experten interviewt. Die Ergebnisse der ersten Fragerunde fielen ziemlich deutlich aus: Die verschiedenen Beteiligungsverfahren tragen in den Bundesländern teils unterschiedliche Namen, was zu Verwirrung führt. Zudem herrscht eine große Unsicherheit über die zuständigen Vollzugsbehörden, das notwendige Quorum, über die Fristen für Unterschriften und die Dauer der Zulässigkeitsprüfung. Online liegt bislang kein einziges Beteiligungsverfahren vor. Ohnehin gibt es im Netz nur verstreute und unvollständige Informationen. Darüber hinaus scheitern viele Verfahren an unzureichender Aufmerksamkeit, unrealistischen Quorumsforderungen oder daran, dass sich die Initiatoren an die falsche Behörde gewendet haben. „Die eineinhalbstündigen Interviews sind die Basis für das gesamte weitere Vorgehen. Wir setzen dann bei den Problemen an, die uns die Nutzerinnen und Nutzer genannt haben und entwickeln daraus Schwerpunkte für die Umsetzung“, sagt Michaela Führer, strategische Beraterin bei init, und ergänzt: „Alles bringt uns voran. Nutzerzentrierung heißt ja, das gesamte Feedback der Nutzer zu analysieren. Die Ergebnisse sollen später von allen Bürgerinnen und Bürgern genutzt werden können und müssen dementsprechend verschiedenen Bedürfnissen genügen.“
Auf Basis der Umfrageresultate warfen die Berater im nächsten Schritt einen Blick auf die technischen Erfordernisse sowie die rechtliche Situation, bevor beim Kick-off-Treffen konkret festgelegt wurde, welche Leistungen im Design Sprint behandelt werden sollen. Da es bundesweit die meisten Fallzahlen beim Bürgerbegehren gibt, war die Entscheidung, zunächst dieses Beteiligungsverfahren digital umzusetzen, schnell getroffen. Beim anschließenden ersten Design Sprint ging es dann an die konkrete Umsetzung. Ein Storyboard für den ersten Klickdummy entstand, der den Ablauf auf einer späteren digitalen Portallösung nachbildet beziehungsweise vorwegnimmt.

Gesetzesänderungen notwendig?

Bei Beteiligungsverfahren ist eine Zulässigkeitsprüfung durch die Verwaltung gesetzlich vorgeschrieben. Infolgedessen muss ein Klickdummy alle notwendigen Angaben abfragen, um ein Bürgeranliegen bearbeiten zu können: Name und Alter des Antragstellers, eine Einordnung des Anliegens in vorgegebene Themenbereiche und vorhandene verwandte Beteiligungen. Auf diese Weise sollen die Art des Beteiligungsverfahrens und seine formalen Anforderungen herausgefunden werden – etwa wie viele Mitzeichner für den erfolgreichen Ausgang notwendig sind. Nicht zuletzt soll auch sichergestellt werden, dass das Anliegen bei der richtigen Behördenstelle landet. In Nutzertests stellte sich zudem heraus, dass Transparenz durch eine Fortschrittsanzeige gewünscht ist.
Ein weiterer Punkt könnte sich als hohe Hürde für ein Beteiligungsverfahren erweisen: Dem Antragsteller wird gesetzlich auferlegt, eine Kostenschätzung vorzunehmen. Was im Fall von drei Parkbänken vielleicht noch möglich ist, dürfte bei Schallschutzwänden oder Umgehungsstraßen sicherlich die Kompetenz der Bürger übersteigen. Dies ist eine typische Aufgabe für den nächsten Consulting-Schritt, der sich an den Design Sprint anschließt: zu klären, ob durch die Digitalisierung von Verwaltungsverfahren auch Gesetzesänderungen notwendig werden. Der Normenkontrollrat hatte schon vor Inkrafttreten des OZG angedeutet, dass digitale Prozesse Änderungen selbst in Artikelgesetzen notwendig machen. Im vorliegenden Fall stellt sich daher die Frage, ob eine Kostenschätzung nicht seriöser von der Verwaltung innerhalb eines definierten Zeitraums vorgenommen werden sollte. In einigen Bundesländern ist dies schon vorgesehen.

Ich möchte mitgestalten

Der Ablauf eines Digitalisierungslabors sieht einen ständigen Wechsel zwischen Design-Sprint-Phasen, Consulting-Prozessen und Nutzertests vor. Jedes Mal fließen neue Anforderungen in den Prozess ein, bis am Ende ein Prototyp steht. Ob im Fall der Beteiligungsverfahren später eine zentrale Plattform entsteht, oder ob das schleswig-holsteinische Produkt im Sinne der Nachnutzung anderen Bundesländern zu Verfügung gestellt wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch ungewiss. Klar ist indes schon, dass der Slogan „Ich möchte mitgestalten“ ganz oben auf der Website prangen und zur Bürgerbeteiligung einladen soll.

Helmut Merschmann




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: E-Partizipation
Hand hält Smartphone auf dem das Beteiligungsportal der Stadt Münster zu sehen ist

Münster: Zentrale Beteiligungsplattform gestartet

[11.06.2025] In Münster ist jetzt das Portal „Münster mitgestalten“ gestartet. Dieses bietet eine Übersicht über alle Beteiligungsmöglichkeiten, die von der Stadt angeboten oder mitverantwortet werden – von Präsenzveranstaltungen bis hin zu digitalen Formaten. mehr...

Frau mit Siegel Bewährt vor Ort

Hamburg: Auszeichnung für DIPAS Anwender Community

[05.06.2025] Mit dem Siegel „Bewährt vor Ort“ sollen innovative, erfolgreich erprobte Lösungen aus der kommunalen Praxis sichtbar gemacht und ihre Verbreitung gefördert werden. Zu den in diesem Jahr ausgezeichneten Projekten zählt unter anderem die DIPAS Anwender Community. mehr...

Screenshot der Bürgerecho-App

Iserlohn: Bürgerecho hat sich etabliert

[03.06.2025] Das vor rund drei Jahren eingeführte Hinweisgeber-System Bürgerecho der Stadt Iserlohn wird von der Bevölkerung rege genutzt: Monatlich gehen über die Internetseite und die App rund 110 Meldungen ein. mehr...

Screenshot der Startseite von ffm.de.

Frankfurt am Main: Neue Richtlinie für Öffentlichkeitsbeteiligung

[14.05.2025] In ihrer neuen Richtlinie für Öffentlichkeitsbeteiligung schreibt die Stadt Frankfurt am Main verbindliche Regeln und Qualitätsstandards für analoge oder digitale Beteiligungsprozesse fest. Die Beteiligungsplattform ffm.de spielt dabei eine zentrale Rolle. mehr...

Screenshot der Startseite von wiesbadenwirkt.de.

Wiesbaden: Neues Beteiligungsportal

[09.05.2025] Aus technischen Gründen ist die Stadt Wiesbaden auf ein neues Bürgerbeteiligungsportal umgestiegen. Die Plattform ist übersichtlicher als ihr Vorgänger. Ihr Design findet bereits in der Öffentlichkeitsarbeit Verwendung. mehr...

Teilnehmer der Böblinger Bürgerwerkstatt folgen einem Vortrag zur Erarbeitung der Leitlinien für Bürgerbeteiligung.

Böblingen: Leitlinien für gute Bürgerbeteiligung

[07.05.2025] In einem rund einjährigen Prozess haben Bürger, Verwaltungsmitarbeiter und Gemeinderatsmitglieder Leitlinien für die Bürgerbeteiligung in der Stadt Böblingen erarbeitet. Sie beziehen sich ausschließlich auf freiwillige, informelle Beteiligungsverfahren und sollen die Bürgerbeteiligung langfristig strukturieren und stärken. mehr...

Screenshot der Startseite von klmitwirkung.de.

Kaiserslautern: KLmitWirkung in neuem Gewand

[28.04.2025] KLmitWirkung, die Beteiligungsplattform der Stadt Kaiserslautern, ist mit frischem Design, neuen Beteiligungsmöglichkeiten und zusätzlichen Funktionen online. Durch den Relaunch sollte sie übersichtlicher und intuitiver in der Bedienung werden. mehr...

Screenshot vom Mängelmelder Pro in Heusenstamm

Heusenstamm: Mängelmelder aufpoliert

[28.04.2025] Die Stadt Heusenstamm setzt jetzt auf den Mängelmelder Pro von Anbieter wer denkt was und will damit nicht nur den Bürgerservice, sondern vor allem die internen Prozesse verbessern. mehr...

Screenshot der Startseite von Frankfurt fragt mich.

Relaunch: Frankfurt fragt mich neu

[24.04.2025] Noch übersichtlicher, transparenter und benutzerfreundlicher soll die digitale Bürgerbeteiligung in Frankfurt am Main werden. Mit diesen Zielen hat die Stadt ihre Partizipationswebsite überarbeitet. Alle informellen Beteiligungsmöglichkeiten sind nun auf einer zentralen Seite zu finden. Auch wurde ein neues Beteiligungssignet eingeführt. mehr...

Saarbrücken: Neuer Mängelmelder im Einsatz

[23.04.2025] Einen neuen Mängelmelder bietet jetzt die Stadt Saarbrücken ihren Bürgerinnen und Bürgern an. Meldoo ersetzt den bisherigen Mängelmelder der saarländischen Landeshauptstadt. mehr...

Screenshot von der Online-Beteiligung zum Parkraumkonzept in Wuppertal. Zu sehen ist die digitale Stadtkarte mit zahlreichen Hinweisen und Ideen.

Wuppertal: Via Crowdmapping zum Parkraumkonzept

[11.03.2025] Mit umfangreicher Bürgerbeteiligung soll ein neues Parkraumkonzept für zwei Wuppertaler Stadtteile erarbeitet werden. Den Auftakt bildet ein digitales Crowdmapping. mehr...

Fünf Personen stehen nebeneinander vor einem Whiteboard, auf dem eine Präsentation zur Entwicklergemeinschaft eingeblendet ist.

Modellprojekte Smart Cities: Werkzeugkasten für Bürgerbeteiligung

[11.03.2025] Einen Werkzeugkasten für die digitale Bürgerbeteiligung wollen die Smart-City-Modellprojekte Bamberg, Hildesheim, Lübeck und Kiel entwickeln. Langfristiges Ziel ist unter anderem ein Beteiligungsökosystem, in dem bereits existierende Partizipationstools per Schnittstellen miteinander verbunden sind. mehr...

Plastikflaschen liegen auf einem Haufen in einem Wald auf dem Boden.

Kaiserslautern: Jetzt mit Mängelmelder

[07.03.2025] Für Schadensmeldungen, Anregungen oder Kritik bietet die Stadt Kaiserslautern jetzt einen Mängelmelder an. Zu finden ist er auf der städtischen Website. Durch das Anklicken von Oberbegriffen wird das Anliegen direkt an die zuständige Stelle in der Verwaltung weitergeleitet. mehr...

Eine Frau im Rollstuhl hält ein Smartphone in der Hand.

Frankfurt am Main: Per Mängelmelder auf Barrieren hinweisen

[03.03.2025] Der digitale Mängelmelder der Stadt Frankfurt am Main ist um die Kategorie Barrierefreiheit erweitert worden. Die Stabsstelle Inklusion nimmt die Hinweise entgegen und leitet sie an die zuständigen Stellen weiter. mehr...

Halle (Saale): Mängelmelder optimiert

[25.02.2025] Mit der optimierten Version ihres Hinweis- und Mängelmelders „Sag’s uns einfach“ will die Stadt Halle (Saale) ihren Bürgerinnen und Bürgern einen noch besseren Draht zur Stadtverwaltung bieten. mehr...