InterviewKommunen sind die Vorreiter

Dr. Ulrich Maly
(Bildquelle: Deutscher Städtetag)
Herr Dr. Maly, Sie sind seit Ende April dieses Jahres neuer Präsident des Deutschen Städtetags. Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Amtszeit gesetzt?
Ein wesentliches Ziel, das sich aus meiner Funktion ergibt, ist es, die Interessen der Städte in Verhandlungen mit dem Bund, den Ländern und der EU zu wahren. Dabei gibt es einige dicke Bretter zu bohren, wie etwa ein Bundesleistungsgesetz für die Eingliederung von Menschen mit Behinderung. Außerdem benötigen wir ein neues Modell für die Grundsteuer und müssen weitere Finanzbeziehungsfragen, wie den Länderfinanzausgleich, das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, Solidarpakt, Schuldenbremse und Europäischen Fiskalpakt diskutieren. Gleichzeitig geht es mir darum, bei allen beteiligten Instanzen und Institutionen den Respekt gegenüber der kommunalen Ebene und ihrer Leistungsfähigkeit neu zu beleben. Hier gilt es, stärker als bislang anzuerkennen: Es gibt in den Rathäusern nicht nur den Willen, sondern auch die Fähigkeit, die Probleme der Menschen in ihrem Sinne zu lösen und die dafür nötigen Anpassungsleistungen zu vollbringen.
Wie will der Deutsche Städtetag die Verwaltungsmodernisierung vorantreiben?
Der Städtetag berät und informiert die Kommunen in der ganzen Breite dieses facettenreichen Themas und organisiert in zahlreichen Fachgremien den Erfahrungsaustausch zwischen den Städten. Gerade das Lernen von anderen hilft, Fehler zu vermeiden und gute Lösungen zu übernehmen. Daneben nimmt der Deutsche Städtetag da, wo es gilt, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Modernisierung und Entbürokratisierung unserer Verwaltung voranzutreiben, intensiv Einfluss auf den Gesetzgeber. Die deutschen Städte sind vorbildlich geworden, was Bürgerorientierung und -service angeht.
Was muss in den Kommunen selbst und auf politischer Ebene getan werden, damit E-Government vorankommt?
E-Government kann helfen, kommunale Dienstleistungen effizienter und bürgernäher zu gestalten. Was die Entwicklung und den Einsatz von E-Government-Lösungen angeht, sind die Städte die Vorreiter der Entwicklung in Deutschland. Wir könnten allerdings viel mehr. Das E-Government-Gesetz benötigen wir dringend als Grundlage für einheitliche Portallösungen, für den Einsatz der De-Mail, der elektronischen Identifikation mit dem neuen Personalausweis (nPA) und für andere Verfahren. Zudem erwarte ich von der Bundesregierung, dass sie die eID des nPA viel offensiver bewirbt. Nur wenn es gelingt, die Bürger von deren Nutzen und Vorteilen zu überzeugen, schaffen wir den gewünschten Durchbruch zu medienbruchfreien und kostengünstigen Online-Verfahren.
Wie sind die deutschen Städte im europäischen Vergleich im Bereich E-Government aufgestellt?
Laut der aktuellen Benchmark-Studie 2012 der EU-Kommission zum E-Government liegt Deutschland in Europa im guten Mittelfeld. Die Studie macht aber deutlich, dass wir bei der vollständigen Abwicklung von Verwaltungsdienstleistungen Nachholbedarf haben. Es gelingt uns noch nicht, Verwaltungsprozesse medienbruchfrei und vollständig, vom Antrag bis zum Bescheid, elektronisch durchzuführen. Auch dafür ist das E-Government-Gesetz ein wichtiger Schritt.
Welche Städte würden Sie deutschlandweit als E-Government-Vorreiter bezeichnen und warum?
Ich sehe nicht die eine Stadt, die Vorreiter beim E-Government ist, sondern viele Städte, die in ganz unterschiedlichen Bereichen pfiffige Lösungen umsetzen. Das ist oft auch Ausdruck der besonderen Prioritäten, die vor Ort gesetzt werden. Insgesamt hat sich in den vergangenen Jahren aber ein vergleichbares und beachtlich hohes Angebotsniveau durchgesetzt.
„Es geht mir auch darum, den Respekt gegenüber der kommunalen Ebene und ihrer Leistungsfähigkeit neu zu beleben.“
Wie ist es um die Verwaltungsmodernisierung in Nürnberg bestellt?
Wir versuchen in Nürnberg laufend, die Verwaltung an aktuelle Herausforderungen und gesellschaftliche Veränderungen anzupassen und bürgerorientierte, schlanke Verwaltungsstrukturen zu realisieren. Den Herausforderungen einer modernen Stadtgesellschaft wollen wir mit intelligenter Informationstechnologie begegnen. Dazu gehören für mich insbesondere die Weiterentwicklung von E-Government-Angeboten und der Versuch, Bürgerinnen und Bürger auf elektronischem Weg orts- und zeitunabhängig zu informieren und zu beteiligen. Dass wir in dieser Hinsicht außerordentlich erfolgreich sind, ist uns erst im vergangenen Jahr in zwei unabhängigen Studien bestätigt worden, in denen Nürnberg jeweils als Vorreiter ausgezeichnet worden ist.
Welche konkreten Projekte sind in nächster Zeit geplant?
Unter dem Stichwort NetCity verfolgen wir das Ziel, Herausforderungen für die Stadt Nürnberg mit moderner IT zu beantworten. Hierzu zählen Themen wie E-Partizipation, Open Data oder Anliegen-Management. Erste Erfahrungen mit elektronischen Beteiligungsangeboten wurden zum Beispiel bei der Lärmaktionsplanung, einer Abstimmung bezüglich neuer Standorte für das Nürnberger Fahrradleihsystem Next Bike oder im Rahmen eines städtebaulichen Realisierungswettbewerbs gesammelt. Unter Anliegen-Management-System verstehen wir eine webgestützte Software-Lösung, mit dem Ziel, dass Hinweise und Wünsche der Nutzer von Verwaltungsservices ortsbezogen und öffentlich sichtbar eingereicht und von der Stadt Nürnberg in gleicher Weise bearbeitet werden. Auf dem Gebiet E-Government wird zum Beispiel das schon vorhandene Angebot zur elektronischen Terminvereinbarung sukzessive erweitert. Mit der Einführung von Bürgerkonten, elektronischen Bezahlfunktionen sowie der eID des neuen Personalausweises sollen den Bürgern weitere Möglichkeiten eröffnet werden, mit dem Rathaus elektronisch zu kommunizieren und Verwaltungsvorgänge online abzuwickeln. Wichtig ist mir zu betonen, dass den Bürgerinnen und Bürgern auch weiterhin unterschiedliche Kommunikationswege zur Verwaltung angeboten werden sollen. Schließlich gilt es, Verwaltungsprozesse zu optimieren und mit digitaler Aktenführung und Dokumenten-Management-Systemen (DMS) zu unterstützen. Nürnberg hat im Jahr 2008 mit der Einführung eines DMS begonnen, das in Zukunft entsprechend der Erfordernisse erweitert werden soll. Aktuell sind 800 Arbeitsplätze an das System angeschlossen, etwa im Einwohner- und Ausländerwesen oder in der Führerscheinstelle.
Welchen Herausforderungen müssen sich die Verwaltungen in Zukunft stellen?
Schon jetzt führt der demografische Wandel dazu, dass die Städte Schwierigkeiten haben, genügend qualifiziertes Personal zu gewinnen. Wir brauchen E-Government-Verfahren, damit wir mit weniger Personal für Bürger und die Wirtschaft weiterhin einen hohen Servicestandard bei unseren Dienstleistungen sicherstellen können, und um dem Wunsch der Bürger nach mehr Teilhabe und Transparenz am Verwaltungshandeln nachzukommen. Zu guter Letzt benötigen wir E-Government, um die hervorragenden Standortqualitäten in Europa zu erhalten.
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