Mittwoch, 18. Juni 2025

InterviewEs muss nicht kompliziert sein

[18.06.2025] Die Registermodernisierung entpuppt sich als neues komplexes Mammutprojekt der Verwaltungsdigitalisierung. Marc Behrens, Software- und IT-Systemarchitekt bei der Kommunalen Datenverarbeitung Oldenburg (KDO), hat einen einfachen Gegenvorschlag: die BundID.

Marc Behrens ist Software- und IT-Systemarchitekt bei der Kommunalen Datenverarbeitung Oldenburg (KDO)

(Bildquelle: Bonnie Bartusch)

Herr Behrens, Sie beschäftigen sich bei der Kommunalen Datenverarbeitung Oldenburg (KDO) auch mit der Umsetzung der Registermodernisierung und sitzen im zuständigen Gremium der Landesregierung Niedersachsen. Wie gut kommt das Projekt voran?

Die Registermodernisierung hat sich aus dem Onlinezugangsgesetz (OZG) entwickelt, als die Idee eines Portalverbunds entstand. Die Idee ist sicher gut: Man will es den Bürgerinnen und Bürgern erleichtern, Verwaltungsleistungen zu nutzen und durchzuführen, indem sie nicht dauernd die gleichen Daten in Formulare eintragen müssen – Daten, welche die Verwaltung längst hat. Sogar länderübergreifende und EU-weite Anfragen und Zugriffe auf Register sollen möglich werden, ohne dass die Bürger jeweils gesonderte Anträge stellen müssen.

Nun sollen zunächst die Verwaltungsregister fit gemacht und mittels eines Verbindungsnetzes, dem National Once Only Technical System (NOOTS), miteinander verknüpft werden…

Das NOOTS befindet sich in der dritten Konsultationsrunde, bei der es noch immer um technische Vorgaben geht. Zusätzlich zum virtuellen Verbindungsnetz als technischer Datenaustauschplattform benötigt man auch ein Fachdatenkonzept, um saubere und eindeutige Daten zu erhalten. Das Problem dabei ist, dass die Daten in den vorhandenen etwa 280 deutschen Verwaltungsregistern unterschiedlich strukturiert vorliegen können. Es können die gleichen Informationen über einen Bürger in verschiedenen Behörden unterschiedlich benannt worden sein. Oder es können strukturelle Unterschiede bestehen, wenn etwa in dem einen Register Straße und Hausnummer in einem Datenfeld gespeichert sind und in dem anderen in zwei separaten Feldern. Das angekündigte Fachdatenkonzept befasst sich mit den daraus resultierenden Angleichungsarbeiten. Während sich der Bund diesen abstrakten Themen widmet, befassen wir uns bei der KDO mit den elementaren Aufgaben und nehmen momentan Kontakt zu den Kommunen auf, um eine Bestandsaufnahme durchzuführen. Da Kommunen die fachliche Verantwortung haben, muss auch geprüft werden, ob die beauftragten Softwarehersteller in der Lage sind, ihre Fachverfahren dahingehend zu homogenisieren.

Wie sieht der Fahrplan aus?

Bis 2028 muss die Identitätsnummer für die ersten Register ausgerollt sein. Das bedeutet, dass in die großen Register wie Meldewesen, Passwesen oder EU-ID zu jedem Datensatz eine Personenkennzahl eingetragen werden muss. Das Bundesinnenministerium hatte von Anfang an auf eine eindeutige Identifikation der Bürger bestanden – trotz aller Datenschutzbedenken wegen der Möglichkeit von Profilbildungen im Sinne des Volkszählungsurteils. Im Registermodernisierungsgesetz von 2023 ist von der „einheitlichen Bürgernummer“ die Rede, die lebenslang gültig und behördenübergreifend verwendbar sein soll. Diese Personenkennzahl ist mit der Steueridentifikationsnummer identisch und kommt direkt aus dem Steuer-ID-Verzeichnis, einer zentralen Datenbank beim Bundesverwaltungsamt. Es ist schon jetzt absehbar, dass auf die Kommunen große Nachbearbeitungsaufwände zukommen, wenn die abgerufenen Daten wegen Tippfehlern oder anders geschriebener Straßennamen zu keinen Treffern führen.

„Die Registermodernisierung ist viel zu aufwendig, technisch überkomplex und in der Umsetzung zu anspruchsvoll.“

Was erfolgt nach der Datenbereinigung?

Wenn die technischen Schnittstellen vorhanden sind und das Datenformat bereitsteht, können die Fachverfahrenshersteller die Komponenten unmittelbar in ihre Verfahren einbauen. Die Herausforderung dabei: Wir kennen unter Umständen die Hersteller gar nicht. Für jeden Regenwurm, den man im Wasser baden möchte, braucht man in Deutschland einen Angelschein. Aber Software für die Verarbeitung hoheitlicher Daten kann jeder schreiben, ohne sich registrieren oder akkreditieren zu müssen. Im Ernst: Wir als KDO kennen natürlich die Fachverfahrenshersteller, mit denen wir zusammenarbeiten. Aber unsere Kommunen betreiben vielleicht Software von Herstellern, die wir nicht kennen, oder gar selbstgestrickte Lösungen. Wenn es nur zwei Fälle pro Jahr im Bereich Gewerbe gibt, schafft sich eine Kommune kein teures Fachverfahren an.

Sie sagen, das Konzept für die Registermodernisierung sei viel zu kompliziert. Wie sähe eine Alternative aus?

Die Registermodernisierung ist typisch deutsch: viel zu aufwendig, technisch überkomplex und in der Umsetzung zu anspruchsvoll. Mein Gegenvorschlag, den ich seit vielen Jahren vertrete und in allen wichtigen Gremien vorgetragen habe, lautet: BundID. Viele Bürgerinnen und Bürger verfügen schon jetzt über eine BundID und ein dazugehöriges Nutzerkonto. Dort könnten alle Bescheide, Dokumente und Nachweise verschlüsselt aufbewahrt werden. Im Laufe eines Lebens füllt sich die BundID immer mehr: Geburtsurkunde, biometrische Fotos, Meldenachweise, Führungszeugnisse, Handelsregisterauszüge, Personenstandsurkunden, Führerschein, Kfz-Unterlagen und vieles mehr. Auch Steuerscheide, Krankenkassenunterlagen, Arbeitgeberbescheinigungen, digitale Rechnungen oder Konten bei Gewerbetreibenden wie eBay oder Amazon lassen sich dort einbinden. Will man nun einen Antrag bei einer Behörde stellen, gibt man einfach die notwendigen Unterlagen frei. Falls welche fehlen, lassen die sich aus der BundID heraus bei den entsprechenden Stellen beantragen.

Dann wäre das Nutzerkonto ein Datenschutz-Cockpit, weil der Bürger immer selbst die Bescheide freigibt und damit einen Überblick hat?

Ja genau, man hat volle Kontrolle über alle Daten und Dokumente. Das Konto der BundID ist sozusagen mein Datenschutzcockpit. Diese einfache und nutzerzentrierte Umsetzung des Once-Only-Prinzips wäre deutlich schneller zu verwirklichen als die jetzt projektierte Registermodernisierung. Es bräuchte kein neu zu errichtendes Verbindungsnetz, keine Datenformatangleichungen, komplexen Schnittstellen und keine Rechtsanpassungen, um den Registerzugriff per Personen-ID zu legitimieren. Denn es bräuchte keine personenbezogene Identifikationsnummer. Alles wäre deutlich einfacher, praktikabler und schneller umsetzbar.

Aber in der BundID liegen die Dokumente doch eher im PDF-Format vor. Was ist mit der Anforderung an Maschinenlesbarkeit?

Das ist tatsächlich eine Herausforderung. Die Daten sollten als maschinenlesbare Daten und nicht als lesbares Dokument gespeichert werden. Wenn diese Dokumente dem Bürger angezeigt werden sollen, dann sind sie entsprechend aufzubereiten. Wenn aber wie bisher die Anzeige auf dem Bildschirm genau dem gleichen muss, was auch auf Papier erstellt werden würde, dann haben wir ein Problem: Wo bekommen wir die ganzen Gemeindewappen und Vorlagen her? Hier wären also rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass einheitliche Anzeigen ohne Berücksichtigung von Besonderheiten der einzelnen Kommunen und Behörden möglich werden. Man kann es aber auch einfacher machen. Die Behörde, welche die Daten herausgibt, erstellt zugleich ein gut lesbares PDF. Der Bürger bekäme in der BundID das PDF zu sehen, die Maschinen arbeiteten im Hintergrund mit den gespeicherten Daten. Pragmatismus ist manchmal besser als Hightech.

Interview: Helmut Merschmann




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