Sonntag, 15. Juni 2025

InterviewOffenheit hat Priorität

[21.02.2022] Die bayerische Landeshauptstadt hat ein klares Bekenntnis zum Einsatz von offenen Schnittstellen und Open-Source-Lösungen abgelegt. Mit welchen Maßnahmen und Projekten die Stadt dies umsetzt, erläutert Münchens Chief Digital Officer (CDO) Thomas Bönig.
Thomas Bönig

Thomas Bönig

(Bildquelle: Landeshauptstadt München)

Herr Bönig, die Stadt München verpflichtet sich in ihrer Digitalisierungsstrategie unter anderem zum Prinzip digitale Souveränität. Welche Bedeutung hat das Thema für die Landeshauptstadt?

München hat sich in der Fortschreibung seiner Digitalisierungsstrategie im Jahr 2020 dem strategischen Prinzip der digitalen Souveränität als Ziel und Grundlage für IT-Entscheidungen verpflichtet. Die digitale Souveränität einer Kommune wird dann bedroht, wenn der selbstbestimmte Umgang mit anvertrauten oder erhobenen Daten nicht mehr frei von Eingriffsmöglichkeiten Dritter gewährleistet werden kann oder Monopole und Abhängigkeiten, etwa von Software-Unternehmen, in bestimmten Bereichen jegliche Entscheidungsfreiheit verhindern. Dementsprechend hat digitale Souveränität für die Landeshauptstadt München eine sehr große Bedeutung.

Welche Voraussetzungen müssen für digitale Souveränität geschaffen werden?

Die erwähnten Entscheidungen im Rahmen der Digitalisierung bewegen sich in einem Spannungsfeld, in dem einerseits hohe Unabhängigkeit erkauft werden muss und andererseits Lock-in-Effekte und moderne Bereitstellungsmodelle dafür sorgen, dass Freiheitsgrade eingeschränkt und Eingriffsmöglichkeiten Dritter eröffnet werden könnten. Da wir die digitale Transformation der Stadt ernst nehmen, haben wir die Herstellerunabhängigkeit zunehmend im Blick. Um dem Anspruch der digitalen Souveränität gerecht werden zu können, müssen wir zudem die Organisation über alle Ebenen hinweg entsprechend ausrichten. Das beginnt bei der Digitalisierungsstrategie, setzt sich bei der IT-Strategie fort und reicht bis hin zu konkreten Vorgaben für Entwicklungsprozesse von IT-Lösungen und -Services. So verfolgen wir das Ziel einer Plattformorientierung und verbinden dies mit einem klaren Bekenntnis zum Einsatz offener Schnittstellen und Open-Source-Lösungen – wann immer es strategisch, wirtschaftlich und technologisch sinnvoll ist. Nicht vergessen werden dürfen auch Kooperationen – insbesondere im kommunalen Bereich –, um unsere Position gegenüber Anbietern zu stärken und gemeinsam Lösungen und Kompetenzen zur Sicherung der digitalen Souveränität aufzubauen.

„München setzt überall dort auf Open-Source-Lösungen, wo entsprechende Software verfügbar ist.“
Welche Wege beschreitet die Stadt München konkret, um das Ziel „mehr Open Source“ zu erreichen?

Sowohl die Digitalisierungsstrategie als auch die IT-Strategie geben klare Ziele und Vorgaben hinsichtlich Open Source, welche bei der Entwicklung von IT-Lösungen oder -Services zu berücksichtigen sind. Wir haben den Auftrag des Stadtrats, über die Schaffung eines Open Source Hub die nötigen Kompetenzen für den Einsatz von Lösungen in unserer IT zu stärken. Verfügbare Open-Source-Lösungen müssen wir für unsere Zwecke einsetzbar machen. München verfügt über die erforderlichen Fähigkeiten bereits heute. Aktuell arbeiten wir unter dem Titel „München Portal der Zukunft“ an einem großen Projekt. Ziel ist es, für die Verwaltung der Stadt München eine moderne Präsenz in der digitalen Welt zu schaffen und eine Digitalisierungsplattform zur Verfügung zu stellen, auf der Verwaltungsprozesse benutzerzentriert angeboten werden.

In welchen Bereichen setzt die Stadt bereits Open-Source-Lösungen ein?

Die Stadt München setzt seit Langem überall dort auf Open-Source-Lösungen, wo entsprechende Software verfügbar und in der IT-Welt gut etabliert ist. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt nutzen wir zum Beispiel im Rechenzentrum im Server-Bereich überwiegend Linux-Lösungen. Auch bei den Themen Datenbanken und Webserver setzen wir in vielen Bereichen zu nennenswerten Teilen auf Open Source. Ein wichtiger Schritt war zudem, bei der Definition unserer strategischen Plattform für Software-Eigenentwicklungen vollständig auf Open-Source-Komponenten zu setzen. Auf dieser Basis wurde etwa der öffentlich zugängliche Mietspiegel 2021 umgesetzt.

Welche Vorhaben sind für die Zukunft geplant?

Ein wichtiger Aspekt der jüngeren Open-Source-Priorisierung der Landeshauptstadt ist das Prinzip „Public Money, Public Code“. In diesem Sinne werden alle künftigen Eigenentwicklungen nicht nur auf offenen Standards basieren, sondern wir werden die entstehende Software auch als Open Source zur Verfügung stellen. Als Projekt mit besonderer Bedeutung sei hier noch einmal das „München Portal der Zukunft“ erwähnt. Viele Bürgerinnen und Bürger werden in Zukunft mit der Plattform interagieren, wenn sie auf Services der Stadt zurückgreifen. Auch bei Projekten wie der Ablösung der heutigen Online-Terminvereinbarung durch eine neue Software kommt Open Source zum Einsatz.

Welche Rolle spielt die Open Source Factory (OSF) in der Strategie der Stadt München?

Die Open Source Factory ist ein wichtiger Baustein im Rahmen der Münchner Open-Source-Strategie. Im Munich Urban Colab, das gemeinsam von UnternehmerTUM und Landeshauptstadt gegründet wurde, versuchen wir in dreimonatigen Sprints, Themenstellungen der Stadt in internationalen Teams bearbeiten zu lassen. Diese bauen auf Basis von Open Source Software digitale Prototypen, die München und anderen Kommunen helfen, ihren Weg der Digitalisierung konsequent weiterzugehen. Die Themenfindung findet gemeinsam mit der Politik statt. Zuletzt wurde etwa der Prototyp eines WC-Finders für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen entwickelt. Da das Thema auf breite Akzeptanz stößt und Interesse bei anderen Kommunen besteht, wird weitere drei Monate daran gearbeitet, um die Lösung einerseits für den produktiven Einsatz in der Stadt München zu finalisieren und andererseits auszuloten, inwieweit das Produkt Grundlage für die Gründung eines Start-ups sein kann.

Das IT-Referat beteiligt sich zudem an einer Arbeitsgruppe der Open Source Business Alliance (OSBA) zum Aufbau eines Verzeichnisses für Code der öffentlichen Hand – was steckt hinter diesem Engagement?

Eine zentrale Plattform zum Austausch von Software, die durch öffentliche Mittel finanziert und als Open Source zur Verfügung gestellt wird, ist Dreh- und Angelpunkt, um den Ansatz „Public Money, Public Code“ zu operationalisieren. Auf einer solchen Plattform wird nicht nur die Software selbst ausgetauscht, sondern auch die Zusammenarbeit, zum Beispiel hinsichtlich von Updates, organisiert. Die Stadt München prüft derzeit, auf welcher Plattform wir unsere Entwicklungen veröffentlichen werden. Als langjähriges Mitglied der OSBA arbeiten wir unter anderem an einem Open Source Code Repository mit und sind Teil der Arbeitsgruppe, die das Thema als Handlungsfeld 7 der Verwaltungscloud bearbeitet. Derzeit pilotieren wir die entstehende Plattform mit einer konkreten Eigenentwicklung, die wir dort veröffentlichen wollen. Dabei geht es um ein Plug-in, das die Aufnahme der BayernID in die Open-Source-Lösung Keycloak realisiert – ein zentrales Element, um die digitalen Identitäten der Bürgerinnen und Bürger für Services der Stadt München nutzbar zu machen.

Interview: Bettina Weidemann




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: IT-Infrastruktur
Amt Föhr-Amrum Gebäude
bericht

Föhr-Amrum: Mit vereinten Kräften

[28.05.2025] Das Amt Föhr-Amrum hat vor rund einem Jahr eine Verwaltungskooperation mit dem Land Schleswig-Holstein getroffen. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. mehr...

Hardware, die mit darüber schwebenden Wolken verbunden ist.
bericht

IT.NRW: Basis der Modernisierung

[26.05.2025] Mit einer föderal anschlussfähigen Multi-Cloud-Architektur unterstützt IT.NRW den Aufbau interoperabler IT-Strukturen, entwickelt standardisierte Verwaltungsdienste und trägt zur sicheren Digitalisierung in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus bei. mehr...

Mehrere Personen stehen nebeneinander, im Hintergrund ist unter anderem ein Monitor zu sehen.

Freudenberg: Bürgerbüro arbeitet effizienter

[26.05.2025] Ein neues Terminvereinbarungs- und Besucherleitsystem optimiert in der Stadt Freudenberg die Arbeitsabläufe im Bürgerbüro. Das kommt nicht nur den Verwaltungsmitarbeitenden, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern zugute. mehr...

Neben dem Eingang zum Amt Hüttener Berge ist das Bürgerinfoterminal installiert.
bericht

Hüttener Berge: Digitale Überzeugungstäter

[15.05.2025] Als eine der ersten Kommunen in Schleswig-Holstein hatte das Amt Hüttener Berge eine Digitalisierungsstrategie und hat inzwischen zahlreiche Maßnahmen seiner Digitalen Agenda umgesetzt. Die gewonnenen Erkenntnisse kommen auch anderen Kommunen zugute. mehr...

Gruppenfoto der Prozessmanagement@ERK-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer.

Ennepe-Ruhr-Kreis: Interkommunales Prozessmanagement

[14.05.2025] In einem interkommunalen Projekt widmen sich der Ennepe-Ruhr-Kreis und die Städte Witten, Hattingen, Gevelsberg, Wetter und Sprockhövel dem Prozessmanagement. Unter anderem wollen sie ein gemeinsames Prozessregister aufbauen. Der Austausch zwischen den Teilnehmenden ist ein zentraler Aspekt des Vorhabens. mehr...

Nextcloud-Geschäftsführer Frank Karlitschek und Thomas Bönig, CIO und CDO der Landeshauptstadt Stuttgart und Leiter des Amts für Digitalisierung, Organisation und IT (DO.IT) reichen einander die Hand.

Stuttgart: Plattform erleichtert Zusammenarbeit

[12.05.2025] Einfach, effizient und dennoch sicher soll die digitale Zusammenarbeit in der Stadtverwaltung Stuttgart vonstatten gehen. Gleiches gilt für den Datenaustausch mit externen Partnern. Dafür setzt die baden-württembergische Landeshauptstadt nun eine Kollaborationsplattform ein. mehr...

Gruppenfoto von Henning Kohlmeyer, Lara Kremeyer, Massih Khoshbeen und Martial Koyou-Schiffer, die in Hannover mit der E-Government-Plattform cit intelliForm arbeiten.
bericht

Hannover: Schritt für Schritt zum Ziel

[30.04.2025] Die Verwaltungsdigitalisierung ist eine zentrale Herausforderung für Kommunen. Die Stadt Hannover zeigt, wie es mit einem Low-Code-Ansatz gelingen kann, Verwaltungsleistungen effizient zu digitalisieren und gleichzeitig interne Prozesse zu optimieren. mehr...

Simulation des neuen Verwaltungsgebäudes, das in Ebern errichtet werden soll.
bericht

Bauamt Schweinfurt: Erstes BIM-Projekt in Ebern

[30.04.2025] In Ebern soll ein neues Verwaltungsgebäude für die Landesbaudirektion Bayern errichtet werden. Es ist das erste Building-Information-Modeling-Projekt des Staatlichen Bauamts Schweinfurt. Ein virtueller Projektraum sorgt teamübergreifend für Übersicht. mehr...

Schreibtisch mit Kopfhörer und weiblicher Person im Hintergrund an einem PC.

Artland: Kommunikationslösung mit Zukunft

[29.04.2025] Effizient, flexibel, sicher und zukunftsweisend ist die neue Telefonielösung der Samtgemeinde Artland. Die cloudbasierte und in Deutschland gehostete Unified Communications and Collaboration (UCC)-Anwendung ist einfach zu bedienen und erlaubt eine ortsunabhängige Kommunikation bei nahtloser Erreichbarkeit. mehr...

München: Über eine cloudbasierte Datenaustauschplattform können Bürger nun sicher mit der Verwaltung kommunizieren.

München: Fortschritte bei der Digitalisierung

[28.04.2025] Den aktuellen Bericht, der die Fortschritte im Bereich Digitalisierung aufzeigt, hat das IT-Referat der Stadt München jetzt vorgestellt. Ein Highlight der diesjährigen Auflistung ist das Vorankommen im Handlungsfeld Digital Government. mehr...

Eine Hand hält ein Smartphone, auf dessen Bildschirm das Terminmanagement-System der Stadt Essen zu sehen ist, im Hintergrund ist verschwommen das Serviceterminal zu sehen.

Essen: Neue Terminlösung hat Erfolg

[17.04.2025] Seit acht Monaten kommt in Essen ein neues Terminmanagementsystem zum Einsatz. Die Lösung wird gut angenommen und verbessert die Abläufe vor Ort. Sukzessive wird sie auf alle termingebundenen Dienstleistungen der Stadt ausgeweitet. mehr...

Außenansicht des Landratsamts Schmalkalden-Meiningen.

Kreis Schmalkalden-Meiningen: IT-Infrastruktur zentralisiert

[16.04.2025] Im Kreis Schmalkalden-Meiningen ist der Kommunale IT-Service (KitS) für die IT-Infrastruktur der Kommune, ihrer Schulen und der öffentlichen Unternehmen zuständig. Um dieser Aufgabe besser nachkommen zu können, setzt der KitS nun eine zentralisierende, hyperkonvergente Lösung ein. mehr...

Ein Schulkind schaut seinem Nebensitzer über die Schulter, um abzuschreiben.
bericht

Lüneburg: Abgucken erwünscht

[04.04.2025] Die Hansestadt Lüneburg hat die Anmeldung für Grundschulen digitalisiert. Mit dem Formular-Editor von NOLIS hat sie eigenständig ein Onlineformular entwickelt, das eine digitale Anmeldung an allen Grundschulen in öffentlicher Trägerschaft ermöglicht. mehr...

Zahnräder greifen ineinander, wie Prozesse und Formulare via Picture und formcycle ineinander greifen.

Picture / XIMA Media: Schnittstelle vereint Prozesse und Formulare

[31.03.2025] Die Unternehmen Picture und XIMA Media haben eine Schnittstelle zwischen der PICTURE-Prozessplattform und dem Formularsystem formcycle realisiert. Somit können bei der Prozessmodellierung gezielt passende Formulare und Assistenten ausgewählt und mit dem Prozessschritt verknüpft werden. mehr...

Eine Frau wirft einen Stimmzettel in einer Wahlurne, im Hintergrund die Deutschlandfahne.

SIT/KDVZ/regio iT: Bundestagswahl gemeinsam gemeistert

[04.03.2025] Gemeinsam haben die KDVZ Rhein-Erft-Rur in Frechen, die regio iT in Aachen und die Südwestfalen-IT mit Standorten in Hemer und Siegen für den sicheren technischen Ablauf der Bundestagswahl in ihrem Zuständigkeitsbereich gesorgt. mehr...