Donnerstag, 30. Oktober 2025

SchorndorfWir Spinner aus der Digitalisierung

[10.10.2024] Als Chief Digital Officer (CDO) der Stadt Schorndorf in Baden-Württemberg hat Philipp Stolz ChatGPT eingeführt und für den Umgang damit eine Dienstanweisung verfasst. Die Mitarbeiter durchlaufen eine Schulung und sind begeistert.
Philipp Stolz

Philipp Stolz ist Chief Digital Officer (CDO) der Stadt Schorndorf.

(Bildquelle: Stadt Schorndorf)

Herr Stolz, Sie sind CDO in Schorndorf, einer Stadt mit 40.000 Einwohnern in der Nähe von Stuttgart. Welche Besonderheiten ergeben sich für die Verwaltungsdigitalisierung bei einer Stadt dieser Größenordnung?

Ich glaube, dass man es als Digitalisierungseinheit bei dieser Größe noch schafft, von einer zentralen Stelle aus in alle Fachbereiche hineinzuwirken. Größere Städte sind oft von Verwaltungssilos gekennzeichnet, wobei der eine Silo vielleicht ein bisschen innovationsfreundlicher ist als der andere. Bei unserer Größe kann man Transformation noch gemeinschaftlich vo­rantreiben und die Organisation als solche vorwärtsbringen. Man muss sich keine Einzelstrategien für die Fachbereiche ausdenken. Bei uns sind dreißig Personen in der Stabsstelle Digitalisierung tätig. Das hat schon eine Schlagkraft.

Welche Ausbildung und Qualifizierung haben Sie durchlaufen?

Ich bin ein klassischer Verwaltungswissenschaftler, habe im Bachelor Politik und Verwaltungswissenschaften in Konstanz studiert und im Masterstudium dann Public Administration in Speyer und in Tallinn. Mein Know-how in der Informatik bewegt sich auf niedrigem Level, alle meine ITler schlagen mich um Längen. Meine Themen sind Organisation und Change Management. Ich war vorher schon bei einer kleineren Kommune als Digitalisierungsbeauftragter angestellt und bin von dort nach Schorndorf gewechselt, wo ich seit zwei Jahren CDO bin.

Auf welchem Stand war die Verwaltungsdigitalisierung in Schorndorf?

Ich habe mich hier in ein gemachtes Nest gesetzt. Das Mindset der Verwaltung und ein interner Wertekanon, der auf Innovationsfreude und eine positive Fehlerkultur setzt, sind vorbildlich. Als ich kam, war die Digitalisierung schon weit fortgeschritten und IT, Organisation und Prozessmanagement waren eng verknüpft.

Mit welchen aktuellen Digitalisierungsprojekten sind Sie derzeit befasst?

Momentan sind wir dabei, unser IT-Notfallhandbuch für den Fall einer Cyberattacke aufzustellen: Was sind dann die notwendigen Prozesse? Im Winter starten wir damit, unseren Rechnungslauf zu digitalisieren. Ebenfalls wollen wir bald unsere Prozesslandkarte veröffentlichen – ein wirklich großes Projekt, bei dem wir Prozessoptimierungen ganzheitlich und über die gesamte Stadtverwaltung hinweg betrachten. Und dann wären da noch kleinere Projekte wie Löschkonzepte für unsere Registratur, die E-Akte und Weiteres.

In der Hauptsache beschäftigen Sie sich aber mit KI.

Das ging Ende 2022 los, als ChatGPT veröffentlicht wurde. Wir Spinner in der Stabsstelle Digitalisierung saßen damals zusammen und bemerkten sofort, dass das ziemlich vieles verändert. Der Mehrwert für Leute, die mit Texterstellung und Wissensmanagement zu tun haben, ist enorm. Anfang 2023 haben wir uns das Okay geholt, um im kleinen Kreis ein bisschen ausprobieren zu dürfen. Die Ergebnisse haben wir im Frühjahr 2023 einigen Fachbereichen vorgestellt. Die waren begeistert, aber sofort tauchten Fragen auf: Dürfen wir das? Was ist mit dem Datenschutz? Mit dem Urheberrecht? Dürfen wir ein geschäftliches Konto bei ChatGPT einrichten? Mir war dann klar, dass wir Regeln für den Umgang mit ChatGPT brauchen, einen Regelkanon, an den sich alle halten können. So kam unsere Dienstanweisung zustande.

Ist ChatGPT jetzt schon in allen Fachbereichen verfügbar?

Wir haben circa 450 Mitarbeitende mit Büroarbeitsplätzen, davon sind jetzt ungefähr 320 Kolleginnen und Kollegen geschult. Denn bei uns muss eine Schulung durchlaufen werden, bevor man ChatGPT nutzen darf. Wir bieten auch zusätzlich eine freiwillige fortgeschrittene Schulung zu Prompt Engineering an, um noch besser damit umgehen zu können.

„Der Mehrwert von ChatGPT für Leute, die mit Texterstellung und Wissensmanagement zu tun haben, ist enorm.“

Wie wird ChatGPT konkret genutzt?

Das ist je nach Fachbereich ganz unterschiedlich. Verallgemeinernd kann man sagen, dass mit ChatGPT Textgenerierung aus dem Nichts möglich ist, etwa ein Einladungsbrief für den Elternabend in der Kita. Die Öffentlichkeitsarbeit profitiert davon, wenn das Beamtendeutsch in Fachtexten allgemein verständlich vorformuliert wird. Auch für Führungskräfte kann ChatGPT ein guter Sparringspartner sein. Wenn ich etwa bemerke, dass ein Mitarbeiter in letzter Zeit häufig mental abwesend war, aber nicht recht weiß, wie ich ihn darauf ansprechen soll, um die Hintergründe zu erfahren, liefert ChatGPT verblüffende Vorschläge. Auch die konzeptionelle Arbeit wird unterstützt: Möchte ich eine zweitägige Klausurtagung zum Thema KI mit Schwerpunkt Datenschutz durchführen, kann ich ChatGPT nach dem Aufbau fragen.

Sie haben schon darauf hingewiesen, dass es eine Dienstanweisung für den Umgang mit ChatGPT gibt. Wieso war sie notwendig und was steht drin?

Notwendig ist sie vor allem, weil es eine Unsicherheit gab, was man darf und was nicht. Mit unserer Dienstanweisung wollten wir unsere Mitarbeitenden organisatorisch absichern. Wir haben uns dabei von Fachtexten zu KI seitens der KGSt inspirieren lassen und von dem damaligen Entwurf der europäischen KI-Verordnung. Insofern bezieht sich unsere Dienstanweisung allgemein auf KI und nicht bloß auf Sprachmodelle. Das heißt, die Bewertung von Risikoklassen steht bei uns auch drin, und Sprachmodelle tragen demnach ein eher geringes Risiko. Wir können sie verwenden, müssen aber bestimmte Sorgfaltspflichten gewährleisten. Es dürfen keine personenbezogenen Daten angegeben werden und natürlich keine Amtsgeheimnisse. Zudem haben wir für künftige KI-Anwendungen jeweils eine Mitarbeiterschulung vorgeschrieben.

Gab es keine Bedenken seitens der Verwaltungsleitung?

Nein, lediglich kleine inhaltliche Anmerkungen. Wir haben beispielsweise einen Passus eingefügt, der es untersagt, Gespräche mitzuhören und zu transkribieren. Dafür möchten wir keine KI einsetzen, jedenfalls nicht ChatGPT. Dies war ein Ergebnis von Gesprächen mit der Verwaltungsspitze. Wir werden uns das aber vielleicht eines Tages nochmal anschauen und On-Premise-Systeme für Transkriptionen testen. Da besteht sicherlich auch bei uns großer Bedarf. Mit On-Premise wäre die Diskussion um personenbezogene Daten und Amtsgeheimnisse vorbei, weil alle Informationen auf den eigenen Servern verbleiben.

Worauf muss eine Kommune achten, die ebenfalls ChatGPT einsetzen möchte?

Es sollte sich zunächst eine kleine Expertengruppe bilden und in Erfahrung bringen, was man mit ChatGPT vorhat. Dann sollte man sich auf jeden Fall Regeln für den Umgang geben, was erlaubt ist und was nicht. Für besonders wichtig halte ich, dass die Mitarbeitenden stets geschult werden. Künstliche Intelligenz ist die nächste technologische Revolution unserer Zeit, um die in den kommenden zehn Jahren beruflich wie privat niemand herumkommen wird. Wir müssen daher lernen, KI richtig zu nutzen – aber auch, sie kritisch zu hinterfragen und achtsam mit dieser Entwicklung umzugehen.

Interview: Helmut Merschmann




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