InterviewFundamentaler Wandel

Prof. Dr. Rainer Bernnat, Leiter Öffentlicher Sektor bei PwC
(Bildquelle: PwC/schnittstelle Berlin)
Herr Professor Bernnat, die Bürger sind online, und für Zuwachs sorgt vor allem die ältere Generation. Was bedeutet das für Ämter und Behörden?
Die öffentliche Verwaltung tut gut daran, sich an den Kundenbedürfnissen zu orientieren – so wie es die Privatwirtschaft tut. Ein Beispiel ist die Finanzbranche. Die Banken wälzen viele Tätigkeiten auf die Kunden ab, kaum jemand geht noch in eine Filiale, um eine Überweisung zu tätigen. Die Kunden nehmen das an, weil es bequem ist, und sie ihre Bankgeschäfte erledigen können, wann sie wollen. Mein letzter Besuch in einer Bankfiliale war, glaube ich, im Jahr 1994.
Seit bald 20 Jahren wird unter dem Stichwort E-Government versucht, Verwaltungsservices zu digitalisieren. Was läuft aus Ihrer Sicht hier falsch?
Die Fortschritte beim E-Government sind bislang ernüchternd. Ich würde aber nicht sagen, dass etwas falsch läuft. Die Rahmenbedingungen sind schwierig. Innovationen einzuführen, dauert im öffentlichen Sektor sehr lange. Und im föderalen System gibt es natürlich große Herausforderungen bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung – da haben es andere Länder einfacher.
Was muss getan werden?
Viele Kommunen sind einfach zu klein, um alle Herausforderungen der Digitalisierung meistern zu können. Das fängt schon beim Aufbau der Netzinfrastruktur an. Das kann eine Kommune alleine nicht leisten. Auch beim wichtigen Thema Cyber-Sicherheit tut sich die einzelne Kommune schwer, weil sie oftmals nicht über die entsprechende Kompetenz verfügt. Es genügt auch nicht, nur Berater zu engagieren. Die Themen müssen internalisiert werden. Die Kommunen sollten also intern Kompetenz aufbauen, und das geht nur durch Zusammenarbeit.
Was erwarten Sie diesbezüglich vom Onlinezugangsgesetz?
Das Gesetz hilft natürlich, weil ein Termin definiert ist, bis wann die Online-Services zur Verfügung stehen müssen. Wie schon angesprochen, muss bei der Umsetzung die Kundenorientierung im Fokus stehen. Die Bürger wollen als Kunden behandelt werden und selbst bestimmen, wie und wann sie Verwaltungsleistungen in Anspruch nehmen. Das Verständnis dafür müssen die Mitarbeiter der Verwaltungen allerdings erst aufbringen. Es ist also auch ein kultureller Wandel bei der Belegschaft notwendig.
Wo liegen die Herausforderungen bei der OZG-Umsetzung?
Für ein effizientes Prozessdesign fehlen den meisten Kommunen die Kapazität und das Know-how. Nötig wäre eine große Inhouse-Beratung, vergleichbar mit BwConsulting der Bundeswehr. Über eine solche Institution könnten die Methoden-Kompetenz und das Vorgehen vermittelt werden. Also müsste man eine Art kommunale Digitalisierungsagentur gründen, übergreifend oder in Zusammenarbeit mit den kommunalen IT-Dienstleistern. Dann muss sich nicht jede einzelne Kommune Gedanken machen, wie sie ihre Prozesse anpassen muss.
„Die öffentliche Verwaltung tut gut daran, sich an den Kundenbedürfnissen zu orientieren.“
Die Basis für die Digitalisierung aller Bereiche sind schnelle Internet-Zugänge. Wie kann der Ausbau beschleunigt werden – durch noch mehr Fördergelder oder sehen Sie andere Wege?
Der Breitband-Ausbau wird nicht komplett staatlich finanzierbar sein, hier stehen Summen von 40 Milliarden Euro im Raum. Allerdings gilt: Wenn man den Ausbau dem freien Markt überlässt, wird in Großstädten relativ schnell ein Glasfasernetz zur Verfügung stehen, und der ländliche Raum wird abgehängt. Es gibt eigentlich nur eine Branche, die auch auf dem Land den Zugang zur letzten Meile hat. Das sind die Energieversorger. Mithilfe von Stadtwerken und anderen Versorgungsunternehmen könnte der flächendeckende Breitband-Ausbau gelingen. Allerdings müssten die Investitionen etwa von Stadtwerken im Querverbund steuerlich angerechnet werden können.
Wie verändert die Digitalisierung die Kommunen?
Die Modernisierung der Kommunalverwaltungen kann aus meiner Sicht nur in Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft gelingen. Es stellt sich ja die Frage, ob die Dienstleistungen einer Kommune von der Verwaltung selbst angeboten werden müssen. Das könnte ein Unternehmen als Managed Services übernehmen, wobei die Schnittstelle zum Bürger oder Unternehmen sowie die Hoheit und Aufsicht über die Prozesse bei der Kommunalverwaltung liegen. Nehmen Sie eine Behörde wie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Das BSI macht die IT-Sicherheitsprüfungen nicht alle selbst. Auch die Bundesbank führt die Prüfungen von Kreditinstituten nicht alle selbst durch, sondern nutzt hierfür private Prüfungsorganisationen. Das Ergebnis ist entscheidend, warum sollte das nicht auch in Kommunen funktionieren?
Um sich für die Zukunft aufzustellen, braucht der öffentlichen Sektor auch fähige Mitarbeiter. Sehen Sie Wege aus dem Fachkräftemangel?
Der öffentliche Sektor ist nicht in allen Bereichen der attraktivste Arbeitgeber. Insbesondere innovative Fachkräfte gehen lieber zu Start-ups oder Konzernen. Dabei spielt die Bezahlung nicht immer die größte Rolle, auch die Arbeitsbedingungen sind enorm wichtig. Ämter und Behörden müssen ein interessantes Umfeld schaffen und flexible Arbeitszeitmodelle anbieten. Denn viele junge Menschen finden es durchaus attraktiv im Public Sector zu arbeiten. Aber vielleicht nicht ihr ganzes Leben.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Oktober 2019 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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