Sonntag, 15. Juni 2025

Ostwestfalen-LippeAusfall mit Folgen

[16.01.2014] Ein Störfall in einer Vermittlungsstelle in Siegen im Januar 2013 hatte das digitale Leben im Siegerland lahmgelegt. Kommunen und IT-Dienstleister haben die Lektion verstanden und mit der Umsetzung erster Lösungen begonnen.
Das KRZ hat Lehren aus der Großstörung gezogen.

Das KRZ hat Lehren aus der Großstörung gezogen.

(Bildquelle: KRZ)

Knapp ein Jahr ist es her, dass in Siegen die komplette Telekommunikation aufgrund eines Brandes in einer Vermittlungsstelle zusammenbrach. Die öffentliche Aufregung hat sich gelegt, aber hinter den Kulissen wird eifrig weiter diskutiert. Und es bleibt nicht beim reinen Meinungsaustausch. Erste Konsequenzen werden bereits sichtbar, etwa durch den Neuaufbau des redundanten OWL-Netzes, das seit Mitte des vergangenen Jahres die Standorte Bielefeld, Gütersloh, Lemgo und Paderborn inklusive einer auch trassenmäßig gesonderten Backup-Lösung verbindet. Es bedurfte dazu intensiver Verhandlungen mit den beteiligten Telekommunikationsunternehmen.
Unmittelbar nach der Großstörung in Siegen – die unter anderem die Datenkommunikation vollständig lahmlegte – wurde den betroffenen Kollegen im kommunalen Rechenzentrum in Siegen vom Kommunalen Rechenzentrum Minden-Ravensberg/Lippe (KRZ) Hilfe angeboten. Diese musste nicht in Anspruch genommen werden, aber das Thema elektrisierte weiter. Das interne Notfall-Management in Lemgo hatte sich sofort intensiv mit dem Vorfall beschäftigt, Szenarien wurden durchgespielt und vor allem wurde geprüft, ob und wie im Störungsfall ein gemeinsames Backup sichergestellt werden kann – für kommunale und landeseigene Netze, für den Datenverkehr beim Katastrophenschutz und bei den Leitstellen sowie bei der Polizei.
Auf Initiative des KRZ trafen sich bereits im Mai alle kommunalen Service-Provider in Ostwestfalen-Lippe (OWL) gemeinsam mit den Verantwortlichen des Katastrophenschutzes im Regierungsbezirk Detmold und ließen sich aus erster Hand von den Kollegen aus Siegen sowie vom betroffenen Telekommunikationsunternehmen informieren. Auch Fachleute aus dem Regierungspräsidium nahmen an diesem Workshop teil. Abschließend wurde das KRZ damit beauftragt, die nächsten Schritte einzuleiten. Das KRZ-Forum 2013 Mitte Juni informierte dann insbesondere die politischen Verantwortungsträger ausführlich über die Brisanz des Themas. Wieder wurde anhand der konkreten Situation berichtet und der Landrat des Kreises Herford, Christian Manz, der auch KRZ-Verbandsvorsteher ist, appellierte an alle Beteiligten, schnell und umfassend Veränderungen einzuleiten. „Wir müssen nicht warten, bis so etwas bei uns passiert. Wir müssen jetzt handeln.“

Neuaufbau des OWL-Netzes

Im ersten Schritt wurde das OWL-Netz neu konzipiert. Zumindest nach der Vertragslage stehen nun zwei physikalisch vollkommen getrennte Netze zur Verfügung. Gleichzeitig beschäftigt das Notfall-Management aber auch die Frage nach der energetischen Versorgung im Schadensfall. Hier besteht noch massiver Handlungsbedarf. Natürlich hat das KRZ an seinen beiden Rechenzentrumsstandorten sowohl USV-Anlagen (Unterbrechungsfreie Stromversorgung) wie auch Notstromaggregate, aber was nützt eine funktionierende Rechenzentrumsinfrastruktur, wenn die Kreis- und Rathäuser wegen Stromausfall auf den Datenstrecken nicht erreichbar sind?
Die zwingend notwendige Entscheidung, aktuell durch den IT-Planungsrat eine ganzheitliche IT-Sicherheitsrichtlinie für alle Ebenen der öffentlichen Datenverarbeitung verbindlich in Kraft zu setzen und die unhaltbare Unterscheidung zwischen bundeseigener, länderspezifischer und kommunaler IT damit sicherheitstechnisch zu beenden, ist auch vor dem Hintergrund der Erkenntnisse vom Januar 2013 konsequent. Für das KRZ in Lemgo – aber auch überall in der Republik – kommt es in den nächsten Monaten darauf an, die Weichen auf allen Ebenen richtig zu stellen – sowohl in der IT hinsichtlich Verfügbarkeit wie in der krisenfesten Stromversorgung im Katastrophenfall.
Bereits vor dem Siegener GAU wurde der Entschluss gefasst, durch die Errichtung eines weiteren Standorts in Lemgo die Kapazität der Rechenzentrumsinfrastruktur auszuweiten. Zusammen mit der Einrichtung zahlreicher zusätzlicher Arbeitsplätze, bedingt durch das stark wachsende Servicegeschäft sowohl für die aktuell 37 Träger wie auch für weitere rund 600 Vertragskunden aus dem kommunalen Bereich, wurde die Chance ergriffen, am neuen Standort in der Kernstadt die technische Infrastruktur zusätzlich zum bisherigen Schwerpunkt auf dem Campus am Schloss Brake komplett neu aufzustellen: Doppelte Anbindung an unterschiedliche Vermittlungsstellen, Aufbau redundanter Lichtleiterverbindungen und eine vom BSI zu zertifizierende IT-Sicherheitskonformität sind dabei selbstverständlich. Zudem stellt sich die Frage, wie das KRZ auf Dauer auch in den Rat- und Kreishäusern „seine“ Leistungen im Krisenfall bereitstellen kann. Dazu gehört einerseits die Antwort auf Situationen, was vor Ort passiert, wenn der lokale Energieversorger zeitweise ausfällt und damit die Energieversorgung zusammenbricht. Andererseits müssen aber auch Antworten hinsichtlich der Bereitstellung von krisenfester Tele- und Datenkommunikation gefunden werden.

Rekommunalisierung der Netzinfrastruktur

In den zurückliegenden Monaten hat sich in Ostwestfalen-Lippe eine neue, stark kommunal geprägte Netzinfrastruktur der Versorgungsbetriebe herausgebildet. Diese Rekommunalisierung eröffnet neue Chancen, kritische Infrastrukturen redundant bereitzustellen. Die Diskussion hat begonnen und man ist zuversichtlich, hier in überschaubarer Zukunft zu gemeinsamen, kostengünstigen und handhabbaren Lösungen zu kommen. Die gemeinsame Eigentümerschaft der hiesigen Kommunen sowohl am Zweckverband wie auch beim Netzbetreiber sind dafür gute Voraussetzungen. Darüber hinaus gibt es erste Überlegungen, die Energieversorgung des KRZ aus der Rolle des reinen Empfängers dahingehend zu verändern, selbst liefernder Partner des lokalen Versorgers zu werden. Der Neubau eröffnet dazu alle Chancen. Das Stichwort lautet hier: Blockheizkraftwerk. Noch sind die Überlegungen nicht abgeschlossen, aber die Beteiligten rechnen in jedem Fall bereits.
IT-Sicherheit nach bundesweitem Standard für alle Verwaltungsebenen sowie die Nutzung krisenfester Infrastrukturen sowohl im energetischen wie im Tele- und Datenkommunikationsbereich sind Themen, denen auch weiterhin intensiv nachgegangen wird. Insoweit war Siegen der rechtzeitige Schuss vor den Bug.

Reinhold Harnisch ist Geschäftsführer des Kommunalen Rechenzentrums Minden-Ravensberg/Lippe (KRZ) und stellvertretender Bundesvorsitzender von Vitako.




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: IT-Sicherheit
Symbolbild IT-Sicherheit: Leicht unscharfes, kontrastarmes Foto eines überladenen schreibtischs mit Brille, Tablet, Kaffeetasse und Papieren, darübergelegt Icon eines Vorhängeschlosses und Platinen-ähnliche Muster.

LSI Bayern: Neues Sicherheitssiegel für Kommunen

[11.06.2025] Das LSI Bayern hat Version 4.0 des IT-Sicherheits-Siegels für Kommunen veröffentlicht. Neu sind Vorgaben zu KI, mobiler Sicherheit und Online-Backups. Der ergänzende Baustein IT-Resilienz hilft Kommunen bei der systematischen Selbsteinschätzung. mehr...

Kreis Regensburg: 17 Kommunen erhalten Siegel für IT-Sicherheit

[10.06.2025] 17 Kommunen im Zweckverband Realsteuerstelle Regensburg sind jetzt vom bayerischen Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) mit dem Siegel „Kommunale IT-Sicherheit“ ausgezeichnet worden. mehr...

Print-Ausgabe des CSBW-Jahresberichts 2024, die schräg auf einer grauen Oberfläche liegt.

Baden-Württemberg: Jahresbericht zur Cybersicherheit 2024

[22.05.2025] Die CSBW hat 2024 rund 30 Prozent mehr IT-Sicherheitsvorfälle bearbeitet. Kommunen wurden ähnlich häufig unterstützt wie im Vorjahr, neue Präventionsangebote, Notfallübungen und ein Schwachstellenscan richten sich teils gezielt an sie. mehr...

Datenschutz: Hilfestellung für Behörden

[12.05.2025] In der kommunalen Praxis gibt es beim Thema Datenschutz noch immer Rechtsunsicherheiten. Die Konferenz der Datenschutzaufsichtsbehörden von Bund und Ländern hat eine Orientierungshilfe für Behörden erarbeitet, die (EfA-)Onlinedienste betreiben oder nutzen. mehr...

Marktgemeinde Röhrnbach mit LSI-Siegel ausgezeichnet

Röhrnbach: Siegel für IT-Sicherheit

[06.05.2025] Die niederbayerische Marktgemeinde Röhrnbach hat für nachhaltige IT-Sicherheit gesorgt und ist dafür vom Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) ausgezeichnet worden. mehr...

Die IT-Notfallausrüstung ausgepackt auf dem Transportkoffer.

CSBW: Schnell handlungsfähig im IT-Notfall

[22.04.2025] Ohne funktionierende IT-Ausstattung ist die Bewältigung eines Cyberangriffs kaum zu schaffen. Um die Handlungs- und technische Kommunikationsfähigkeit von Verwaltungen zu sichern, bietet die Cybersicherheitsagentur Baden-Württemberg (CSBW) nun eine mobile IT-Notfall-Ausrüstung an. mehr...

Nordrhein-Westfalen: IT-Notfallhilfe für Kommunen

[17.04.2025] Nach IT-Angriffen sollen nordrhein-westfälische Kommunen schnell und unkompliziert Incident-Response-Dienstleistungen in Anspruch nehmen können. Ein Rahmenvertrag zwischen Land und spezialisierten Dienstleistern sichert das Angebot ab. mehr...

Smartphone-Screen mit Logo der Allianz für Cyber-Sicherheit

Hanau: Allianz für Cyber-Sicherheit beigetreten

[02.04.2025] Die Stadt Hanau rüstet sich weiter gegen Cyber-Bedrohungen: Die BeteiligungsHolding Hanau ist der bundesweiten Allianz für Cyber-Sicherheit des BSI beigetreten und arbeitet aktiv im Arbeitskreis Kommunale CyberSicherheit des Landes Hessens mit. mehr...

Märkischer Kreis: Digitaler Neustart nach Cyberangriff

[26.02.2025] Der Stand der Wiederherstellung und die Kosten nach dem Cyberangriff auf die Südwestfalen-IT waren Themen im Ausschuss für Digitalisierung und E-Government im Lüdenscheider Kreishaus. Auch neue Projekte und Herausforderungen für die Verwaltungs-IT des Märkischen Kreises kamen zur Sprache. mehr...

Einbeck: nerdbridge sucht IT-Schwachstellen

[05.02.2025] Der Verein nerdbridge soll die niedersächsische Stadt Einbeck dabei unterstützen, Sicherheitslücken in ihrer IT-Infrastruktur zu finden. mehr...

IT-Grundschutz-Tag: Praxisnahe Einblicke

[31.01.2025] Am 4. Februar findet in Magdeburg der IT-Grundschutz-Tag statt, zu dem Sachsen-Anhalts Infrastrukturministerin Lydia Hüsken und BSI-Präsidentin Claudia Plattner einladen. Die Veranstaltung widmet sich unter anderem dem IT-Grundschutz, dem Business Continuity Management und der Umsetzung der NIS2-Richtlinie in Verwaltung und Landesbehörden. mehr...

Rathaus der Freien und Hansestadt Bremen, mit Arkaden und drei markanten Stufengiebeln, Deutschlandflagge wehtt, blauer Himmel.

Bremen: Umsetzung der NIS2-Richtlinie

[20.01.2025] Der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat sich auf Maßnahmen zur Umsetzung der NIS2-Richtlinie geeinigt. Vorgesehen ist, die Rolle der Zentralstelle Cybersicherheit zu stärken, etwa durch ein Notfallteam, das Bedrohungen frühzeitig erkennt und koordinierte Reaktionen ermöglicht. mehr...

Brustbild von Roman Poseck in dunklem Anzugjackett und violettem Schlips.

Hessen: Sicherheitsprogramm für Kommunen

[10.01.2025] Hybride Bedrohungen und Cyberangriffe bleiben eine Herausforderung. Um die Cyberresilienz hessischer Kommunen zu stärken, wurde das Aktionsprogramm Kommunale Cybersicherheit um Maßnahmen wie etwa Pentests und Incident Response Services erweitert. mehr...

Mann im eleganten Hemd von oben aufgenommen, er hält ein Tablet und tippt darauf..

Materna Virtual Solution: Sicheres ultramobiles Arbeiten

[18.12.2024] Das BSI hat Apples indigo und Samsungs Knox in diesem Jahr für den Einsatz bei Verschlusssachen zugelassen. Materna Virtual Solution sieht darin Vorteile für Behörden: mehr Sicherheit und Flexibilität und einen Zuwachs an geeigneten Fachanwendungen. mehr...

Eine Lichtschlossillustration mit Postumschlägen auf modernem Computerhintergrund.

SEP/Databund: Kooperation für IT-Sicherheit

[29.11.2024] SEP, Hersteller der Datensicherungslösung SEP sesam, ist jetzt Mitglied des Databund. Die in Deutschland entwickelte Backup-Lösung wird bereits von zahlreichen öffentlichen Institutionen eingesetzt. Mit dem Beitritt zu Databund will SEP den Austausch mit anderen Akteuren der öffentlichen Verwaltung fördern. mehr...