Sonntag, 12. Oktober 2025

DatenschutzEin scharfes Schwert

[21.07.2020] Nachdem der EuGH das Datenschutzabkommen mit den USA gekippt hat, fordern Verbände ein neues bilaterales Datenschutzabkommen und mehr digitale Souveränität in der EU.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in der vergangenen Woche entschieden, das Privacy Shield genannte Datenschutzabkommen mit den USA zu kippen. Gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dürfen personenbezogene Daten nicht in Drittländer übermittelt werden, die kein angemessenes Datenschutzniveau besitzen. Vor dem Hintergrund des Patriot Act von 2001, der einen Zugriff der US-Geheimdienste auf den transatlantischen Datenverkehr ermöglicht, und des Cloud Act von 2018 hat der EUGH nun die Rechtmäßigkeit des Privacy-Shield-Abkommens negiert. Der Datenschutz erweist sich somit als scharfes Schwert in den transatlantischen Beziehungen.
Hintergrund ist eine Beschwerde des österreichischen Datenschutzaktivisten Max Schrems. Der Jurist hatte bei der irischen Datenschutzbehörde beanstandet, dass Facebook Ireland seine Daten an den Mutterkonzern in die Vereinigten Staaten auf Basis des Abkommens zwischen der EU und den USA weiterleitet. Nachdem der EuGH diesen Weg nun aufgrund der Rechtslage in den USA versperrt hat, gelten weiterhin die so genannten Standardvertragsklauseln. Der EuGH unterstreicht in seinem Urteil nochmals, dass demzufolge Verantwortliche und Auftragsverarbeiter prüfen müssen, ob die Standardvertragsklauseln in einem Drittland eingehalten werden. Auch die Datenschutzaufsichtsbehörden werden verpflichtet, dies zu beurteilen.

Verstöße gegen geltendes Recht

Laut dem Verband der IT-Anwender VOICE, in dem Unternehmen wie Airbus, Allianz, Lufthansa, RWE oder Thyssen Krupp vertreten sind, setzt die Regelung europäische Unternehmen dahingehend unter Druck, dass sie ihre Verträge mit Cloud-Providern dringend überprüfen und die Daten nun verschlüsseln müssten. Die Datenübermittlung in die USA werde illegal. Vom Privacy Shield betroffen seien im Prinzip fast alle europäischen Unternehmen, die ihre Daten von US-Cloud-Anbietern verarbeiten lassen und zum anderen Unternehmen, die personenbezogene Daten ihrer Kunden zum Beispiel an Mutter- oder Tochterunternehmen weiterleiten oder die aus anderen Gründen personenbezogene Daten in die USA transferieren. Das gilt auch für die großen Social Networks und Suchmaschinenanbieter, welche die Daten von EU-Bürgern sammeln und in die USA übermitteln.
Ähnliches drohe auch den so genannten Standardvertragsklauseln, die europäische Unternehmen in ihre Verträge mit US-Providern aufnahmen, als 2015 der Vorgänger von Privacy Shield, das Safe-Harbour-Abkommen, vom EuGH gekippt worden und Privacy Shield noch nicht in Kraft war. „Wenn auch diese schon immer rechtlich umstrittenen Standardvertragsklauseln nicht mehr rechtmäßig sind, fehlt der Übermittlung personenbezogener Daten in die USA auch diese Rechtsgrundlage“, lautet die Einschätzung des VOICE-Verbands. Jedes Unternehmen, das personenbezogene Daten in die USA ohne Rechtsgrundlage übermittelt, verstoße gegen geltendes Recht, was empfindliche Strafen nach sich ziehen kann.

Keine schnelle Lösung in Sicht

Der Verband zweifelt die Möglichkeit einer kurzfristigen, rechtmäßigen Alternative an und empfiehlt deutschen und europäischen Unternehmen, zu überprüfen, ob ihr Daten-Management-System in der Lage ist, sämtliche Datenströme im Detail zu monitoren, da sie jederzeit Aussagen dazu treffen können müssen, wo personenbezogene Daten verarbeitet und gespeichert werden. Zudem sei es notwendig, sämtliche Verträge mit US Cloud-Providern und mit Providern, die ein signifikantes US-Geschäft haben, zu überprüfen. Im Zweifelsfall dürften dem Provider nur verschlüsselte Daten anvertraut werden und die Schlüssel ausschließlich in den Händen des eigenen Unternehmens sein.
Von der Bundesregierung und der EU-Kommission fordert der VOICE-Verband, ein verbindliches Datenschutzabkommen mit den USA zu schließen, das ein ausreichendes Datenschutzniveau garantiert, damit Unternehmen wieder legal personenbezogene Daten in die USA übermitteln können. „Ansonsten befürchten wir, dass die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und Europa schweren Schaden nehmen“, heißt es in einer Stellungnahme. Geeignet dazu sei, den Aufbau einer europäischen Cloud-Infrastruktur voranzutreiben und damit die digitale Souveränität und Unabhängigkeit der Europäer zu erhöhen.

Mehrarbeit für den Datenschutz

Von kommunaler Seite wird das EuGH-Urteil unmissverständlich begrüßt. Wie der Bundesverband der kommunalen IT-Dienstleister, Vitako, mitteilt, müssten die Datenschutzbehörden in der EU nun ihrer Verpflichtung nachkommen, Datenübermittlungen in Drittländer zu prüfen und zu unterbinden, wenn sie der Auffassung sind, dass die europäischen Datenschutzvorgaben nicht erfüllt werden. Unternehmen wie Behörden hätten jetzt die Aufgabe, das Urteil praktisch anzuwenden. „Alle Nutzer von Software und Diensten amerikanischer Hersteller sowie Dienstleister müssen nun prüfen, ob die bisherigen Verträge weiterhin rechtskonform sind, das heißt, im Einklang mit der DSGVO stehen“, sagt Vitako-Geschäftsführer Ralf Resch. „Die kommunalen IT-Dienstleister schauen mit großem Interesse und positiver Erwartungshaltung auf die weiteren Schritte der europäischen Datenschutzbehörden.“

Helmut Merschmann




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik
Mehrere Zahnräder liegen neben- und übereinander.
bericht

Digitalisierung: Zehn-Punkte-Plan von Vitako

[10.10.2025] Im Rahmen eines Zehn-Punkte-Plans hat die Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister, Vitako, Vorschläge für eine gezielte Förderung der Digitalisierung erarbeitet. Als wichtiger Aspekt wird dabei die ebenenübergreifende Zusammenarbeit betont. mehr...

Foto von Bayerns Digitalminister Fabian Mehring
interview

Bayern: Täglich Vollgas geben

[09.10.2025] Bayerns Digitalminister Fabian Mehring spricht über die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz, eine proaktive Verwaltung und erläutert, warum der Freistaat bei der Verwaltungstransformation so erfolgreich ist. mehr...

Dr. Karsten Wildberger hält seine Keynote auf der Smart Country Convention 2025
bericht

BMDS: „Wir haben Wildwuchs entwickelt.“

[08.10.2025] Bundesdigitalminister Karsten Wildberger stellte auf der Smart Country Convention in Berlin die Modernisierungsagenda der Bundesregierung vor. Als deren dickstes Brett bezeichnete er die Verwaltungsdigitalisierung. mehr...

Bitkom: Digitalisierung vor Ort voranbringen

[29.09.2025] Mit Blick auf die anstehende Kabinettsklausur legt der Bitkom eine Modernisierungsagenda für Staat und Verwaltung vor. Sie fordert eine Föderalismusreform und verbindliche IT-Standards, um Bund und Kommunen zu engerer Zusammenarbeit bei der Verwaltungsdigitalisierung zu verpflichten. mehr...

ie Akteure stellen auf einer Pressekonferenz die Initiative (Neu)Start KfZ vor.
bericht

Initiative: Dresdner Forderungen 2.0

[25.09.2025] Die Initiative (Neu)Start KfZ soll der Umsetzung der Dresdner Forderungen zum Durchbruch verhelfen. Konkret gefordert wird, Leistungen wie die KfZ-Zulassung künftig in Vollzugszentren zu bündeln. Die Kommunen würde das spürbar entlasten. mehr...

Rathaus Stadt Wiesbaden

Wiesbaden: Pilot bei Digitalisierungsoffensive

[25.09.2025] Bei der neuen Digitalisierungsoffensive von Bund und Land Hessen fungiert die Landeshauptstadt Wiesbaden als Pilotkommune. In Workshops vor Ort sollen konkrete Kriterien erarbeitet werden, die einen schnelleren Roll-out digitaler Leistungen ermöglichen. mehr...

Handschüttel-Foto

Bund/Bayern: Startschuss für Digitalkooperation

[25.09.2025] Wie in Hessen startet auch in sechs bayerischen Pilotkommunen eine neue Digitalkooperation zwischen Bund und Land. Ziel ist es, eine bayern- und bundesweit nutzbare Blaupause zu entwickeln, um OZG-Leistungen schneller in die Fläche zu bringen. mehr...

Hessen peilt die digitale Verwaltung 4.0 an.

Bund/Hessen: Digitalisierungsoffensive in Kommunen

[22.09.2025] Im Rahmen der OZG-Umsetzung wurden zahlreiche föderale Verwaltungsleistungen digitalisiert – die Einführung in den Kommunen stockt aber. Der Bund und das Land Hessen wollen nun ein praxistaugliches Modell entwickeln, das den flächendeckenden Roll-out beschleunigt. mehr...

Auf einer Europakarte sind die Mitgliedstaaten mit der entsprechenden Landesflagge markiert.
bericht

eGovernment Benchmark: Blick über die Grenzen

[19.09.2025] Deutschland kann hinsichtlich der Digitalisierung einiges von seinen europäischen Nachbarn lernen – etwa was die Transparenz digitaler Services oder die Nutzung der eID angeht. Das zeigt der aktuelle eGovernment Benchmark der Europäischen Kommission. mehr...

Porträtaufnahme von Kristina Sinemus.
interview

Hessen: Bei OZG-Umsetzung führend

[11.09.2025] Hessens Digitalministerin Kristina Sinemus erläutert, wie das Bundesland bei der OZG-Umsetzung vorgegangen ist und warum bundesweit stärker auf Synergien, Schnittstellen und standardisierte Lösungen gesetzt werden sollte. mehr...

Torsten Ringling, Bürgermeister der Gemeinde Schkopau, spricht bei den Merseburger Digitaltagen.

Merseburger Erklärung 2025: Verwaltung gemeinsam gestalten

[08.09.2025] Wie Sachsen-Anhalt die Kommunen bei der Digitalisierung noch besser unterstützen könnte, ist in der Merseburger Erklärung festgehalten. Sie wurde im Rahmen der Merseburger Digitaltage 2025 verabschiedet und umfasst sieben Forderungen. mehr...

Eine Hand setzt einen Baustein in ein Diagramm ein, das den Fortschritt von Analog zu Digital angibt.
bericht

Digitalisierung: Bleibt die Analogverwaltung?

[03.09.2025] Allen Digitalisierungsbemühungen zum Trotz ist die Analogverwaltung noch voll im Einsatz und funktioniert. Ob sich das jemals vollkommen ändern wird, ist ungewiss – auch im rechtlichen Kontext. mehr...

Händedruck in perspektivischer Ansicht, Vertrag mit Unterschrift, Liste der Bedingungen in Dialogfeldform, Ziel und Pfeil nach oben - Vektorgrafik.

Landkreistag Baden-Württemberg: Digitalisierungskodex 2.0

[18.08.2025] Mit dem Digitalisierungskodex 2.0 setzt der Landkreistag Baden-Württemberg erneut Standards für die digitale Zukunft der Landkreise. Das Dokument umfasst zwölf Leitlinien für einheitliche digitale Prozesse, mehr Datensouveränität und einen besseren Bürgerservice. mehr...

Logo Netzwerk Junge Bürgermeister*innen

Staatsmodernisierung: Blick in den Maschinenraum fehlt

[17.07.2025] In einer Stellungnahme zum Abschlussbericht der Initiative für einen handlungsfähigen Staat kritisiert das Netzwerk Junge Bürgermeister*innen, dass kommunale Realitäten in den Vorschlägen nicht genügend berücksichtigt werden. Es fehle an Lösungen für die Praxis – etwa bei Personal, Finanzierung oder Führung. mehr...

Personen auf einer Bühne, im Vordergrund sieht man Sitzreihen mit Publikum.

Abschlussbericht: Wie kann die Staatsreform gelingen?

[17.07.2025] Die Initiative für einen handlungsfähigen Staat hat ihren Abschlussbericht an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übergeben. Viele ihrer Vorschläge finden sich im Koalitionsvertrag wieder. Die Initiatoren fordern nun eine zügige Umsetzung – auch durch neue Wege wie Modellkommunen. mehr...