Mittwoch, 25. Juni 2025

Dresdner ForderungenDas System neu justieren

[05.07.2022] Um eine moderne digitale Verwaltung zu schaffen, muss der Blick über das Onlinezugangsgesetz hinausreichen. Nötig ist etwa eine bessere Aufgabenteilung: Verwaltungsangebote ohne kommunalen Handlungsspielraum könnten auch von Bund oder Ländern bereitgestellt werden.
Föderale Aufgabenaufteilung neu ausrichten.

Föderale Aufgabenaufteilung neu ausrichten.

(Bildquelle: Sashkin/stock.adobe.com)

Schnell, einfach und sicher soll sie sein, die digitale Verwaltung in den Städten. Das wünschen sich die Menschen und das ist der Anspruch der Städte. Sie wollen ihre Verwaltungen weiter modernisieren und haben Erfolge zu verzeichnen. In zahlreichen Digitalisierungsprojekten sind sie Vorreiter und sie haben eine breite Digitalisierungsexpertise. Vielerorts gibt es gute Ideen und Leuchtturmprojekte. Aber einfach ist der Wandel nicht. Der Mangel an Fachkräften, Lieferengpässe bei der Technik und fehlende Breitband-Netze machen nicht nur der Wirtschaft zu schaffen, sondern auch den Kommunen.

Durchdachte digitale Prozesse

Auf dem Weg zur digitalen Verwaltung setzt das Onlinezugangsgesetz (OZG) wichtige Impulse. Es konzentriert sich allerdings allein auf den digitalen Zugang zu Verwaltungsleistungen. Das reicht nicht aus. Eine bürgerfreundliche Digitalisierung der Stadtverwaltung braucht mehr. Es geht nicht allein um eine Eins-zu-eins-Übersetzung analoger Verfahren, sondern um wirklich durchdachte digitale Prozesse, vom Antrag bis zum Bescheid. Einzelne Schritte, wie neue digitale Formulare und Online-Anträge, allein entlasten keine Verwaltung und beschleunigen kein Verfahren. Die digitalen Daten müssen schnell und medienbruchfrei, also ohne aufwendige manuelle Anpassungen, an die Fachverfahren angebunden werden. Sonst wird Potenzial verschenkt.
Die Städte wollen zeitgemäße Online-Services für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen schnell und unkompliziert anbieten und dabei wirtschaftlich, krisenfest und modern arbeiten. Damit der digitale Wandel gelingt, müssen alle, vom Bund bis zu den Kommunen, an einem Strang ziehen: die Politik, die Wirtschaft, die Wissenschaft sowie die Bürgerinnen und Bürger. Dafür muss der Blick neu ausgerichtet werden – deutlich über das OZG hinaus.
Hier setzen die so genannten „Dresdner Forderungen“ an. In ihnen haben Anfang 2021 Vertreterinnen und Vertreter der Städte Essen, Köln, Leipzig, München und Freiburg ihre Ansätze für eine moderne, digitale Verwaltung zusammengetragen. Sie wurden seither bundesweit von vielen Städten, Kreisen und Gemeinden sehr positiv aufgegriffen und von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft intensiv diskutiert.

Aufgaben besser aufteilen

Denn klar ist: Wir brauchen mehr Tempo. Bis zum 31. Dezember 2022 soll aus der Theorie des OZG digitale Praxis werden. Dann sollen die Bürger die Möglichkeit haben, knapp 600 im OZG gefasste Verwaltungsleistungen digital zu nutzen. Viele dieser Online-Services gibt es bisher noch gar nicht. Bei der Umsetzung des OZG sind die Länder für unterschiedliche Bereiche verantwortlich – und sie lassen die Kommunen oft warten. Noch ist beispielsweise offen, wann die Online-Services für Leistungen wie den digitalen Wohngeld- oder Einbürgerungsantrag fertig entwickelt und nutzbar sind. Das führt zu Planungsunsicherheiten, die nicht gut sind, und erhöht den Druck auf die Städte.
Diese arbeiten selbst auf Hochtouren daran, IT-Prozesse für die Digitalisierung ihrer lokalen Verwaltungsangebote wie etwa Baugenehmigungen startklar zu machen. Der Aufwand ist riesig. Zusätzlich tragen die Städte die Verantwortung für zentrale Bundes- oder Landesaufgaben wie das Pass- und Ausweiswesen, Führerscheinangelegenheiten, Elterngeld, Wohngeld oder Führungszeugnisse. Auch hierfür gibt es keine einheitlichen digitalen Lösungen und jede Stadt muss individuell einen großen Aufwand betreiben. Das ist ärgerlich. Denn diese Aufgaben haben keinen oder nur einen geringen kommunalen Bezug, da können die Städte wenig gestalten. Ihre Stärke liegt darin, lokale Veränderungen anzustoßen. Sie wollen dort anpacken und Entwicklungen auf den Weg bringen, wo das Miteinander direkt betroffen ist – im sozialen Bereich, der Kultur, dem Sport, bei Bildung und Umwelt. Die kommunalen Kernaufgaben liegen in der (digitalen) Daseinsvorsorge, nicht darin, Aufgaben von Bund und Ländern zu digitalisieren. Damit die Städte sich noch besser auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können, sind neue Wege der Zusammenarbeit und der besseren Aufgabenteilung zwischen Kommunen, Ländern und Bund nötig.

Zentrale Lösungen für zentrale Verfahren

Dieses Netz wird man entwirren können. Für zentrale Verwaltungsverfahren ohne kommunale Handlungsspielräume kann es auch zentrale IT-Lösungen geben, man denke etwa an den Antrag für einen Personalausweis. Dafür reicht ein zentraler Online-Service absolut aus, der überall in Deutschland genutzt werden kann. Wenn IT-Prozesse für Aufgaben des Bundes und der Länder von allen Kommunen genutzt werden können, muss sich nicht wie heute jede Kommune um individuelle IT-Lösungen kümmern. Das spart Zeit und Kraft, die für die drängenden Aufgaben vor Ort gebraucht wird.
Diskutiert werden sollte auch darüber, ob zentrale Aufgaben ohne kommunale Gestaltungsspielräume nicht grundsätzlich in die Hände von Bund und Ländern gegeben werden können. Sie wurden den Kommunen ursprünglich zugewiesen, um eine stärkere Bürgernähe zu garantieren. Werden Verwaltungsleistungen künftig aber rein digital erbracht, steht der Gedanke der Ortsnähe nicht mehr an erster Stelle. Verwaltungsangebote ohne kommunalen Bezug und ohne kommunale Handlungsspielräume könnten dann auch unmittelbar von Bund oder Ländern angeboten werden.
Langweilig wird es in keinem Fall. Die Städte tragen Verantwortung für immer mehr Zukunftsthemen: Sie sollen smarter werden, sich mit Rücksicht auf das Klima zukunftsfest machen und neue Wege der Mobilität ermöglichen. Obwohl die Aufgaben also stetig mehr werden, fehlt immer häufiger das Personal, um diese anzugehen. Deshalb werben viele Städte sehr klug um die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch um Fachkräfte, die den digitalen Wandel kompetent begleiten können. Beim Gehalt solcher IT-Spezialisten können sie zwar nicht immer mithalten, soziale Faktoren wie Familienfreundlichkeit, Arbeitszeiten oder Sicherheit des Arbeitsplatzes können aber viele Menschen überzeugen. Und: Die Städte bilden selber aus und bieten in Kooperationen auch Plätze in dualen Studiengängen an.

Vision weiter schärfen

Der Austausch zu den Ansätzen der „Dresdner Forderungen“ hält an. Begleitet vom Deutschen Städtetag sowie der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) entwickeln die Städte die „Dresdner Forderungen“ stetig weiter. Denn es sind längst nicht alle Hindernisse beseitigt. Die Kommunen müssen die Zusammenarbeit zwischen und mit ihren IT-Dienstleistern reibungslos organisieren. Die Mitarbeitenden vor Ort müssen fit gemacht werden, damit sie die digitalen Anwendungen effektiv und souverän nutzen können.
Zusätzlich ist die Vision der Verwaltung im digitalen Zeitalter weiter zu schärfen. Und es ist ein offener Dialog darüber nötig, wie sich die Aufgaben der digitalen Verwaltung klug und für die Bürgerinnen und Bürger sinnvoll verteilen lassen und das föderale System neu justieren lässt. Die Ampelkoalition hat das in ihrem Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt, die Hoffnungen sind also groß. Denn in der Digitalisierung der Verwaltung stecken viele Chancen für die Städte. Diese wollen wir nutzen.

Hanna Sommer ist Referentin für Verwaltungsdigitalisierung und IT beim Deutschen Städtetag; Anika Krellmann ist Referentin im Programmbereich Organisations- und Informationsmanagement bei der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt).




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik
Blick von oben auf die Stadt Hannover.
bericht

Hannover: Taskforce und Fonds

[05.06.2025] KI und ein wachsendes Angebot an Onlinedienstleistungen verbessern den Service der Stadt Hannover. Die Verwaltung geht die Digitalisierung strategisch an: Sie hat Kompetenzteams installiert und Mittel in Höhe von knapp 50 Millionen Euro mobilisiert. mehr...

Mehrere Personen stehen vor einem Gebäude.
bericht

DStGB: Mehr kommunaler Einfluss

[02.06.2025] Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) hat einen Ausschuss für Digitalisierung gegründet. Dieser will auf die Belange der Kommunen bei Digitalprojekten aufmerksam machen und frühzeitige Einbindung erwirken. mehr...

Mehrere Personen stehen nebeneinander auf einer Bühne

Deutscher Städtetag: Burkhard Jung ist Präsident

[19.05.2025] Im Rahmen seiner Hauptversammlung hat der Deutsche Städtetag Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung erneut als Präsidenten gewählt. Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt und Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner werden Vizepräsident und -präsidentin. Münsters OB Markus Lewe ist neues Ehrenmitglied. mehr...

Staatssekretär Dr. Markus Richter, Bundesdigitalminister Karsten Wildberger, der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Jarzombek

BMDS: Digitalministerium hat Arbeit aufgenommen

[15.05.2025] Mit Karsten Wildberger als Digitalminister nimmt das neue Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung die Arbeit auf. Es bündelt die Zuständigkeiten aus bisher sechs Ressorts. Markus Richter, zuvor IT-Beauftragter der Bundesregierung, arbeitet als Staatssekretär in dem neuen Ministerium. mehr...

Screenshot des Deckblatts der NEGZ-Kurzstudie.

NEGZ: Smart City und E-Government zusammen denken

[15.05.2025] Eine Kurzstudie des Nationalen E-Government Kompetenzzentrums (NEGZ) untersucht die Wechselwirkungen und möglichen Synergieeffekte zwischen Smart-City- und Smart-Government-Initiativen. Befragt wurden 25 der Modellprojekte Smart Cities. mehr...

Gruppenfoto Digitalausschuss DStGB

DStGB: Digitalausschuss konstituiert sich

[15.05.2025] Klare Forderungen an die neue Bundesregierung hat der Digitalausschuss des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB) im Rahmen seiner konstituierenden Sitzung in Berlin formuliert. mehr...

Porträtaufnahme von Dirk Schrödter.
interview

Schleswig-Holstein: Norddeutscher Pionier

[05.05.2025] Schleswig-Holsteins Digitalisierungsminister Dirk Schrödter spricht über die Verwaltungstransformation in dem norddeutschen Bundesland und nimmt Bezug auf Open Data, Künstliche Intelligenz, Cybersicherheit, Breitband und die Rolle der Kommunen. mehr...

Berliner Rathaus, daneben der Fernsehturm

Berlin: Ernüchternde Bilanz zum Open-Source-Kompetenzzentrum

[30.04.2025] Bei einer Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus zur Entwicklung des Open-Source-Kompetenzzentrums kritisierte die OSBA die bislang schleppende Umsetzung. Ein klares politisches Bekenntnis für Open Source fehle bis heute – ebenso wie die entsprechende Strategie. mehr...

Porträtaufnahme von Melitta Kühnlein.
interview

Potsdam: Sehr guter Job

[25.04.2025] Melitta Kühnlein, Leiterin des Fachbereichs Informations- und Kommunikationstechnologie bei der Stadt Potsdam, spricht im Interview über ihre Verantwortlichkeiten und Ziele sowie Frauen in der IT und in Führungspositionen. mehr...

Screenshot des Deckblatts der Ahauser Digitalisierungsstrategie.

Ahaus: Digitalisierungsstrategie verabschiedet

[15.04.2025] Ahaus soll zu einer modernen, digitalen Stadt werden, in der neue Technologien und digitale Verwaltungsservices das Leben der Menschen einfacher machen. Als Leitfaden dient der Kommune ihre neue Digitalisierungsstrategie. mehr...

Porträt er Ministerin für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung des Landes Rheinland-Pfalz, Dörte Schall.

Rheinland-Pfalz: Digitale Transformation geht nur gemeinsam

[15.04.2025] Die zweite landesweite Digitalisierungsveranstaltung in Koblenz zeigt, dass Rheinland-Pfalz beim OZG-Umsetzungsstand deutliche Fortschritte macht. Rund die Hälfte der zentralen OZG-Leistungen ist angebunden. Ziel bleibt die vollständige Ende-zu-Ende-Digitalisierung. mehr...

Screenshot des Deckblatts des gemeinsamen Jahresberichts der FITKO und des IT-Planungsrats für 2024.

IT-Planungsrat / FITKO: Gemeinsamer Jahresbericht für 2024

[14.04.2025] Im gemeinsamen Jahresbericht für 2024 berichten der IT-Planungsrat und die Föderale IT-Kooperation (FITKO) über ihre Tätigkeiten und Erfolge. Erstmals kommen auch die Gremien, Arbeits- und Projektgruppen zu Wort. mehr...

Vektorgrafik. Mehrere Personen fügen Puzzleteile zusammen.
bericht

Kooperationen: Die Renaissance einläuten

[11.04.2025] Neben einer konsequenten Digitalisierung kann die Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit das Fundament bieten, um die kommunale Aufgabenerfüllung auch in Zeiten des Fachkräftemangels zu sichern. Das leistet auch einen Beitrag gegen Staatsverdrossenheit. mehr...

Blick vom Spreeufer auf das Reichstagsgebäude.

Koalitionsvertrag: Digitalministerium soll kommen

[10.04.2025] Union und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag verständigt. Kommunen und Verbände begrüßen das geplante Digitalministerium, sehen Fortschritte beim Bürokratieabbau und fordern eine zügige Umsetzung zentraler Vorhaben. mehr...

Cover Zukunftsradar 2024

DStGB/iit: Zukunftsradar Digitale Kommune 2024

[10.04.2025] Der neue DStGB-Zukunftsradar liegt vor. Die Studie belegt: Kommunen sehen eine besser abgestimmte föderale IT-Infrastruktur und eine gemeinsame Cybersicherheitsstrategie als zentrale Voraussetzungen für die weitere Verwaltungsdigitalisierung. mehr...