Mittwoch, 24. Dezember 2025

IbbenbürenIdentität gewahrt

[21.08.2015] Ibbenbüren plant für die Zeit nach dem Steinkohleausstieg – und das mithilfe der Bürger. Ein Online-Beteiligungstool half bei der gemeinsamen Erarbeitung zukunftsorientierter Nutzungsmöglichkeiten, ohne die Geschichte der Region aus den Augen zu verlieren.
Die Stadt Ibbenbüren setzt auf E-Partizipation bei der Identitätswahrung der traditionellen Bergbaustadt.

Die Stadt Ibbenbüren setzt auf E-Partizipation bei der Identitätswahrung der traditionellen Bergbaustadt.

(Bildquelle: creativ collection Verlag)

Im Jahr 2018 werden die Bundesregierung und das Land Nordrhein-Westfalen endgültig die seit den 1960er Jahren andauernden Subventionszahlungen für den Steinkohleabbau einstellen. Für viele Städte im Ruhrgebiet und in Westfalen beginnt damit eine neue Ära. So auch für Ibbenbüren im Tecklenburger Land. Die Stadt blickt auf eine jahrhundertealte Bergbautradition zurück. Mit 1.545 Metern Tiefe verfügte Ibbenbüren lange Zeit über die europaweit tiefste Steinkohlezeche und auch der Ibbenbürener Sandstein ist weit über die Region hinaus bekannt. „Fast jeder Bürger hier in der Region kennt jemanden, der unter Tage gearbeitet hat. Und jeder kann Geschichten mit seinen Erlebnissen aus dem Bergbau erzählen“, meint Monika Umlauf, stellvertretende Geschäftsführerin der Schnittstelle Kohlekonversion in Ibbenbüren. Sie begleitet das Ibbenbürener Umstrukturierungsprojekt unter dem Namen Region mit Aussicht. „Dadurch entsteht eine hohe Identifikation und gleichzeitig ein großes Engagement, die Bergbautradition zu sichern.“ Um davon maximal profitieren zu können, hat die Stadt für die Planung der Umstrukturierungsmaßnahmen auf ein Online-Beteiligungstool des Dortmunder Ingenieurbüros tetraeder.com zurückgegriffen. Mithilfe der so genannten Ideenkarte des individuellen Kartenanwendungsprogramms INKA konnten Bürger auf der Projekt-Website Vorschläge und Anmerkungen einbringen. Den genauen Ort, auf den sich eine Anmerkung bezog, konnten sie mit einer Markierung festhalten. Diese Markierung ließ sich dann mit einem erklärenden Kommentar versehen. Alle Kommentare tauchten später in chronologischer Reihenfolge in einer Listenansicht auf, wobei fremde Kommentare nach dem Facebook-System bewertet werden konnten. Zur weiterführenden Nutzung der Ibbenbürener Kohlenhalden konnten die Vorschläge den Kategorien Wirtschaft, Tourismus und Freizeit, Bergbau und Tradition sowie Natur zugeordnet werden. „Die meisten Beteiligten haben Ideen dazu eingebracht, wie die Bergbautradition gesichert werden kann, zum Beispiel über Informationstafeln, Übungsstollen oder den Ausbau des Bergbaumuseums“, sagt Monika Umlauf.

Region soll wirtschaftlich stabil bleiben

Axel Köster von der Firma RAG Montan Immobilien und derzeit Mitglied im Entscheidungsgremium liegt insbesondere die wirtschaftliche Sicherung der Region am Herzen. „Wir wollen hier kein Kostengrab schaffen. Vor allem die Schachtanlage Oeynhausen soll gewerblich entwickelt werden.“ Für die Halden böten sich touristische und kulturelle Nutzungsformen an. Auch zwei Windräder seien geplant. Man könne zwar nicht mit dem touristischen Potenzial einer Zeche Zollverein in Essen mithalten, entwickle sich dafür aber in Richtung eines Projekts wie dem am Osnabrücker Piesberg. Dort wurde nicht nur die Bergbautradition gewahrt und Wanderwege sowie Aussichtspunkte geschaffen. Auch die Kombination mit regenerativen Energien funktioniere dort gut.
Trotz des massiven Stellenabbaus im Bergbau hält Monika Umlauf die Region für wirtschaftlich sehr stark. „Wir haben eine geringe Arbeitslosenquote, einen gesunden Mittelstand, eine gute Gewerbeflächenpolitik und die perfekte Lage an den Autobahnen A1 und A30. Wenn wir in dieser wirtschaftlichen Entwicklung den Denkmalschutz und die Bergbautradition wahren, haben wir ein Alleinstellungsmerkmal in unserer Region.“ Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es einer engagierten Bürgerschaft, die die Stärken der Region kennt und sich für sie einsetzt. „Wir glauben, dass die Bürger die Experten vor Ort sind und es wichtig ist, jedem die Möglichkeit zu geben, sich in einen solch spannenden Prozess einzubringen.“ Mit INKA können sich auch jene Bürger beteiligen, die ungern an klassischen analogen Versammlungen und Stadtteilgesprächen teilnehmen. Sie können nun über das Internet aktiv eigene Vorschläge einreichen und andere Ideen bewerten. „Wir haben bereits vorher mit tetraeder.com in der Online-Beteiligung für das formelle Bauleitplanverfahren gearbeitet und hier viele gute Erfahrungen gesammelt. Nun können wir mit INKA unsere bisherige Bürgerbeteiligung über Bürgerversammlungen, direkte Gespräche, E-Mails oder Postkarten hinaus ergänzen“, so Umlauf. In Ibbenbüren ist man begeistert von der Vielzahl konstruktiver Vorschläge, die die Konversionsgruppe über INKA erreicht hat. Mittlerweile ist sogar angedacht, die besten unter ihnen zu prämieren.

Tobias Kreutzer ist freier Journalist in Dortmund.




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