Freitag, 18. Juli 2025

StaatsmodernisierungBlick in den Maschinenraum fehlt

[17.07.2025] In einer Stellungnahme zum Abschlussbericht der Initiative für einen handlungsfähigen Staat kritisiert das Netzwerk Junge Bürgermeister*innen, dass kommunale Realitäten in den Vorschlägen nicht genügend berücksichtigt werden. Es fehle an Lösungen für die Praxis – etwa bei Personal, Finanzierung oder Führung.
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Stellungnahme des Netzwerks Junge Bürgermeister*innen zum Abschlussbericht der Initiative für einen handlungsfähigen Staat will auf strukturelle Leerstellen hinweisen.

(Bildquelle: Netzwerk Junge Bürgermeister*innen der Bundesrepublik Deutschland e.V.)

Die Initiative für einen handlungsfähigen Staat unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten (wir berichteten) sollte Schwung in die Reform der öffentlichen Verwaltung bringen. Aus Sicht aktiver kommunaler Führungskräfte sind die Vorschläge der Initiative zwar anerkennenswert – aber nicht zu Ende gedacht. In einer Stellungnahme des Netzwerks Junge Bürgermeister*innen schreiben Ramona Schumann, Bürgermeisterin der Stadt Pattensen, Michael Salomo, Oberbürgermeister der Stadt Heidenheim an der Brenz, Bundesvorsitzender und Sprecher des Netzwerks, sowie Henning Witzel, Geschäftsführer des Netzwerks: „Gerade dort, wo der Staat konkret erlebt wird – in Rathäusern, Schulen, Bauhöfen oder Bürgerbüros – fehlen Anschlussfähigkeit, Mitgestaltungsmöglichkeiten und leider auch ein realitätsnahes Verständnis von Führung. Kurz: Es fehlt der Blick in den Maschinenraum.“

Die Kritik richtet sich vor allem gegen fehlende strukturelle Antworten auf die Herausforderungen der kommunalen Ebene. Zwar betone der Reformbericht die Bedeutung der Städte und Gemeinden, konkrete Vorschläge zur nachhaltigen Stärkung ihrer Handlungsmöglichkeiten blieben jedoch aus, heißt es in der Stellungnahme weiter. Viele Kommunen seien personell, finanziell und organisatorisch am Limit. Hier seien konkrete Vorschläge und Ideen wünschenswert, wie Städte und Gemeinden dauerhaft befähigt werden können, ihre Aufgaben im Wandel zu erfüllen. Gerade kleine Stellschrauben wie ein modernes Stellenbewertungssystem und Tarifrecht oder der niedrigschwellige Zugang zu interdisziplinären Projektressourcen blieben in dem Bericht gänzlich unberücksichtigt, könnten in der Praxis jedoch wirkliche Verbesserungen erzielen.

Bekannte Rezepte greifen zu kurz

Auch der Vorschlag, erneut mit Modellkommunen zu arbeiten, wird kritisch gesehen. Pilotprojekte erzeugten zwar Aufmerksamkeit, führten aber selten zu breiter Wirkung. Die zentrale Frage sei nicht, ob eine Idee funktioniere, sondern ob sie unter Alltagsbedingungen tragfähig sei – mit normaler Personalausstattung, begrenzten Haushaltsmitteln und typischen Verwaltungsabläufen. Es brauche verlässliche Rahmenbedingungen statt punktueller Experimente.

Auch die Rolle von Führung komme im Bericht zu kurz. Dabei sei sie entscheidend für die Umsetzung. Kommunale Führungskräfte arbeiteten oft unter schwierigen Bedingungen: mit knappen personellen Ressourcen, ehrenamtlicher Politik, hoher öffentlicher Erwartung und geringem Spielraum für Fehler. Psychologische Sicherheit, strategische Steuerung und interdisziplinäres Arbeiten seien keine Zukunftsfragen, sondern schon heute notwendig. Umso mehr überrasche, dass der Bericht diese Aspekte kaum berücksichtige.

Digitalisierung braucht mehr als Technik

Im Bereich der Digitalisierung würdigen die Autorinnen und Autoren zwar, dass der Abschlussbericht der Initiative für einen handlungsfähigen Staat zentrale Bausteine wie Plattformen, Schnittstellen oder digitale Identitäten nenne – leider bleibe er jedoch an dieser Stelle sehr technokratisch. „Die eigentlichen Hürden sind nach unserer Erfahrung vor allem struktureller Natur“, schreiben Schumann, Salomo und Witzel in ihrer Stellungnahme: „Komplexe Förderlogiken, aufwendige bürokratische Anforderungen, föderale Parallelstrukturen, Rechtsunsicherheit bei der digitalen Aktenführung, fehlendes Verständnis in der für Budgets zuständigen kommunalen Politik oder mangelnde Standardisierung. Digitalisierung muss zur Pflichtaufgabe werden, aber dafür braucht es praktikable Wege, leicht zu erhaltende Budgets und den Mut zu echter Vereinfachung, sowie Vertrauen, insbesondere bei der zuständigen Ministerialbürokratie.“

Zentral bleibe die Frage: Können Kommunen ihre Aufgaben langfristig noch selbst erfüllen? Ein Viertel der staatlichen Aufgaben liege bei ihnen, sie erhielten aber nur ein Siebtel der Einnahmen. Der Investitionsstau liege bei über 200 Milliarden Euro. Gleichzeitig stiegen die Anforderungen – von der frühkindlichen Bildung über Cybersicherheit bis hin zum Bevölkerungsschutz. Ohne ausreichende Mittel, klare gesetzliche Vorgaben und mehr Spielräume bei Personalentscheidungen lasse sich der Wandel nicht stemmen.

Reform beginnt dort, wo Staat stattfindet

Aus Sicht des Netzwerks Junger Bürgermeister*innen stellt die Initiative zur Staatsmodernisierung daher zwar einen guten Aufschlag dar – im zweiten Schritt braucht es nun aber eine Reformphase, welche diejenigen Menschen einbindet, die Verwaltung gestalten: Kommunen, Fachverwaltungen und Führungskräfte vor Ort.

Der Appell: „Statt weiterer Leuchtturmprojekte braucht es Breitenwirkung. Statt Modellkommunen braucht es Ermöglichung. Und statt abstrakter Steuerungslogik braucht es echtes Vertrauen in kommunale Kompetenz.“ Ein handlungsfähiger Staat entstehe nicht im Ministerium. „Er zeigt sich dort, wo Menschen Verwaltung erleben: In ihrer Kommune.“





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