Serie Barrierefreie IT:
Digitale Teilhabe sichern


[27.11.2023] Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass die uneingeschränkte Verfügbarkeit und Zugänglichkeit zur Informationstechnik für alle Menschen gewährleistet wird. In einer neuen Kommune21-Serie wird gezeigt, wie das gelingen kann.

Barrierefreie IT schließt niemanden aus. Die Digitalisierung hat die Welt im Laufe der vergangenen Jahrzehnte revolutioniert, von sprachbasierten Eingabe­methoden bis hin zu fortschrittlichen Deep-Learning-Technologien. Das eröffnete neue Möglichkeiten in der Kommunikation, Organisation und im Zusammenleben. Doch trotz dieser digitalen Evolution stehen viele Menschen vor digitalen Barrieren, die sie daran hindern, die Vorteile der digitalen Welt voll auszuschöpfen. Diese Barrieren, oft auf komplexe Benutzeroberflächen und unzureichende Standards zurückzuführen, verhindern einen umfassenden Zugang zur digitalen Welt und können soziale Ausgrenzung zur Folge haben.
Aber welche Rolle spielt die digitale Teilhabe dabei? Digitale Teilhabe bedeutet, dass allen der Zugang zu digitalen Entwicklungen ermöglicht wird, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Ohne diesen Zugang sind besonders behinderte und alte Menschen von gesellschaftlichen Diskussionen ausgeschlossen, können Angebote von Unternehmen sowie öffentlichen Stellen nicht nutzen und werden nicht gehört. Somit geht digitale Teilhabe Hand in Hand mit sozialer Teilhabe.

Vorteile der Digitalisierung müssen für alle zugänglich sein

Die Gründe für die fehlende digitale Teilhabe reichen von mangelnden Kompetenzen über fehlende Endgeräte, unzureichende Software-Optionen bis hin zu körperlichen oder psychischen Einschränkungen. Diese Herausforderungen müssen bewältigt werden, um sicherzustellen, dass die Vorteile der Digitalisierung für alle zugänglich sind und niemand aufgrund digitaler Barrieren ausgeschlossen wird.
Digitale Barrieren sind nicht immer sofort ersichtlich, können aber in nahezu jeder Situation auftreten. Sie beschränken sich dabei nicht auf eine bestimmte soziale Gruppe. Digitale Barrieren werden beeinflusst durch den demografischen Wandel, den steigenden Anteil von Migrantinnen und Migranten ohne ausreichende Deutschkenntnisse sowie vorübergehend eingeschränkte Personen aufgrund von Verletzungen oder Krankheiten. Auch Techniklaien stoßen auf diese Hürden. Digitale Barrieren beeinflussen unsere Interaktion mit der digitalen Welt auf vielfältige Weise.
Bevor man sich auf die spezifischen Barrieren einzelner Personengruppen konzentriert, sollte klar sein, dass Barrieren in der digitalen Welt für alle Mensche existieren oder auftreten können – sei es am Arbeitsplatz oder im Privatleben. Ein Video ohne Untertitel kann zur Hürde werden, wenn versucht wird, es in einer lauten Umgebung anzusehen. Der Kontrast auf einem Smartphone-Bildschirm kann so gering sein, dass man Schwierigkeiten hat, Inhalte zu erkennen. Eine unübersichtliche Struktur in einem Dokument kann die Nutzer vorübergehend überfordern und den Inhalt unverständlich machen. Auch ein gebrochener Arm kann zur Hürde werden, wenn man Tastenkombinationen für die Bearbeitung von Texten benötigt oder die Maus bedienen muss.

Bedürfnisse bestimmter Personengruppen verstehen

Um eine digitale Barrierefreiheit sicherzustellen, ist es von entscheidender Bedeutung, die Bedürfnisse bestimmter Personengruppen zu verstehen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen:
Menschen mit Sehbehinderungen: Diese Gruppe ist oft auf Vergrößerungssoftware angewiesen, während Blinde Braillezeilen oder Sprachausgaben nutzen. So ist zum Beispiel die Bereitstellung von alternativen Texten entscheidend, da sie informative Grafiken und Bilder für Menschen mit Sehbehinderungen zugänglich machen.
Gehörlose Menschen: Sie benötigen visuelle Inhalte oder Gebärdensprachdolmetscher, während Hörbeeinträchtigte von Untertiteln oder visuellen Ergänzungen profitieren. Die Integration von Gebärdensprache und Untertiteln in digitalen Medieninhalten ist dabei entscheidend.
Personen mit kognitiven Einschränkungen: Menschen mit Lernschwierigkeiten, Aufmerksamkeitsstörungen oder anderen kognitiven Einschränkungen haben Schwierigkeiten, komplexe digitale Inhalte zu verarbeiten. Leichte Sprache und einfache Strukturen sind notwendig, um die digitale Zugänglichkeit zu verbessern.
Menschen mit motorischen Einschränkungen: Sie benötigen alternative Navigationsmethoden wie Tastatur oder Sprachsteuerung. Barrierefreie Schnittstellen und Unterstützung für verschiedene Eingabemethoden sind wichtig.

Begriff: Digitale Barrierefreiheit

Der Begriff Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass die uneingeschränkte Verfügbarkeit und Zugänglichkeit zur Informationstechnik für alle Menschen, unabhängig ihrer etwaigen Einschränkungen oder technischen Möglichkeiten, gewährleistet wird.
Um digitale Barrieren zu überwinden und eine inklusive Gesellschaft zu fördern, sind folgende Maßnahmen entscheidend:
- Übersichtliche Web-Seitenstrukturen: Eine klare Struktur und die korrekte Auszeichnung von Überschriften sind für alle Benutzergruppen von großer Bedeutung
- Optimierung von Kontrasten: Ausreichende Kontraste verbessern die Lesbarkeit und heben wichtige Informationen hervor.
- Tastaturbedienung: Die Gewährleistung der Tastaturbedienung ermöglicht Menschen mit verschiedenen Einschränkungen, digitale Inhalte zu nutzen.
- Gebärdensprachvideos und Untertitel: Für Gehörlose sind Gebärdensprachvideos und Untertitel in digitalen Medieninhalten entscheidend.
- Leichte Sprache und klare Strukturen: Die Verwendung von Leichter Sprache und einfachen Strukturen erleichtert Personen mit kognitiven Einschränkungen den Zugang zu digitalen Inhalten.
- Bedienung von mehreren Sinnes- und Informationswegen: Informationen sollten nicht nur über einen einzigen Sinneskanal zur Verfügung gestellt werden.

Schritte in Richtung einer inklusiven Gesellschaft

In einer zunehmend digitalisierten Welt ist die Gewährleistung der Zugänglichkeit digitaler Angebote für alle von großer Bedeutung. Die Bemühungen auf europäischer und nationaler Ebene zur Beseitigung von Hindernissen für Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen sind wichtige Schritte in Richtung einer inklusiven Gesellschaft. Insbesondere, weil die digitale Welt viele Vorteile für Menschen mit Einschränkungen bietet, sollten diese nicht durch Barrieren davon ausgeschlossen werden. Die kontinuierliche Sensibilisierung, die Entwicklung barrierefreier Technologien sowie die Förderung von Bildung und Schulungen sind entscheidende Faktoren für das Erreichen dieser Ziele. In einer inklusiven digitalen Gesellschaft kann das Potenzial jedes Einzelnen entfaltet werden, und es wird sichergestellt, dass niemand zurückgelassen wird. Dies ist der Weg zur Förderung von Chancengleichheit und Wohlbefinden in unserer Gesellschaft.

Prof. Dr. Erdmuthe Meyer zu Bexten ist hessische Landesbeauftragte für barrierefreie IT sowie Leiterin des Landeskompetenzzentrums für barrierefreie IT (LBIT) und Leiterin der Durchsetzungs- und Überwachungsstelle barrierefreie IT in Hessen.

http://www.lbit.hessen.de
http://www.rp-giessen.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe November 2023 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Politik, Hessen, LBIT, Barrierefreie IT

Bildquelle: LBIT

Druckversion    PDF     Link mailen


Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich Politik
Bayern: Land unterstützt Digitalisierung der Kommunen
[16.7.2024] Bayerns Digitalminister sieht die konsequente Digitalisierung der Verwaltung als wichtige Möglichkeit, um den künftigen Ruhestand der Babyboomer-Generation und den dadurch entstehenden Fachkräftemangel zu kompensieren. Es gelte, die Potenziale von Standardisierung, Zentralisierung und KI zu nutzen. mehr...
In Bayern soll nach dem Willen von Digitalminister Fabian Mehring der „Digitalisierungsturbo“ gezündet werden.
Interview: Wir brauchen eine Dachmarke Interview
[15.7.2024] Peter Adelskamp ist Chief Digital Officer (CDO) in Essen und dort zugleich Fachbereichsleiter Digitale Verwaltung. Im Gespräch mit Kommune21 berichtet er von seiner Arbeit in Essen und dem dortigen Stand der Digitalisierung. mehr...
Essen-CDO Peter Adelskamp
eGovernment Benchmark 2024: Nutzerzentrierung ist der Schlüssel
[8.7.2024] Laut dem jüngsten eGovernment-Benchmark-Report der Europäischen Kommission haben die europäischen Staaten bei der Bereitstellung digitaler Behördendienste stetige Fortschritte gemacht. Raum für Optimierungen gibt es insbesondere bei grenzüberschreitenden Diensten und bei Dienstleistungen, die von regionalen und kommunalen Behörden erbracht werden. mehr...
Laut dem jüngsten eGovernment-Benchmark-Report haben die europäischen Staaten bei der Bereitstellung digitaler Behördendienste stetige Fortschritte gemacht.
Schleswig-Holstein: Kommunale Open-Data-Projekte gefördert
[5.7.2024] Wirtschaft und Forschung profitieren von offenen Daten, können zu mehr Transparenz beitragen und dadurch Bürgernähe schaffen. Das Land Schleswig-Holstein fördert ab sofort bis 2027 kommunale Projekte zur Anbindung an das landesweite Portal für offene Daten. mehr...
OZG 2.0: Neue DNA verankern Bericht
[4.7.2024] Um ein Erfolg zu werden, muss das OZG 2.0 die Ende-zu-Ende-Digitalisierung als neue DNA verinnerlichen. Mit der Einigung zwischen Bund und Ländern ist die Basis dafür geschaffen. mehr...
Das OZG 2.0 muss eine neue Genetik vorweisen.
Weitere FirmennewsAnzeige

E-Rechnung: Für den Ansturm rüsten
[31.5.2024] Die E-Rechnungspflicht im B2B-Bereich kommt. Kommunen sollten jetzt ihre IT darauf ausrichten. Ein Sechs-Stufen-Plan, der als roter Faden Wege und technologische Lösungsmöglichkeiten aufzeigt, kann dabei helfen. mehr...
Suchen...

 Anzeige

Aboverwaltung


Abbonement kuendigen

Abbonement kuendigen
Aktuelle Meldungen