FachverfahrenSpiegel der Weltpolitik

Software für das Ausländerwesen muss eine komplexe Rechtsmaterie abbilden.
(Bildquelle: bartusp/123rf.com)
Mit 450.000 ausländischen Einwohnern ist München eine der Städte mit dem größten Ausländeranteil in Deutschland. Entsprechend groß ist die Datenmenge, die in der dortigen Ausländerbehörde verwaltet wird. Da die bestehende Software komplex zu warten und aus technischer Sicht nicht mehr aktuell war, beschloss die bayerische Landeshauptstadt, ein neues Fachverfahren einzuführen. Im Rahmen eines Ausschreibungs- und Vergabeverfahrens fiel die Wahl auf die Lösung OK.VISA der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB). Inzwischen arbeiten damit über 400 Mitarbeiter der Behörde.
Kaum ein Verwaltungsbereich bildet die Weltpolitik so unmittelbar ab wie die Ausländerbehörde. Migrationsbewegungen spiegeln sich ebenso wider wie Brexit, Geburtenrückgänge oder europapolitische Entscheidungen. Die Arbeitsprozesse der Behörde werden daher ständig an rechtliche Änderungen angepasst. Eva Seebald-Thill, Unterabteilungsleiterin in der Münchner Ausländerbehörde, arbeitet hier seit 1989 und bringt es auf den Punkt: „In der Ausländerbehörde ist die einzige Konstante die Veränderung.“ Eine Software für das Ausländerwesen muss diese komplexe, dynamische Rechtsmaterie abbilden und möglichst leicht in der Wartung sein.
OK.VISA erfüllte alle Kriterien
„Unser altes Fachverfahren hatten wir über zehn Jahre im Einsatz, es war in die Jahre gekommen“, so Seebald-Thill. „Die Software war an ein Dokumenten-Management-System gekoppelt und ihre Wartung extrem aufwendig und kompliziert. Die Landeshauptstadt beschloss, dass es Zeit für eine neue Software war. Und so gab es 2017 eine öffentliche Ausschreibung.“ Die Anforderungen wurden in einer umfangreichen Leistungsbeschreibung festgehalten. „Wir wollten eine Lösung, die eine rechtskonforme, gerichtsverwertbare und revisionssichere Fallbearbeitung technisch unterstützt. Selbstverständlich ist es uns wichtig, dass jeder Fall und jeder Aufenthaltstitel exakt dokumentiert wird und ersichtlich ist, welche Sachbearbeiterin oder welcher Sachbearbeiter zu welchem Zeitpunkt welche Eingaben gemacht hat und welches Dokument sie oder er ausgestellt hat.“
Ob Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsgestattung, EU-Aufenthaltstitel oder Duldung: Es muss gewährleistet sein, dass ein Dokument nur ein einziges Mal an eine Person ausgestellt und kein Missbrauch getrieben wird. Umfangreiche Zugriffsberechtigungen und -beschränkungen sowie die Möglichkeit zur Revision sollen all das unterstützen. „Außerdem wollten wir eine Software, die zentrale Zahlvorgänge unterstützt, denn wir haben in München eine zentrale Kasse und Kassenautomaten. OK.VISA“, so Seebald-Thill, „erfüllte diese Kriterien.“ Und so erhielt die AKDB-Software den Zuschlag.
Anpassung der Software an Münchner Gegebenheiten
Als größte kommunale Ausländerbehörde in Deutschland verwaltet München über eine Million Ausländerakten mit durchschnittlich jeweils an die hundert Seiten. Die Datenmigration von der einen in die andere Software musste also unbedingt automatisiert erfolgen. „Eine händische Eingabe wäre ein K.o.-Kriterium gewesen.“ Die Ablösung des alten Fachverfahrens musste bis ins kleinste Detail geplant werden und schrittweise erfolgen. „Wir haben dafür ein eigenes Projekt mit wöchentlichen Meetings aufgesetzt. Und zwar schon lange bevor wir mit der eigentlichen Software-Einführung begonnen haben. Denn es galt, fachliche Anforderungen zu definieren, die Finanzierung zu sichern, Testfälle zu gestalten, die Ausschreibung zu machen“, erinnert sich Seebald-Thill. „Das Kern-Team in der Behörde zählte 15 Personen, insgesamt waren in die Einführung aber über 100 Personen involviert.“
Die AKDB-Entwickler passten OK.VISA an die Münchner Gegebenheiten an. Es musste geklärt werden, welche konkreten Angaben auf die Quittung gehören und ob der Antragsteller mit einem Laufzettel zur Kasse geht oder die Gebühr stattdessen auf einem Chip gespeichert wird, den man in den Kassenautomaten eingibt. Zudem mussten neue Wege gefunden werden, wie aus dem Fachverfahren heraus die Benachrichtigung an Kollegen möglich ist, dass ein Teil des Falls bearbeitet wurde und dieser zur Weiterbearbeitung übergeben wird. „Hier haben wir zum Beispiel die Software-Funktion ‚Wiedervorlage‘ für unser Ziel zweckentfremdet“, sagt Seebald-Thill. Die Möglichkeit, Teile der Arbeit digital weiterzuleiten, ist im Ausländerwesen besonders wichtig. Die Zuständigkeiten sind strikt getrennt, um Revisionssicherheit zu garantieren. „Bei uns gibt es Organisationseinheiten, die den Fall prüfen und entscheiden, ob ein Aufenthaltstitel erteilt wird, dann gibt es eine weitere Organisationseinheit, die entweder das Etikett oder die Gestattung ausdruckt – oder einen elektronischen Aufenthaltstitel bei der Bundesdruckerei in Auftrag gibt und ihn nach Eingang an die Kundinnen und Kunden aushändigt.“
Noch vieles zu justieren
Eva Seebald-Thill weiß, dass die Einführung von OK.VISA nicht die einzige Veränderung sein wird, die in Zukunft auf ihre Ausländerbehörde zukommt. „Das Onlinezugangsgesetz verpflichtet Kommunen, bis 2022 alle Verwaltungsdienstleistungen auch online anzubieten. Intern entwickeln wir bereits strukturierte Kontaktformulare, in denen Antragsteller auch Dokumente hochladen können“, berichtet sie. „Aber wir sind zum Teil darauf angewiesen, was Bund und Länder uns vorgeben. Die AKDB hat ja den Online-Dienst für die Beantragung eines Aufenthaltstitels für das Land Brandenburg entwickelt, der für andere Ausländerbehörden nachnutzbar ist.“ Ihr ist bewusst, dass bei der Entwicklung eines Online-Antrags der Sicherheitsaspekt wichtig ist, vor allem die Feststellung der Identität. Deswegen glaubt sie nicht, dass es in der unmittelbaren Zukunft weniger Parteiverkehr geben wird. „Für die Beantragung von Aufenthaltstiteln müssen die Antragsteller physisch anwesend sein, damit biometrische Daten erfasst werden – etwa Fingerabdrücke. Wir bewegen uns im Bereich des Sicherheitsrechts. Da wird bei der Entwicklung vollkommen digitaler Lösungen noch Vieles zu justieren sein, auch über den Gesetzgeber“, meint Seebald-Thill. Denkbar wäre eine vollständige Online-Beantragung jedoch allemal. „Wenn sich die Technik weiterentwickelt, wird das irgendwann gehen. Etwa über ein zentrales Bürgerkonto, über das man sich einmal registriert und mit dem man sich sicher bei allen Behördengängen identifizieren kann. Dann könnte auf viele Vorsprachen verzichtet werden.“
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Dieser Beitrag ist in der Ausgabe September 2021 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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