InterviewSoftware-Silos aufbrechen

Dr. Ariane Berger
(Bildquelle: Privat)
Frau Dr. Berger, welche Bedeutung hat für Sie die Teilnahme an der diesjährigen Smart Country Convention?
Die diesjährige Smart Country Convention fällt in eine ungemein spannende Zeit. Das jüngst beschlossene Konjunkturpaket des Bundes beschleunigt Digitalisierungsprojekte in den verschiedensten Themenfeldern. Ein Schwerpunkt der diesjährigen Konferenz ist daher zu Recht erneut die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG), aber auch die Digitalisierung im Bereich Gesundheit. Besondere Bedeutung hat für uns als Deutscher Landkreistag die Adressierung des ländlichen Raums. Digitalisierung ist ein wesentlicher Treiber zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im ländlichen Raum.
Welche Erwartungen haben Sie an das digitale Format der SCC?
Die SCC bietet dieses Jahr ein interessantes Format, welches die Vorteile des persönlichen Austauschs mit den Erfordernissen pandemiebedingter Virtualität kombiniert. Ich bin gespannt, wie sich das bewährt.
Sie vergleichen die Kommunen mit Blick auf den Stand der OZG-Umsetzung mit vielen bunten Blumen. Warum?
Deutschland baut Software-Lösungen für die öffentliche Verwaltung auf allen föderalen Ebenen. Insbesondere die Kommunen, Hauptvollzugsebene in Deutschland, verfügen über eine Vielzahl verschiedener digitaler Lösungen. Dies betrifft den OZG-Bereich ebenso wie den Bereich der digitalen Daseinsvorsorge, das heißt insbesondere Bildung, Gesundheit und Mobilität. Bislang stehen diese digitalen Lösungen jedoch regelmäßig vereinzelt für sich, ohne dass eine echte Arbeitsteilung und ein Austausch von Software-Lösungen untereinander, also Nachnutzung, stattfindet. Das ist ineffizient und teuer.
„Die OZG-Umsetzung kann nur gelingen, wenn der alte Musketieransatz konsequent umgesetzt wird: Einer für alle!“
Lässt sich ein Weg finden, mit dem Kommunen und Länder nicht nur innerhalb ihrer eigenen IT-Landschaft Lösungen entwickeln, um Verwaltungsleistungen digital verfügbar zu machen?
Der IT-Planungsrat hat jüngst beschlossen, dass die finanzielle Unterstützung der Länder aus dem Konjunkturpaket im Rahmen der OZG-Umsetzung an den Grundsatz ‚einer für alle‘ geknüpft ist. Das ist ein richtiger erster Schritt. Diese zentrale Bedingung muss nun mit Leben erfüllt werden. Dies setzt neben dem politischen Willen in den Ländern und der entsprechenden Finanzierung, die bei den Kommunen ankommen muss, auch ein umfassendes Nachnutzungskonzept voraus. Hier geht es um die Schaffung einheitlicher Standards und Schnittstellen und eine Öffnung der bislang geschlossenen Portallandschaft in den Ländern.
Welche Rolle spielen dabei Entwicklungsgemeinschaften und Austauschplattformen?
Ziel muss es sein, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam und länderübergreifend Software-Lösungen entwickeln. Nur so ist sichergestellt, dass das entstehende Software-Produkt nicht nur die Erfordernisse der jeweiligen IT-Landschaft erfüllt, sondern hochgradig kompatibel ist. Entwicklungsgemeinschaften befördern Standardisierung und Interoperabilität. Die dann hoffentlich in großer Menge entstehenden Software-Lösungen müssen allen zur Verfügung gestellt werden. Hierzu bedarf es neben rechtlicher Rahmenbedingungen einer oder mehrerer technischer Austauschplattformen, über die auf die digitalen Lösungen zugegriffen werden kann.
Der Deutsche Landkreistag fordert Microservices als Standard für neue Software. Was verstehen Sie darunter?
Der Begriff Microservices beschreibt modulare, gekapselte und damit hochgradig lauffähige Software. Vereinfachend lassen sich Microservices als ‚Software-Schnipsel‘ beschreiben, die sich in die jeweilige IT-Landschaft einfügen lassen. Sie sind damit ein Instrument, um Software-Silos aufzubrechen und Nachnutzung zu ermöglichen. Sie ergänzen in ihrer Funktion die klassischen XÖV-Standards des IT-Planungsrats.
Der IT-Planungsrat hat die Einrichtung des FIT-Stores, eines App-Stores für die öffentliche Verwaltung, angekündigt. Wie bewerten Sie diese Pläne?
Der Begriff FIT-Store beschreibt zunächst einmal ein vergaberechtliches Instrument, welches es Bund und Ländern rechtlich ermöglichen soll, digitale Lösungen untereinander auszutauschen. Die Föderale IT-Kooperation (FITKO) soll als Inhouse-Gesellschaft dienen. Dass vergaberechtliche Hürden den Austausch von digitalen Lösungen zwischen öffentlichen Auftraggebern erschweren, ist unbestritten. Insoweit ist ein gemeinsames Regelwerk zu befürworten. Der Deutsche Landkreistag fordert hier die unmittelbare Einbindung der Kommunen. Der FIT-Store kann eine sinnvolle Ergänzung zu den bisherigen Wegen der IT-Beschaffung in den Kommunen darstellen.
Was steht einer länderübergreifenden Kooperation in Bezug bei der OZG-Umsetzung im Weg?
Hier spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Neben der bestehenden heterogenen Anbieterlandschaft im Bereich IT, die regional begrenzt ist und ihre eigenen Geschäftsinteressen verfolgt, ist auch der technische Aspekt der Interoperabilität nicht banal. Letztlich ist es ein kulturelles Problem. Länderübergreifende Kooperation in diesem Ausmaß – also nicht nur singulär in einzelnen Aufgabenbereichen und Projekten, sondern in allen Themenfeldern der öffentlichen Verwaltung und langfristig angelegt – ist insbesondere für Bund und Länder neu und muss erst eingeübt werden.
Welche Vorteile hat es für die Kommunen, wenn IT-Lösungen bundesweit verfügbar werden?
Die Kommunen stehen vor der riesigen Herausforderung, digitale Lösungen selbst zu entwickeln oder entwickeln zu lassen, diese mit den bestehenden digitalen Prozessen im eigenen Haus zu verknüpfen und zugleich einen Anschluss an die eigenen Verwaltungsportale und die Länderportale sicherzustellen. Diese Entwicklungs- und Integrationsleistung ist eine höchst kostenintensive Mammutaufgabe und betrifft alle Aufgabenfelder gleichermaßen. Die Kommunen sind daher darauf angewiesen, dass Lösungen leicht integrierbar sind und die Kosten hierfür im Rahmen bleiben. Hier kann Anbietervielfalt und Wettbewerb nur helfen.
Was muss in der verbleibenden Zeit noch geschehen, damit die OZG-Umsetzung rechtzeitig und erfolgreich gemeistert werden kann?
Eine rechtzeitige und erfolgreiche OZG-Umsetzung kann nur gelingen, wenn der alte Musketieransatz konsequent umgesetzt wird: Einer für alle!
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Oktober 2020 von Kommune21 im Schwerpunkt Smart Country Convention erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
Augsburg: Echtzeitdaten zu Bus und Bahn
[12.05.2025] Augsburg hat sein Smart-City-Dashboard um zwei neue Datenbausteine erweitert: Neben Live-Daten zum ÖPNV sind nun auch aktuelle Zahlen zum Radverkehr abrufbar. Die Urbane Plattform bildet das Fundament für eine smarte, integrierte Verkehrssteuerung. mehr...
Smart City und E-Government: Ganzheitlich denken
[08.05.2025] Eine NEGZ-Studie hat die Synergieeffekte zwischen Smart City und E-Government in den Blick genommen. Studienautor Christian Schachtner, Professor an der Hochschule RheinMain, erläutert die Ergebnisse. mehr...
Baden-Württemberg: Parkraumkontrolle mit Scan-Fahrzeug
[08.05.2025] Als erstes Bundesland ermöglicht Baden-Württemberg den Einsatz von Scan-Fahrzeugen zur digitalen Parkraumkontrolle. Um die Einführung in den Kommunen zu erleichtern, wird ein Pilotversuch auf den Parkplätzen der Universität Hohenheim durchgeführt. mehr...
Kreis Wunsiedel: FichtelApp besonders nutzerfreundlich
[08.05.2025] Im Smart‑City‑App‑Vergleich des Bundesinstituts für Bau‑, Stadt‑ und Raumforschung (BBSR) hat die FichtelApp des Landkreises Wunsiedel hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit den ersten Platz belegt. mehr...
Data Governance Wegweiser: Praxisnahe Anleitung für Kommunen
[06.05.2025] Mit dem Data Governance Wegweiser steht den Kommunen nun ein Werkzeugkasten für den strategischen Umgang mit Daten zur Verfügung. Er thematisiert die rechtlichen Unsicherheiten sowie unklaren Zuständigkeiten, Strukturen und Prozesse, die oft verhindern, dass Digitalisierungsprojekte aus der Planungsphase herauskommen. mehr...
Kreis Wunsiedel: Fichtelgebirge als digitale Modellregion
[06.05.2025] Von einem Ideenwettbewerb, bei dem Start-ups digitale Lösungen für die Stadtentwicklung pilotieren, sollen die Kommunen im Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge profitieren. Gesucht wurden unter anderem Lösungen für die smarte Müllerfassung, die intelligente Buchung kommunaler Sporthallen oder eine Augmented-Reality-Anwendung für Wanderwege. mehr...
Arnsberg: Sensoren sammeln Umweltdaten
[05.05.2025] Lokale Umweltdaten, mit denen sich klimatische Entwicklungen nachvollziehen lassen, sind eine wertvolle Grundlage für die Stadtentwicklung. In Arnsberg werden solche Informationen künftig in einem Klimadashboard gebündelt. Bei der Erhebung der Daten mittels Sensoren nimmt die Stadt die Hilfe der Bürgerinnen und Bürger in Anspruch. mehr...
Mannheim: Grünflächen smart reinigen
[02.05.2025] Ob ein autonomer Roboter die Reinigung öffentlicher Grünflächen übernehmen kann, will die Stadt Mannheim herausfinden. Sechs Monate lang testet sie nun ein solches Gerät, das kleinteiligen Müll wie Zigarettenstummel oder Kronkorken erkennen kann. Bevor es den Unrat einsammelt, meldet es diesen georeferenziert. mehr...
Hanau: Roadshow im Sinne der Bürgerbeteiligung
[02.05.2025] Mit einer Roadshow zur Smart City wendet sich die Stadt Hanau an ihre Bürgerinnen und Bürger. Zum einen will sie in diesem Rahmen die in Hanau bereits vorhandenen smarten Lösungen sichtbar machen. Zum anderen will sie die Meinungen, Anregungen und Impulse der Bürgerschaft dazu aufnehmen. mehr...
Arnsberg: 3D-Stadtmodell mit neuen Funktionen
[30.04.2025] Die Stadt Arnsberg hat ihren Digitalen Zwilling erweitert: Neu integriert sind eine 3D-Solarpotenzialanalyse und die Visualisierung beantragter Windkraftanlagen. Ziel ist es, nachhaltige Energieprojekte gezielt zu fördern und zu unterstützen. mehr...
Friedrichshafen: LoRaWAN liefert wertvolle Daten
[29.04.2025] Mit LoRaWAN arbeitet jetzt die Stadt Friedrichshafen. Ergänzt um KI-gestützte Kamerasensoren überwacht sie damit beispielsweise den Belegungszustand von Rettungszufahrten. Auch den Standort von Rettungsringen am Bodenseeufer oder den Verbleib mobiler Stadtmöbel kann sie damit einfach und datenschutzkonform nachvollziehen. mehr...
Lübeck: VIAA setzt neue Maßstäbe
[28.04.2025] Die Stadt Lübeck beschreitet mit ihrem vom Bund geförderten Verkehrsprojekt neue Wege. Die Kombination aus moderner Technologie, datenbasierter Analyse und praxisnahen Testfeldern ermöglicht eine flexible, nachhaltige und zukunftssichere Verkehrssteuerung. mehr...
Jena: Smarter und vernetzter
[25.04.2025] Im Rahmen des Smart-City-Projekts der Stadt Jena sind bereits zahlreiche innovative Lösungen für aktuelle Herausforderungen entwickelt worden – vom Umweltschutz über digitale Teilhabe bis hin zu Gesundheitsversorgung und Mobilität. mehr...
Regensburg: Verbessertes Verkehrsmanagement
[24.04.2025] Mit einem umfassend modernisierten Verkehrsmanagementsystem arbeitet jetzt die Stadt Regensburg. Herzstück ist der erneuerte zentrale Verkehrsrechner. Auch wurden Ampelanlagen modernisiert, Umweltsensoren installiert und ein digitales Qualitätsmanagement eingerichtet. mehr...
Menden: Digitaler Zwilling veröffentlicht
[23.04.2025] Einen Digitalen Zwilling der Stadt bietet jetzt die Smart City Menden an. Die neue Onlineplattform zeigt lokale Umwelt- und Klimadaten in Echtzeit an und bietet damit praktische Funktionen für den Alltag – vom Hochwasserschutz mithilfe von Live-Pegeldaten bis hin zum digitalen Besuch eines 3D-Stadtmodells. mehr...