InterviewDigital Only als Ziel

Rudolf Schleyer: Die Führungsebene muss daran arbeiten, dass die öffentliche Verwaltung nicht zum Museum wird.
(Bildquelle: AKDB)
Herr Schleyer, im Rahmen der aktuellen Regierungsbildung rückt erneut die Frage in den Fokus, wie die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung effektiv vorangebracht werden kann. Wie beurteilen Sie die Situation?
Die Zukunft ist digital. Das ist allen klar, aber es passiert viel zu wenig dafür. Diese Zukunftsaufgabe muss Chefsache werden. Nicht in Absichtserklärungen, sondern im politischen Fokus und Tagesgeschäft. Als Grundlage für die digitale Verwaltung – immerhin für das Überwinden des Papierzeitalters – braucht es eine Digitalverfassung. Nicht heute oder morgen, aber wir sollten jetzt darüber sprechen, was hineingehört. Es geht um Strukturen, Chancen und um Schutz für die Bürger. Schließlich muss der Rahmen für die Abläufe in Zukunft entsprechend ihrer Bedeutung hochrangig geordnet sein, etwa in Bezug auf die digitale Identität.
Welche Maßnahmen erwarten Sie von der neuen Bundesregierung für die digitale Verwaltung? Haben die kommunalen IT-Dienstleister konkrete Forderungen?
Die Maßnahmen müssen aus einem klaren Ziel abgeleitet werden – und dieses Ziel muss Digital Only sein, also die zukünftig ausschließlich digitale Verwaltung mit Mehrwert für Bürger und Unternehmen. Dazu bedarf es einfacher, aber aussagekräftiger Bewertungskriterien. Die tatsächliche Nutzung digitaler Dienste und die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger stehen dabei im Mittelpunkt. Als Nebeneffekt werden wir eine deutliche Vereinfachung auch für die Verwaltungsmitarbeiter erleben. Voraussetzung ist, dass wir die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in die Zukunft denken, auf ihrem Feedback aufbauen und uns vom Papier lösen. Digital muss besser, schneller und günstiger sein als die bisherige Verwaltung.
Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) stößt auf viele Hindernisse. Was muss die Bundesregierung unternehmen, um die Verwaltungsleistungen flächendeckend und benutzerfreundlich zu digitalisieren?
Wenn wir eine flächendeckend verfügbare und nutzerfreundliche digitale Verwaltung wollen, dann muss das oben Genannte das maßgebliche Ziel sein. Wenn wir gesetzlich regeln, dass Nutzungszahlen und Zufriedenheitswerte mit Verwaltungsprozessen veröffentlicht werden, führt das zu mehr Aufmerksamkeit vom Bürgermeister bis zum Bundeskanzler. Wir holen die digitale Verwaltung aus dem Schatten ins Licht. Alle Hindernisse werden sichtbar und können angegangen werden. Sichtbarkeit und politischer Wille sind entscheidend.
Die neue Bundesregierung plant, mehr Geld in die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung zu investieren. Wo besteht im kommunalen Bereich der größte Bedarf?
Bei über 400 Milliarden Euro Personalausgaben im öffentlichen Dienst im Jahr 2024 sollten wir uns mit den Potenzialen der Digitalisierung auseinandersetzen. Bisher ist zu wenig sichtbar, dass eine gute digitale Verwaltung relativ schnell Verbesserungen und Entlastungen bringt. Richtig gemacht, spart Digitales strukturell Jahr für Jahr mehr der bisherigen Kosten ein. Die digitale Verwaltung ist das größte Gestaltungsfeld der Zukunft und bietet viele Hebel für die von allen gewünschte Modernisierung des Landes.
Welche Lehren lassen sich aus den bisherigen Förderprogrammen ziehen und wie kann sichergestellt werden, dass die Mittel effizient und nachhaltig eingesetzt werden?
Durch das OZG stand kurzfristig mehr Geld zur Verfügung, als sinnvoll eingesetzt werden konnte. Dank strategischer Berater wurden Wege gefunden, das Geld auszugeben. Viele Ergebnisse waren dann wenig nachhaltig. Deshalb sollten wir bundesweit verlässliche Rahmenbedingungen für digitale Verwaltungsprozesse schaffen, welche die Kommunen und ihre IT-Dienstleister im Sinne der Bürger gestalten können. Dazu gehören ein verbindlicher Datenstandard, die Betrachtung des Gesamtprozesses und die ständige Erprobung mit den Bürgern.
Wie können kommunale IT-Dienstleister wie die AKDB die Digitalisierung schneller und praxisnah vorantreiben?
Wir haben über acht Millionen Nutzungen bei unseren Onlinediensten auf der Management- und Deployment-Plattform FRED und über 400.000 Nutzerfeedbacks mit 4,7 von 5 möglichen Sternen durch die Bürgerinnen und Bürger. Insofern sollten wir und alle kommunalen Dienstleister ihre Erfahrungen – positive wie negative – einbringen. Wenn durch frühzeitige Erprobung mit Bürgern und Verwaltung agil an volldigitalen Prozessen gearbeitet wird, steigen die Erfolgschancen. Wenn die Software dann auch noch als Open Source zur einfachen Nutzung zur Verfügung steht, sollten wir schnell positive Effekte erzielen können. FRED ist in der Lage, bundesweit und an vielen Standorten eine Vielzahl von Dienstleistungen zu bewältigen. Wenn wir eine solche Infrastruktur gemeinsam nutzen, vervielfachen sich die positiven Effekte, während die Kosten pro Dienst und Anwendung sinken. So können wir der digitalen Verwaltung endlich zum Durchbruch verhelfen. Gerade die Kommunen könnten davon stark profitieren.
„Dezentrale Datenhaltung und bürgernahe Verwaltung sind ein Schutzschild gegen totalitäre Gefahren.“
Ein eigenständiges Digitalministerium wird erneut diskutiert. Ist ein solches Ministerium sinnvoll, oder gibt es bessere Ansätze, um die digitale Transformation in Deutschland zu steuern?
Bundesländer wie Bayern, die ein Digitalministerium haben, werben dafür. Andere Länder wie Österreich schaffen solche Ressorts wieder ab. Da gibt es kein Richtig oder Falsch. Entscheidend sind hohe politische Führungsaufmerksamkeit und die Chance, gestaltende Impulse in alle Bereiche geben zu können. Vor allem sollte die Politik aber nicht der Illusion unterliegen, durch neue Strukturen die Probleme schon gelöst zu haben. Vielmehr müssen die Rahmenbedingungen für gute digitale Prozesse geschaffen werden – jenseits der Strukturfragen.
Welche Rolle soll der Bund bei der Digitalisierung der Verwaltung spielen, brauchen wir mehr zentrale Steuerung oder mehr Flexibilität für die Kommunen?
Die aktuellen Entwicklungen mit dem Erstarken der politischen Ränder sollten uns veranlassen, Dezentralität und Subsidiarität bei allen Instrumenten, die auch als Machtmittel missbraucht werden können, hochzuhalten. Dezentrale Datenhaltung und bürgernahe Verwaltung sind ein Schutzschild gegen totalitäre Gefahren. Der Zugriff auf große Datenbestände in Amerika ist ein warnendes Beispiel. Legalität als Schutz scheint nicht auszureichen, die Zugriffsmöglichkeit – wie der Perimeterschutz in der IT-Sicherheit – sollte nicht vernachlässigt werden. Gleichzeitig gibt es wichtige Voraussetzungen, die nur der Bund schaffen kann. Eine sichere digitale Identität, die auch gut nutzbar ist, bundesweit gute Bedingungen für die Kommunen, um die besten IT-Produkte auf einem bundesweiten Markt einkaufen zu können, und ein universeller Datenstandard, der alle digitalen Prozesse unterstützt, sind hier zu nennen. Es geht also um die Grundlagen für die Verwaltung der Zukunft.
Können technologische Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz oder Cloudlösungen die öffentliche Verwaltung nachhaltig verändern?
Alle aktuellen und zukünftigen technologischen Entwicklungen werden hoffentlich die digitale Verwaltung voranbringen. Nach den bisherigen Erfahrungen müssen wir uns fragen, warum die öffentliche Verwaltung die Möglichkeiten bisher so langsam und so wenig nutzt. Deshalb müssen wir gerade auf der Führungsebene daran arbeiten, dass die öffentliche Verwaltung nicht zum Museum wird. Verantwortungsbereitschaft und Gestaltungswillen kann niemand verordnen, aber als Führungskraft vorleben und vermitteln.
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