Bad OeynhausenKI automatisiert Prozesse

Interne Vorstellung des neuen KI-basierten Prozesses in Bad Oeynhausen.
v.l.: Julia Kleinert, Team Organisation der Stadt Bad Oeynhausen; Patrick Höwener vom Team Steuern
(Bildquelle: Bad Oeynhausen)
Obwohl die Digitalisierung als Schlüssel zur Modernisierung gilt, zeigt der Alltag in der öffentlichen Verwaltung oft ein anderes Bild: stapelweise unstrukturierte Schreiben, die per Post eintreffen und immer wieder die gleichen Anliegen enthalten. Die mühsame Übertragung analoger Inhalte in digitale Systeme raubt nicht nur wertvolle Zeit, sondern führt auch zu Frustration bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dabei kann die Bearbeitung von Anträgen oder Widersprüchen durch Automatisierung wesentlich effizienter gestaltet werden.
Angesichts einer drohenden Flut von Widersprüchen im Rahmen der Grundsteuerreform haben Mitarbeitende aus den Teams Steuern, eGovernment und IT der Stadt Bad Oeynhausen einen Prozess entwickelt, um Daten aus unstrukturierten Schreiben automatisiert zu erfassen. Die neue Lösung basiert auf der KI-Prozessautomatisierung EMMA des Anbieters Wianco OTT Robotics, kombiniert mit einem lokal betriebenen Large Language Model (LLM). Der Prozess läuft dabei wie folgt ab: Zunächst werden eingehende Widersprüche per Stapelverarbeitung über die städtischen Großkopiergeräte gescannt. Die Geräte senden die eingescannten Dokumente im PDF-Format automatisiert an das E-Mail-Postfach von EMMA. Im nächsten Schritt ruft EMMA die E-Mails ab, speichert die Anlagen in einem definierten Ordner und wandelt die PDFs per OCR-Texterkennung in maschinenlesbaren Text um.
Der extrahierte Text wird dann von EMMA an ein lokal betriebenes Large Language Model übergeben; in Bad Oeynhausen kommt das Modell Hermes 3 in der Variante 8B zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um eine feingetunte Version des Modells Llama-3.1, das der Konzern META veröffentlicht hat. Ausgeführt wird das Modell mit der Software Ollama auf einem Linux-Server.
Halluzinationen werden vermieden
Abgesehen von EMMA ist die in Bad Oeynhausen verwendete Software quelloffen und unter verschiedenen Lizenzen, wie der GPL 3 oder der MIT-Lizenz, veröffentlicht. Der LLM-Server ist vom Internet getrennt, um den Schutz personenbezogener Daten sicherzustellen. Besonders sensible Steuerdaten können so datenschutzkonform verarbeitet werden, da diese zu keinem Zeitpunkt die städtischen Systeme verlassen. In den Datenschutzinformationsblättern der Stadt wird transparent auf den Einsatz der KI-Prozessautomatisierung und eines lokalen LLMs hingewiesen.
Ein hinterlegter System Prompt, der als Anleitung für das Verhalten des LLM dient, gibt vor, wie das Modell relevante Stammdaten erkennen und strukturiert darstellen soll. Gleichzeitig definiert er klare Vorgaben für den Umgang mit fehlenden Daten, um so genannte Halluzinationen, ein typisches Phänomen bei LLMs, zu vermeiden. Die vom LLM ausgegebenen strukturierten Daten werden anschließend von EMMA eingelesen und in die Widerspruchsliste des Teams Steuern übertragen. EMMA validiert sodann die Daten mithilfe des Fachverfahrens und ergänzt fehlende Informationen, sofern erforderlich.
In einem letzten Schritt prüfen Sachbearbeitende die Daten in einer kurzen Sichtkontrolle und nehmen gegebenenfalls Korrekturen vor. Danach können die Daten im Massenverfahren weiterverarbeitet werden, zum Beispiel zur Erstellung von Eingangsbestätigungen mittels Serienbrieffunktion oder zur Vorbereitung von Widerspruchsbescheiden in gleichgelagerten Fällen.
Grundsteuerreform liefert Anwendungsfall
Dass die im Rahmen der Grundsteuerreform zu erledigenden Vorarbeiten mit dem vorhandenen Personal des städtischen Steuerteams nicht zeitgerecht erledigt werden können, hatte sich im Spätsommer 2024 abgezeichnet. Da es sich bei vielen der Tätigkeiten um repetitive Aufgaben handelt und sich die Personalgewinnung als immer schwieriger erweist, waren sich Mitarbeitende und Führungskräfte der Stadt Bad Oeynhausen schnell einig: Dies ist der perfekte Anwendungsfall für eine KI-Prozessautomatisierung.
Die Entscheidung, auf eine KI-Lösung zu setzen, fiel dabei vergleichsweise leicht. So ist der Chatbot Colon Sültemeyer der Stadtverwaltung bereits seit Mai 2023 besonders stark in die Prozesse des Teams Steuern eingebunden und nimmt beispielsweise Hundeanmeldungen entgegen oder beantwortet einfache Anfragen der Steuerpflichtigen (siehe auch Kommune21 Ausgabe 11/2023). Der Chatbot hat sich mittlerweile als unverzichtbares Werkzeug etabliert und verdeutlicht eindrucksvoll, dass KI – bei gezieltem Einsatz – weit mehr als nur ein technisches Gimmick ist, sondern eine spürbare Entlastung schaffen kann.
Nachdem die Entscheidung getroffen war, wurde im August 2024 mit der Softwareauswahl und anschließend mit dem Einführungsprozess begonnen. Bereits im Oktober wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit dem Prozessbau beauftragt wurden, vom Softwarehersteller geschult. Währenddessen sammelte das Team Steuern weitere Prozesse, die automatisiert werden können, um eine möglichst große Entlastung der Beschäftigten zu realisieren. Dabei entstand auch die Idee, für die Bearbeitung der zu erwartenden Widersprüche auf die Prozessautomatisierung zurückzugreifen. Doch um unstrukturierte Schreiben verstehen und Daten daraus extrahieren zu können, musste EMMA ein LLM an die Hand gegeben werden. Dafür wurde die Open-Source-Lösung Ollama in Kombination mit einem kleinen lokalen LLM ausgewählt. Die städtische IT stellte dafür kurzfristig einen Server bereit und richtete die Software ein. Der Prozess selbst wurde schließlich innerhalb weniger Tage in der Software EMMA gebaut und erprobt.
Zeitersparnis und höhere Datenqualität
Eine Herausforderung war die Erstellung des System Prompts. Dabei erwiesen sich einmal mehr die mit dem städtischen Chatbotprojekt sowie der Einführung von LLMs in der Stadtverwaltung gewonnenen Erfahrungen im Umgang mit Künstlicher Intelligenz und Sprachmodellen als besonders wertvoll. Auch die enge Verzahnung der Digitalen Lotsen in den Fachämtern mit dem Team eGovernment und der städtischen IT stellte sich als entscheidender Vorteil heraus, um Bedarfe für eine zielgerichtete Digitalisierung zu erkennen und das Projekt schnell und unkompliziert umzusetzen.
Der automatisierte Prozess führt in Bad Oeynhausen zu einer erheblichen Reduzierung manueller Tätigkeiten und spart insbesondere in Stoßzeiten wertvolle Zeit. So können sich die Sachbearbeitenden auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, anstatt sich mit repetitiven Dateneingaben zu befassen.
Durch eine maschinelle Validierung der Daten einerseits und eine menschliche Kontrolle andererseits wird die Datenqualität zudem erhöht – beim bisher praktizierten manuellen Abtippen erfolgte anschließend erfahrungsgemäß keinerlei Validierung oder Kontrolle mehr. Darüber hinaus ist die Lösung skalierbar und kann leicht auf andere Arten von massenhaft eingehenden Schreiben oder E-Mails angepasst werden. So wird der Ansatz zukünftig auch in anderen Bereichen der Stadtverwaltung Anwendung finden.
Whitepaper/Webinar: KI-Nutzung in der kommunalen Praxis
[10.07.2025] Mit dem Whitepaper „Mit KI von Daten zu Taten“ zeigt URBAN.KI, wie Kommunen Künstliche Intelligenz praxisnah einsetzen können. Es präsentiert reale Anwendungsfälle und zentrale Technologien – und macht Know-how und Software auch für andere Städte nutzbar. Am 11. Juli findet ein Webinar zum Thema statt. mehr...
ÖFIT-Impulspapier: KI braucht Kompetenzen
[10.07.2025] Standardisierte, aber sehr arbeitsintensive Prozesse kennzeichnen große Teile der Verwaltung. Generative KI-Systeme können dabei für erhebliche Entlastung sorgen. Das ÖFIT hat nun ein Impulspapier veröffentlicht, das sich mit dem Kompetenzaufbau in diesem Bereich befasst. mehr...
Thüringen: Automatisiert zum Antrag
[03.07.2025] Als erstes Bundesland bietet Thüringen eine KI-gestützte Erstellung von Antragsverfahren für Kommunen an. Das System befindet sich aktuell in der Beta-Phase und zeigt bei strukturell einfachen und mittelkomplexen Anträgen sehr zuverlässige Ergebnisse. mehr...
Gelsenkirchen: KI-Assistenz für den Bürgerservice
[01.07.2025] Ab dem kommenden Jahr will Gelsenkirchen mit der Künstlichen Intelligenz EMMA AI arbeiten. Höflich, halluzinationsfrei und rechtssicher soll sie dann Bürgerfragen in zunächst sechs Bereichen beantworten. Aktuell wird die KI auf ihren Live-Einsatz trainiert. mehr...
Künstliche Intelligenz: Potenziale heben
[30.06.2025] Künstliche Intelligenz hält längst Einzug in kommunale Verwaltungen. Für einen erfolgreichen, effizienten Einsatz sind neben der Technik auch klare ethische Leitplanken und hochwertige, leicht zugängliche (Trainings-)Daten notwendig. mehr...
Analyse: Wie kann KI in Fachverfahren effektiv unterstützen?
[27.06.2025] Wie Künstliche Intelligenz (KI) in digitale Verwaltungsprozesse integriert werden kann, zeigt eine Studie der Bundesdruckerei und des Beratungsunternehmens Possible. Der Report konzentriert sich auf kurzfristig umsetzbare Einsatzmöglichkeiten. Es stehen 16 Fachverfahren und drei zentrale KI-Technologien im Fokus. mehr...
Kreis Regensburg: In Bayern vorne
[25.06.2025] Bei der Digitalisierung nimmt der Kreis Regensburg in Bayern eine Vorreiterrolle ein. Neben Chatbot und Voicebot hat die Kommune auch bereits Erfahrungen mit KI und Robotic Process Automation gesammelt. Jüngst ist die Entwicklung eines eigenen LLMs gestartet. mehr...
Wikimedia-Handreichung: Welche KI ist für Behörden sinnvoll?
[23.06.2025] Eine neue Handreichung von Wikimedia Deutschland ordnet verschiedene Strömungen von KI-Systemen vor den Grundsätzen der Verwaltung kritisch ein, erklärt so genannte symbolische Ansätze als Alternative zu LLMs und bietet ein Prüfschema für den sinnvollen KI-Einsatz in Behörden. mehr...
Wianco Ott Robotics: EMMA gewinnt German Innovation Award
[10.06.2025] Die kognitive KI EMMA ist in gleich zwei Kategorien mit dem German Innovation Award 2025 ausgezeichnet worden. Die Jury lobte unter anderem das Potenzial von EMMA, zur Lösung des Fachkräftemangels beizutragen. mehr...
Wertheim: Vorreiter beim KI-Einsatz
[10.06.2025] Die Stadt Wertheim zählt beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz bundesweit zu den Vorreitern und wurde dafür jetzt mit dem „Bewährt vor Ort“-Siegel ausgezeichnet. mehr...
KI: LLMoin für Bremen
[05.06.2025] Nach Hamburg und Niedersachsen setzt jetzt auch die Freie Hansestadt Bremen auf den KI-Assistenten LLMoin. Damit sollen Beschäftigte entlastet und die Effizienz gesteigert werden. mehr...
Arnsberg: Regeln für den KI-Einsatz
[03.06.2025] Die Stadt Arnsberg setzt beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz auf transparente Regeln, die jetzt in eine neue Dienstvereinbarung gegossen wurden. Zusätzlich werden praktische Hilfen zur Verfügung gestellt und die Mitarbeitenden für die Chancen und Risiken des KI-Einsatzes im Verwaltungskontext sensibilisiert. mehr...
Lecos: KI-Lösungen AI-Act-konform nutzen
[28.05.2025] Die Stadt Leipzig und der IT-Dienstleister Lecos treiben den verantwortungsvollen Einsatz von KI in der Verwaltung voran. Mit zwei Anwendungen im offiziellen KI-Register leisten sie Pionierarbeit im Sinne des AI-Act und entlasten die Verwaltung effektiv. mehr...
Aachen: Netzwerk für eine starke KI-Region
[27.05.2025] Mit der AI Alliance Aachen wollen die Stadt Aachen, die RWTH, die FH, das Forschungszentrum Jülich und der digitalHUB die Region im KI-Wettbewerb profilieren. Das Bündnis vernetzt Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung und setzt auf praxisnahe Entwicklung und Austausch. mehr...
Hessen: PR-Preis für KI-Bürgerdialog
[26.05.2025] Der hessische Bürgerdialog „KI macht Zukunft“ ist mit dem Deutschen PR-Preis 2025 in der Sonderkategorie Künstliche Intelligenz ausgezeichnet worden. Das Roadshow-Format bringt Diskussionen über KI landesweit in Hessens Innenstädte. mehr...