Montag, 15. September 2025

HamburgAm Datentisch planen

[10.01.2019] Für Planungsverfahren mit Raumbezug will die Freie und Hansestadt Hamburg künftig ein digitales Partizipationssystem anbieten. Digitale Datentische sollen unter anderem die von den Bürgern online eingereichten Beiträge einbinden.
Hamburg testet die Bürgerbeteiligung am digitalen Planungstisch.

Hamburg testet die Bürgerbeteiligung am digitalen Planungstisch.

(Bildquelle: Bezirksamt Hamburg Bergedorf/Claas Möller)

Im Jahr 2017 hat die Freie und Hansestadt Hamburg das Projekt DIPAS – Digitales Partizipationssystem – gestartet. Bereits 2012 beschloss der Hamburger Senat, dass die Bürgerbeteiligung bei Projekten der Stadtentwicklung, Umwelt und Infrastruktur intensiviert werden soll. Dazu wurde zum einen in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) die so genannte Stadtwerkstatt als Stabsstelle und Dachmarke eingerichtet. Zum anderen wurden die Ressourcen bei Bezirken und Landesbehörden gestärkt. In der Folge ist die Anzahl der Beteiligungsverfahren deutlich gestiegen.
Seit Anfang 2016 bietet die Stadtwerkstatt den Hamburger Planungsträgern das gemeinsam mit dem Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung (LGV) entwickelte Online-Beteiligungstool zur Ergänzung der konventionellen Beteiligungsverfahren an. Das Tool orientiert sich in Struktur und Funktionalität an der Referenzarchitektur für Online-Partizipation des IT-Planungsrats. Es handelt sich im Kern um ein kartenbasiertes Tool zur Sammlung georeferenzierter Bürgerbeiträge zu Planungsvorhaben. Mit dem zusätzlichen Online-Angebot und der orts- und zeitunabhängigen Beteiligungsmöglichkeit sollen mehr Menschen als bisher Gelegenheit zur Beteiligung erhalten. Seit 2016 wurde das Tool bei 22 Verfahren verschiedener Planungsträger eingesetzt.

Medienbruchfrei beteiligen

Parallel startete im Jahr 2015 die HafenCity Universität (HCU) in Kooperation mit dem MIT Media LAB das CityScienceLab (CSL) als Labor für digitale Stadtforschung. Das CSL übernahm vom MIT digitale Planungstische, so genannte City­Scopes. Diese datengestützten, interaktiven Stadtmodelle machen ortsbezogene Daten und städtische Funktionszusammenhänge anschaulich und nachvollziehbar. Komplexe Fragestellungen, etwa aus den Bereichen Stadtentwicklung, Verkehrs- oder Umweltplanung, lassen sich mit ihnen analysieren, visualisieren und simulieren. Ihren ersten Einsatz hatten die Tische im Projekt Finding Places, bei dem in einer Workshop-Reihe mit Bürgern Flächen für die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften gesucht wurden. Im Anschluss an das Finding-Places-Verfahren wurde die BSW/Stadtwerkstatt beauftragt, die Methode und Technologie der CityScopes für die Stadtplanung in Hamburg zu adaptieren. Die Stadtwerkstatt entwickelte daraufhin gemeinsam mit dem LGV und dem CSL ein Konzept, das Online-Beteiligung und digitale Vor-Ort-Werkzeuge in einem System zusammenführt.
Kernziel von DIPAS ist es, den methodischen Ansatz des CityScope mit dem Beteiligungstool als technischem Werkzeug zu vereinen und so ein integriertes, medienbruchfreies digitales System zur Bürgerbeteiligung zu entwickeln. Durch den Einsatz der digitalen Datentische soll das Potenzial der öffentlich zugänglichen städtischen Daten und des digitalen Stadtmodells künftig nicht nur online, sondern auch vor Ort bei Bürgerveranstaltungen nutzbar werden. Die Aufbereitung komplexer Materie in einer nutzerfreundlichen Darstellung soll den Austausch auf Augenhöhe zwischen Laien und Fachleuten befördern. Online-Beiträge sowie Beiträge aus Veranstaltungen werden parallel und synchron in einer Datenbank erfasst. Mithilfe eines Administratoren-Back-End sind sie mit verschiedenen statistischen Methoden auswertbar.

Beteiligung einfacher berücksichtigen

DIPAS kann letztlich für alle Planungsverfahren, die einen deutlichen Raumbezug haben, eingesetzt werden; seien es städtebauliche Planungen, Grünplanungen, Verkehrsplanungen oder Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzepte (ISEK) sowie Masterplanverfahren, deren Themen und Inhalte gut über Karten und Visualisierungen erschlossen werden können. Das System nutzt dazu die Vielfalt öffentlicher Geodaten. Gleichzeitig erleichtert es die Verarbeitung des Bürger-Feedbacks, da eine nachträgliche Digitalisierung zur Auswertung und Verarbeitung entfällt. Im Default-Mode erfolgt die Abgabe der Bürgerbeiträge anonym, personenbezogene Daten werden also nicht erfasst.
DIPAS wird mit dem PHP- und Open-Source-basierten Content-Management-System (CMS) Drupal entwickelt und unter Bitbucket veröffentlicht. Es setzt auf dem Hamburger GeoMasterPortal auf und erhält auch Fachdaten aus dem UrbanDataHub. Das Serverhosting erfolgt in Deutschland. Perspektivisch soll DIPAS mit dem parallel in der Entwicklung befindlichen DiPlanungs-System zur Steuerung von Bebauungsplanverfahren gekoppelt werden und so B-Plan-Sachbearbeitern einen leichten Zugang zu den Ergebnissen informeller Beteiligungsverfahren ermöglichen. Nach Ende der Projektlaufzeit soll DIPAS allen Hamburger Bezirken, Landesbetrieben und öffentlichen Unternehmen, die Planungsaufgaben erfüllen, zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden.
Die Federführung für DIPAS liegt bei der Stadtwerkstatt im Amt für Landesplanung und Stadtentwicklung der BSW. Die Stadtwerkstatt koordiniert das Gesamtprojekt, liefert die beteiligungsfachlichen Konzepte und Bausteine und organisiert und steuert Pilotierungseinsätze sowie Usability-Analysen. Technischer Partner ist der LGV. Er ist für die Software-Entwicklung und das GUI-Design zuständig. Als fachliche Leitstelle treiben die Stadtwerkstatt und der LGV die Entwicklung des Systems mit eigenen Ressourcen, Fördermitteln aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der EU-Kommission sowie mit Fördermitteln vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) voran. Als dritter DIPAS-Projektträger organisiert und steuert die HafenCity Universität vor allem die prozessbegleitende Evaluation und trägt Wissen sowie Vernetzungsbeziehungen aus wissenschaftlichen Projekten bei.

Weitere Ziele

DIPAS ist als dreijähriges Projekt mit mehreren Entwicklungsphasen konzipiert. Ziel der ersten Iteration war die Schaffung einer einsatzfähigen Basisstufe, mit der 2D-Karten und Fachdaten dargestellt und Bürgerbeiträge online und vor Ort aufgenommen werden können. Diese Basisstufe wurde bis zum Sommer 2018 erreicht und im Frühherbst bei einem Leitbildverfahren für den Bezirk Bergedorf getestet. Eine weitere Erprobung im Rahmen eines vorgeschalteten Ideensammlungsverfahrens zur Entwicklung des Masterplans für den neuen Stadtteil Grasbrook ist im Dezember vergangenen Jahres gestartet. Gleichzeitig wird die Basisstufe technisch weiterentwickelt und an der Einbindung digitaler Bebauungspläne sowie der Integration eines 3D-Stadtmodells gearbeitet. Im Frühjahr 2019 soll eine Schnittstelle für die Integration dreidimensionaler städtebaulicher Entwürfe in das 3D-Stadtmodell hergestellt und im Zuge des anschließenden städtebaulichen Wettbewerbs für Grasbrook erprobt werden.
Im dritten Entwicklungsschritt sollen die Eigenschaften städtebaulicher Konfigurationen im Hinblick auf physikalische Parameter wie Licht, Schall oder Wind simulierbar gemacht werden. Daneben sollen aus dem vom BMBF geförderten Projekt Civitas Digitalis KI-Facilitation-Bots eingeführt werden, welche die Nutzer bei der Abfassung von Beiträgen unterstützen. Aus dem Horizon-2020-Projekt sollen die Smarticipate-Funktionalitäten zur kriteriengestützten, automatisierten Vorprüfung von eingereichten Bürgervorschlägen hinzukommen.
Zukünftig geplante Weiterentwicklungen betreffen unter anderem KI-basierte Tools zur automatischen Textanalyse, eine verbesserte Social-Media-Verknüpfung und die Integration von Live-Daten.

Claudius Lieven ist in der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen tätig.




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: E-Partizipation
Screenshot Mängelmelder Großostheim

Großostheim: Mängelmelder im Einsatz

[10.09.2025] Über einen Mängelmelder verfügt jetzt die Marktgemeinde Großostheim. Damit sollen der Bürgerservice verbessert und Verwaltungsmitarbeitende entlastet werden. mehr...

Laut einer Fraunhofer-Studie ist Open Data der Schlüssel für noch mehr Bürgerbeteiligung in Kommunen.

Hessen: Beteiligungsportal für Kommunen

[04.09.2025] Hessens Kommunen können künftig ein Beteiligungsportal kostenfrei nutzen, das bereits erfolgreich in der Landesverwaltung zum Einsatz kommt. Die Lösung basiert auf dem Beteiligungsportal Sachsen, das von Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Sachsen-Anhalt gemeinsam weiterentwickelt wird. mehr...

Screenshot der Seite "Politik in Wuppertal"

Wuppertal: Einblick in lokale Entscheidungswege

[01.09.2025] Die Stadt Wuppertal hat ihr Informationsangebot zur Lokalpolitik erweitert. Neu sind Informationen zu Ausschüssen und Beiräten, eine Recherche-Funktion sowie Texte in leichter Sprache. Bürgerinnen und Bürger sollen so zur Mitgestaltung eingeladen werden. mehr...

Startbildschirm der App Frankfurt fragt mich.

Frankfurt fragt mich: App-Design angepasst

[13.08.2025] Seit Frühjahr ist die überarbeitetet Beteiligungsplattform Frankfurt fragt mich online. Nun wurde auch das Design der zugehörigen App angepasst. mehr...

Laut einer Fraunhofer-Studie ist Open Data der Schlüssel für noch mehr Bürgerbeteiligung in Kommunen.

Sachsen: Neue Förderrunde für kommunale Beteiligung

[06.08.2025] Sachsen unterstützt erneut kommunale Beteiligungsprojekte. Kommunen und zivilgesellschaftliche Träger können bis zum 18. September Förderanträge stellen. Die nächste Informationsveranstaltung zur Antragstellung findet am 19. August digital statt. mehr...

Screenshot der Startseite von Mein-Landkreis-Muenchen.de.

Kreis München: Zentrale Beteiligungsplattform

[05.08.2025] Mit einer neuen Beteiligungsplattform will der Landkreis München transparenter werden. Die Bürgerinnen und Bürger erhalten hier Informationen zu aktuellen und künftigen Projekten. Auch können sie die Vorhaben kommentieren, eigene Ideen einbringen oder sich in Onlineforen austauschen. mehr...

Ordentlich zusammengestellter Sperrmüll stapelt sich vor einem Mehrfamilienhaus.
bericht

Anliegenmanagement: Den Alltag erleichtern

[01.08.2025] Die Stadt Dinslaken hat eine Individualerweiterung innerhalb des digitalen Anliegenmanagementsystems MeldooPLUS entwickelt. Das Beispiel zeigt, wie kommunale Dienstleistungen digitalisiert und in bestehende Verwaltungsabläufe integriert werden können. mehr...

Porträtaufnahme von Eileen O’Sullivan.
interview

Bürgerbeteiligung: Frankfurt fragt

[24.07.2025] Eileen O’Sullivan, Leiterin der Stabsstelle für Bürger:innenbeteiligung der Stadt Frankfurt am Main, spricht über die Bedeutung von Beteiligung, E-Partizipation und die neue Richtlinie für Öffentlichkeitsbeteiligung. mehr...

Blick auf das Saarbrücker Rathaus St. Johann, davor ein Wasserspiel.
bericht

Saarbrücken: Dank Struktur erfolgreich verändern

[14.07.2025] Mit einem digitalen Anliegenmanagement konnte Saarbrücken sowohl den Bürgerservice als auch verwaltungsinterne Abläufe optimieren. Der Schlüssel zum Erfolg lag dabei nicht allein in der Technologie, sondern vor allem in einem methodisch umgesetzten Change-Prozess. mehr...

Kaiserslautern: Haushaltsplan wird interaktiv

[30.06.2025] Die Stadt Kaiserslautern stellt ihren Bürgerinnen und Bürgern erstmals einen interaktiven Haushaltsplan zur Verfügung. Die Beteiligung läuft bis 11. Juli. mehr...

Konferenz: Neue Wege der Beteiligung

[23.06.2025] Wie können Bürgerinnen und Bürger besser mitgestalten? Eine Fachkonferenz am 23. September in Marburg will Antworten geben. Es geht um neue Formen der Partizipation – vom Losverfahren bis zu Künstlicher Intelligenz. mehr...

Screenshot der Startseite von mitmachen.soltau.de.

Soltau: Onlineplattform ergänzt Bürgerbeteiligung

[18.06.2025] Als zentrale Anlaufstelle für Bürgerbeteiligung bietet die Stadt Soltau nun eine Onlineplattform an. Interessierte können sich hier nicht nur einbringen, sondern auch Informationen zu Projekten einholen. Um möglichst viele Personen zu erreichen, bleiben analoge Beteiligungsformate erhalten. mehr...

Hand hält Smartphone auf dem das Beteiligungsportal der Stadt Münster zu sehen ist

Münster: Zentrale Beteiligungsplattform gestartet

[11.06.2025] In Münster ist jetzt das Portal „Münster mitgestalten“ gestartet. Dieses bietet eine Übersicht über alle Beteiligungsmöglichkeiten, die von der Stadt angeboten oder mitverantwortet werden – von Präsenzveranstaltungen bis hin zu digitalen Formaten. mehr...

Frau mit Siegel Bewährt vor Ort

Hamburg: Auszeichnung für DIPAS Anwender Community

[05.06.2025] Mit dem Siegel „Bewährt vor Ort“ sollen innovative, erfolgreich erprobte Lösungen aus der kommunalen Praxis sichtbar gemacht und ihre Verbreitung gefördert werden. Zu den in diesem Jahr ausgezeichneten Projekten zählt unter anderem die DIPAS Anwender Community. mehr...

Screenshot der Bürgerecho-App

Iserlohn: Bürgerecho hat sich etabliert

[03.06.2025] Das vor rund drei Jahren eingeführte Hinweisgeber-System Bürgerecho der Stadt Iserlohn wird von der Bevölkerung rege genutzt: Monatlich gehen über die Internetseite und die App rund 110 Meldungen ein. mehr...