Mittwoch, 15. Oktober 2025

DigitalisierungIT-Budgets zusammenziehen

[18.12.2024] Dr. Martin Hagen, Staatsrat beim Senator für Finanzen in der Freien Hansestadt Bremen, spricht über seine Vorschläge zur Registermodernisierung und fordert mehr Zentralisierung bei der Steuerung und Budgetierung von IT-Großprojekten.
martin-Hagen-Porträt

Dr. Martin Hagen, Staatsrat beim Senator für Finanzen in der Freien Hansestadt Bremen

(Bildquelle: Senator für Finanzen, Freie Hansestadt Bremen)

Herr Dr. Hagen, Sie sprechen sich für eine Deutschland-App aus, die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen bei Verwaltungskontakten per Smartphone unterstützen soll. Geht es Ihnen dabei um mehr Zentralisierung?

Ich glaube, dass wir bei der Digitalisierung einen Punkt erreicht haben, wo wir die Kleinstaaterei hinter uns lassen müssen. Mit den existierenden EfA-Leistungen haben wir demonstriert, dass wir mit einer Lösung alle Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen in Deutschland erreichen können. Diesen Weg sollten wir jetzt konsequent weitergehen. In einzelnen Bundesländern gibt es zwar noch eigene, alternative Lösungen, doch insgesamt kommen wir nur mit dem Einer-für-Alle-Prinzip voran, weil es eben wirtschaftlicher ist. Diese klare Botschaft müssen wir aussenden.

Sollen alle EfA-Dienste in die App eingebunden werden oder lediglich eine Top Ten?

Das wird eine evolutionäre Entwicklung sein. Wichtig ist, ein klares Zielbild zu formulieren: Wenn eine neue digitale Leistung entsteht oder eine bestehende Leistung neu angefasst und auf ein neues Framework portiert werden soll, dann ist das der Zeitpunkt, sie für die Deutschland-App anzupassen.

Sie hatten unlängst im IT-Planungsrat zusammen mit Bernd Schlömer, dem CIO von Sachsen-Anhalt, einen Vorschlag zur Registermodernisierung gemacht. Wie sah der aus?

Sachsen-Anhalt und wir in Bremen, so wie alle anderen Bundesländer auch, verfolgen dasselbe Ziel: Wir wollen die Registermodernisierung so schnell wie möglich umsetzen. Auf der Sitzung des IT-Planungsrates stand nicht dieses Ziel, sondern der schnellste Weg dorthin zur Diskussion. Unser Vorschlag sah vor, die Steuerung und alleinige Finanzierung für das National-Once-Only-Technical-System (NOOTS), das Verbindungsnetz zwischen den einzelnen Verwaltungsregistern, beim Bund anzusiedeln. Einige Bundesländer konnten sich das ohne Verfassungsänderung nicht vorstellen. Wir hingegen haben für eine – zugegeben mutige – Auslegung des Grundgesetz-Artikels 91c Absatz 4 plädiert, wonach der Bund für die Errichtung eines Verbindungsnetzes zwischen Bund und Ländern zuständig ist. Das NOOTS ist ja ein Verbindungsnetz. Deshalb bräuchte man aus unserer Sicht an dieser Stelle keine Gesetze ändern. Dieser Auffassung sind die meisten Bundesländer im IT-Planungsrat aber nicht gefolgt.

„Insgesamt kommen wir nur mit dem Einer-für-Alle-Prinzip voran, weil es eben wirtschaftlicher ist.“

Wie ist die aktuelle Beschlusslage?

Es gibt nun einen Staatsvertrag (wir berichteten), der wesentliche Forderungen von uns aufgenommen hat. So wurde der Zuständigkeitsbereich im Vergleich zur ersten Fassung erheblich erweitert. Das NOOTS soll nun für alle Verwaltungsbereiche und alle Leistungen der öffentlichen Verwaltung gelten. Es bleibt aber weiter bei der Steuerung durch den Bund und sechs Bundesländer. Und die Finanzierung für die kommenden beiden Jahre ist durch die FITKO gedeckt, deren Budget von Bund und Ländern gemeinsam getragen wird.

Es zeigt sich immer wieder, dass föderalistische Strukturen bei Gemeinschaftsprojekten wie der Verwaltungsdigitalisierung hinderlich sein können. Wie lassen sich diese Hindernisse beschreiben?

Es gibt zwei grundsätzliche Hindernisse. Da die Gesetze, um die es bei der Digitalisierung geht, beim Bund in Berlin gemacht werden und die konkrete Ausführung bei den Kommunen liegt, ist der Abstand zwischen dem Gesetzgeber auf Bundesebene und den Problemen auf kommunaler Ebene einfach zu groß. In Berlin kommen kaum Rückmeldungen über die Probleme vor Ort an. Auch sind die Gesetze oftmals wenig digitaltauglich und folgen altertümlichen Annahmen wie etwa, dass es unüberwindbare Silos zwischen den zuständigen Fachbereichen in den Verwaltungen gibt. Das wird alles zu wenig in Frage gestellt und bei der Gesetzgebung berücksichtigt.

Und das zweite Hindernis?

Das Hauptproblem besteht meiner Meinung nach in der Maxime, dass die Bundesländer in Grundsatzfragen für die Verwaltung zuständig sind. Die Abstimmungsprozesse zwischen den Ländern nehmen jedoch zu viel Zeit in Anspruch und bremsen das Weiterkommen aus. Zudem werden dabei meist keine politischen Fragen geklärt, sondern fast jedes Bundesland betreibt – zugespitzt formuliert – Industriepolitik in eigener Sache. Alle wollen gemeinsam vorankommen und zugleich die eigenen Investitionen retten, die bereits in die Digitalisierung geflossen sind. Über diese Hürden muss man hinwegkommen. Deswegen habe ich vorgeschlagen, dass wir die Entscheidungen über den Zeitpunkt neuer Rahmenbedingungen in die Zukunft verschieben. Es sollten zehn Jahre verbleiben, um getätigte Investitionen abschreiben zu können. Da in der IT jedoch in viel kürzeren Abständen Neuerungen und Updates erfolgen oder Geräte ausgetauscht werden, müssen die neuen Rahmenbedingungen schon dann gelten, wenn früher modernisiert wird.

Momentan ist erneut eine Föderalismusreform im Gespräch. Was wäre aus Ihrer Sicht hinsichtlich der Digitalisierung notwendig?

Zu ändern wäre der Absatz vier des Grundgesetzartikels 91c hinsichtlich einer Generalklausel, die es dem Bund erlaubt, alle möglichen Netze mit Wirkung in die Bundesländer hinein gesetzlich zu regeln. Der Grundgesetzartikel darf sich also nicht mehr nur auf das Verbindungsnetz beziehen, sondern sollte auch das NOOTS und zukünftige Netze umfassen, die vielleicht durch Künstliche Intelligenz in den kommenden Jahren wichtig werden. Natürlich kann man auch weitere Dinge im Zuge einer Föderalismusreform angehen. Ich würde mich im Sinne der Dresdner Forderungen immer dafür aussprechen, dass der Bund einige seiner Leistungen – beispielsweise die Verlängerung von Personalausweisen und Reisepässen – selbst regelt und sich nicht der Kommunen bedient. Das könnte man gerne in der Verfassung abbilden, möglicherweise braucht es dazu aber gar keine Verfassungsänderung. Das Wichtigste, was eine neue Bundesregierung unternehmen sollte, ist eine Zentralisierung der IT-Budgets der Bundesressorts. Das ist etwa in Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein sehr erfolgreich umgesetzt worden und sollte unbedingt auch auf Bundesebene geschehen.

Mit der vorgezogenen Bundestagswahl werden auch wieder Rufe nach einem eigenen Digitalministerium laut. Würde dies die Sache voranbringen?

Ich halte das Zusammenziehen der IT-Budgets für effizienter als ein Digitalministerium. Bis ein neues Ministerium operativ startet, vergehen zwei bis drei Jahre. Zu dem Zeitpunkt wird es aber schon völlig entmachtet sein. Denn es ist schlecht vorstellbar, dass das Bundesministerium für Finanzen (BMF) und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ihre Kompetenzen an ein Digitalministerium abgeben werden. Deshalb ist es für mich viel klüger, ein gesammeltes Digitalbudget zu fordern, wie es in einigen Bundesländern schon erfolgreich praktiziert wird. Das Budget könnte man beim Bundeskanzleramt ansiedeln oder beim BMF, denen dann die zentrale Steuerung zukommt.

Interview: Helmut Merschmann




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