Freitag, 9. Mai 2025

DigitalisierungDas Ende der Papier-Ära

[01.04.2022] Die deutschen Behörden treiben ihre Digitalisierung inzwischen mit Nachdruck voran, doch wie könnte eine digitale Verwaltung der Zukunft tatsächlich aussehen? Welche Herausforderungen müssen Bund, Länder und Kommunen auf dem Weg dorthin bewältigen?
Blockchain und künstliche Intelligenz sind Schlüsseltechnologien bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.

Blockchain und künstliche Intelligenz sind Schlüsseltechnologien bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.

(Bildquelle: sashkin7/123rf.com)

Der digitale Wandel, der Wirtschaft und Gesellschaft seit einigen Jahren stark verändert, hat spätestens mit der Corona-Pandemie auch die öffentliche Verwaltung erfasst. Um ihre Dienste weiter erbringen zu können, mussten Behörden neue digitale Services anbieten und ihren Mitarbeitern zumindest teilweise die Heimarbeit ermöglichen. Verbunden war das mit der Modernisierung von IT-Landschaften und der Neuorganisation vieler interner Prozesse.
Noch befinden sich Bund, Länder und Kommunen am Anfang ihrer Digitalisierungsreise und haben weiterhin viel Arbeit vor sich, doch die vergangenen Monate haben gezeigt, dass schnelle Erfolge möglich sind. Beispielhaft dafür stehen die Antragsstrecken für Überbrückungshilfen und Kurzarbeitergeld, die binnen weniger Tage umgesetzt wurden. Dass es dann bei der Auszahlung der Gelder hakte, lag nicht an den entwickelten Lösungen, sondern an den bis dahin nicht abschließend geklärten Prüf- und Genehmigungsverfahren. Sobald diese finalisiert waren, konnten sie schnell in den neuen Anwendungen abgebildet werden.
Um Bürgern und Unternehmen künftig zeitgemäße Dienstleistungen anzubieten, brauchen Behörden eine Vielfalt solcher digitaler Services. Schließlich sind die Menschen aus ihrem privaten und beruflichen Alltag längst daran gewöhnt, viele Dinge online und remote am Notebook oder Smartphone zu erledigen. Wer Videos streamt, im Internet einkauft, den Hausarzt per Video konsultiert und jeden Tag virtuell mit Kollegen, Kunden und Geschäftspartnern zusammenarbeitet, möchte weder persönlich auf Ämtern vorsprechen noch Dokumente in Papierform einreichen müssen. Zwar sollen bis Ende 2022 nach den Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes (OZG) immerhin 575 Verwaltungsleistungen online bereitstehen, aber es bestehen erhebliche Zweifel, dass sich dieses Ziel erreichen lässt. Wenige Monate vor Fristablauf stecken viele Angebote noch in der Planungs- oder Umsetzungsphase. Lediglich ein Bruchteil ist bereits verfügbar – und das zumeist auch nur in wenigen Kommunen und damit nicht flächendeckend.

Es fehlt an durchgängig digitalen Prozessen

Damit letztlich alle Verwaltungsleistungen zu digitalen Services werden können, braucht es nicht nur weitere Investitionen und den Digitalisierungsschwung der Pandemie-Monate – auch der Gesetzgeber muss aktiv werden. Derzeit verlangt das Verwaltungsrecht bei vielen Dokumenten und Vorgängen noch die Schriftform, die eine vollständige Digitalisierung von Abläufen vielfach verhindert. Selbst dort aber, wo dies nicht der Fall ist und schon digitale Angebote bestehen, sind diese oft nur Fassade. Die Prozesse im Hintergrund sind die alten geblieben – mit vielen manuellen Bearbeitungsschritten, Medienbrüchen und Aktenbergen. Es ist keineswegs ungewöhnlich, dass digitale Dokumente für die weitere Bearbeitung oder die Ablage ausgedruckt werden oder dass Mitarbeiter Daten abtippen, um sie von einem System in ein anderes zu übertragen.
Was der öffentlichen Verwaltung häufig fehlt, sind durchgängig digitale Prozesse, die Systeme und Anwendungen, Abteilungen und Ressorts, ja sogar Behörden miteinander verbinden. Die Grundlage dafür sind neben Infrastrukturen auf Basis offener Plattformen, die Daten nicht in Silos einschließen, vor allem intelligente Anwendungen. Diese stellen alle Daten zusammen, die zu einem Vorgang gehören, automatisieren die meisten Bearbeitungsschritte und unterstützen Mitarbeiter mit Kontextinformationen und Handlungsempfehlungen bei Entscheidungen. Erst auf diese Weise verbessert sich die Nutzererfahrung für alle Beteiligten, und sowohl Bürger und Unternehmen als auch Behördenmitarbeiter profitieren davon.

KI und Blockchain sind Schlüsseltechnologien

Insbesondere künstliche Intelligenz (KI) ist hierbei eine Schlüsseltechnologie. Sie hilft bei der Prozessautomatisierung und Entscheidungsfindung im Behördenalltag, ermöglicht aber auch neue Self-Services, die Bürger ohne Unterstützung von Behördenmitarbeitern nutzen können. Darüber hinaus vermag KI durch Datenauswertungen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen frühzeitig aufzuzeigen. Dadurch kann die Politik beispielsweise bei der zielgerichteten Vergabe von Fördermitteln oder der Anpassung von Leistungen unterstützt werden. Ebenso großes Potenzial steckt in Blockchain-Technologien, mit denen sich etwa Dokumente manipulationssicher speichern oder die Identitäten von Bürgern und Unternehmen verifizieren lassen.

So könnte die digitale Verwaltung der Zukunft aussehen

Blickt man einige Jahre in die Zukunft, so könnte eine digitale Verwaltung folgendermaßen aussehen: Es existiert eine zentrale Plattform, auf der Bürger und Unternehmen alle digitalen Behördenservices vorfinden. Dort können sie nicht nur rund um die Uhr und ortsunabhängig ihre Anfragen und Anträge stellen, sondern auch jederzeit den aktuellen Bearbeitungsstand einsehen. Smarte Formulare, Chatbots und andere digitale Helfer unterstützen sie bei Dateneingaben, wobei sie Basisinformationen und Dokumente nur ein einziges Mal hochladen müssen, da der Austausch zwischen den Behörden nun reibungslos funktioniert. Viele Dinge, die heute noch beantragt werden müssen, leiten Bund, Länder und Kommunen idealerweise proaktiv und somit ohne aktives Zutun der Bürger in die Wege und zahlen beispielsweise Kindergeld aus oder verlängern den ablaufenden Personalausweis.
Dank standardisierter und automatisierter Prozesse sind die Bearbeitungszeiten für Bürger und Unternehmen angenehm kurz, während die Mitarbeiter der Verwaltung keine Zeit mehr damit verschwenden, sich Informationen zusammenzusuchen, Dokumente weiterzuleiten oder Freigaben und Genehmigungen einzuholen. Die gesamte Prozesssteuerung übernehmen Anwendungen, sodass sich die Mitarbeiter auf Entscheidungen, schwierige Fälle und einen guten Kundenservice konzentrieren können. Wie die Büroarbeiter in der Wirtschaft tun sie das wahlweise aus dem Büro oder Homeoffice – und dort, wo weiterhin Interaktionen mit Bürgern von Angesicht zu Angesicht notwendig sind, laufen diese zumeist über Telefon oder Video. Dadurch können Behörden die Zahl ihrer öffentlichen Anlaufstellen vor Ort reduzieren – eine gute Gelegenheit, zentrale Servicecenter zu etablieren, in denen sich behördenübergreifend nahezu alle Angelegenheiten erledigen lassen.

Homeoffice macht Arbeitsplätze attraktiver

Eine digitale Verwaltung erfüllt indes nicht allein den Zweck, Serviceleistungen für Bürger und Unternehmen zu verbessern oder den Arbeitsalltag der Beschäftigten zu erleichtern. Sie ist schlicht eine Notwendigkeit, um dem wachsenden Kostendruck und dem demografischen Wandel entgegenzuwirken. Viele Kommunen leiden bereits seit Jahren an finanziellen Engpässen und müssen nun auch die Belastungen der Pandemie stemmen. Effiziente digitale Prozesse können zu vielen Einsparungen beitragen und Budgets sowie Mitarbeiter für andere Aufgaben und Projekte freimachen. Zugleich helfen sie ihnen, langfristig mit weniger Personal auszukommen – werden der öffentlichen Verwaltung bis zum Jahr 2030 doch voraussichtlich rund 276.000 Verwaltungsfach- und Bürokräfte fehlen, dazu unzählige IT-Spezialisten, Juristen, Sozialwissenschaftler und Betriebswirte. Flexible Arbeitsmodelle, die erst durch digitale Lösungen möglich werden, verbessern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und erhöhen die Attraktivität von Stellen in der Verwaltung.
Darüber hinaus wird eine älter werdende Bevölkerung künftig stärker auf digitale Behördenservices angewiesen sein, weil sie Mobilitätseinschränkungen unterliegt. Hier spielt der demografische Wandel den Behörden allerdings auch in die Karten, denn die Rentner von Morgen werden sich mit digitalen Angeboten vergleichsweise leichttun. Sie haben die Digitalisierung privat und beruflich miterlebt oder sogar mitgestaltet und bringen daher die entsprechende Digitalkompetenz mit.

Jürgen Pruss ist Chief Technology Officer – Government bei Dell Technologies in Deutschland




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