REPORT:
Attraktiv durch Kooperation


[16.5.2011] Der zunehmende Wettbewerb der Städte und Gemeinden untereinander ist neben knappen Kassen ein wichtiger Grund für interkommunale Kooperationen. Rationalisierungspotenziale lassen sich insbesondere bei Standardprozessen ausschöpfen.

Verwaltungen profitieren von interkommunaler Zusammenarbeit. (Foto: MEV Verlag) Ob gemeinsames Personal-Management in Norddeutschland, Mitgliederzuwachs für die Kommunale IT-Union (KITU) in Sachsen-Anhalt oder erste kreisübergreifende Kooperation in Niedersachsen – die interkommunale Zusammenarbeit liegt im Trend. Ein Grund dafür ist die angespannte Haushaltslage der Kommunen. Ein weiterer Aspekt ist der zunehmende Wettbewerb der Städte untereinander: Aufgrund von Globalisierung und einer stärkeren Mobilität haben Bürger und Unternehmen heute die Möglichkeit, zwischen unterschiedlichsten Standorten weltweit zu wählen. Und neben Faktoren wie Wohn- und Freizeitwert oder Umweltqualität spielt bei der Entscheidungsfindung auch die Dienstleistungserbringung der Verwaltung eine nicht unerhebliche Rolle.

Rationalisierung und Standardisierung

Um als attraktiver Standort wahrgenommen zu werden, müssen Kommunen ihre Dienstleistungen also möglichst kundenorientiert und effizient erbringen, was insbesondere vor dem Hintergrund knapper Kassen keine einfache Aufgabe ist. Einen Ausweg bieten verwaltungsübergreifende Kooperationen. Rationalisierungspotenzial liegt dabei insbesondere bei Aufgaben, die den Städten und Gemeinden vom Staat auferlegt sind – und in diese Kategorie fallen 95 Prozent aller kommunalen Aufgaben.
Erzielt werden die Rationalisierungen laut Erko Grömig, Hauptreferent im Dezernat Personal und Organisation des Deutschen Städtetages, mit den klassischen Instrumenten, wie sie vor allem bei der Industrialisierung der Warenproduktion seit über zweihundert Jahren eingesetzt werden: optimieren, standardisieren, konzentrieren, kooperieren. Eine Standardisierung der Geschäftsprozesse sei unabdingbar. Bislang würden viele Vorgänge noch als Gesamtkunstwerk betrachtet, die sich häufig von Verwaltung zu Verwaltung in ihren Abläufen unterschieden. Dies sei ein Luxus, auf den die Verwaltungen verzichten könnten. Allerdings, so räumt Grömig ein, sind dazu teilweise auch gesetzliche Änderungen notwendig. Zahlreiche Verwaltungsleistungen lassen sich durch Konzentration erheblich rationeller erledigen. Getreu der industriellen Logik liegt der Segen in möglichst hohen Stückzahlen. Als Beispiel nennt Grömig die Einrichtung eines Bundes- oder zumindest eines Landeseinwohnerregisters, das die Kommunen von zahlreichen Aufgaben entlasten würde. Gleiches gelte für die Verwaltung kommunaler Steuern und Beiträge, die Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten oder die Personalverwaltung. Letzteres wird in Norddeutschland bereits praktiziert: Hamburg und Schleswig-Holstein haben sich für die Einführung eines gemeinsam betriebenen Personal-Management-Systems entschieden (wir berichteten). Im nordrhein-westfälischen Kreis Warendorf ist eine Servicestelle Personal eingerichtet worden, die im Hintergrund zentrale Aufgaben für Kreis und kreisangehörigen Kommunen übernimmt, während Personalhoheit und erste Ansprechpartner bei den Verwaltungen verbleiben.

Kundenservice im Front Office

Für die schlanke Verwaltung wird künftig zählen, dass alles, was nicht zur Kernkompetenz gehört, ausgelagert oder in Kooperationen erledigt wird, ist Erko Grömig vom Deutschen Städtetag überzeugt. Allein die IT-Leistungen an einen externen Dienstleister zu vergeben, werde in Zukunft nicht mehr ausreichen, um weiteres Rationalisierungspotenzial zu erschließen. Dieses werde nur ausgeschöpft, wenn ganze Geschäftsprozesse einschließlich Personal und Produktion ausgelagert werden. Erforderlich ist nach Meinung von Grömig eine Verwaltungsorganisation, die zunächst besonderes Augenmerk auf die Ausgestaltung des unmittelbaren Kontaktes zwischen Bürgern und Kommune legt. Dabei gelte es, den Service so zu gestalten, dass möglichst ein Ansprechpartner für unterschiedliche Anliegen vorhanden ist. Dieses Organisationsprinzip, das vor allem in den Bürgerämtern umgesetzt wird, habe dazu beigetragen, die Kundenzufriedenheit und damit die Bürgerfreundlichkeit der Stadtverwaltungen zu erhöhen, meint Grömig. Alle diesbezüglichen Umfragen zeigten, dass die Bürger den persönlichen Kontakt mit allzuständigen Sachbearbeitern sehr schätzen. Diese positive Akzeptanz könne auch bei den Einrichtungen kommunaler Wirtschaftsförderung festgestellt werden, die nach dem Prinzip eines Bürgeramtes organisiert sind.
Wie der persönliche Kontakt mit den Kunden gestaltet werden kann, zeigt das Beispiel der Stadt Ulm. Dort können seit rund einem Jahr Bürgerdienste der Stadt und Dienstleistungen der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU) in einem Shared Service Center in Anspruch genommen werden. Nach Angaben der Firma Wilken, deren Software-Lösung im ServiceCenter Neue Mitte zum Einsatz kommt, wird die Vorqualifizierung der Besuche sowie die Steuerung der Termine, welche an der Infotheke oder via Internet vereinbart werden, elektronisch vorgenommen. Das System informiert die Bürger außerdem, welche Dokumente benötigt werden und verwaltet den Terminkalender der Beschäftigten. „Empfang und Portal basieren auf derselben Kundenphilosophie und derselben technischen Basis“, erklärt der Projektleiter der Stadt Ulm, Michael Spooren. „Damit haben wir es geschafft, verschiedene, gleichwertige Zugänge zu schaffen, ohne den Wartungsaufwand zu erhöhen.“ Die Ulmer Lösung ist inzwischen laut Wilken auch auf Interesse bei anderen Kommunen gestoßen. Ein ähnliches Projekt werde derzeit in Nürnberg mit Unterstützung des Unternehmens realisiert. Zudem soll das System künftig in weiteren Ulmer Ämtern und Bürgerzentren eingesetzt werden.

Artland ruft Oldenburg

Eine interkommunale Zusammenarbeit kann sich auch bei Portallösungen anbieten. Ein Beispiel hierfür ist der niedersächsische Kreis Harburg, der mit den angehörigen Gemeinden eine gemeinsame Datenbank betreibt. Bei telefonischen Service-Centern setzen sich Kooperationen ebenfalls immer mehr durch und das nicht nur im Zuge der Einführung der einheitlichen Behördenrufnummer 115. So hat etwa das ServiceCenter der Stadt Oldenburg zum 1. November 2010 probeweise den gesamten telefonischen Erstkontakt der niedersächsischen Samtgemeinde Artland übernommen. Laut Mario Huslage, bei der Samtgemeinde stellvertretender Leiter des Fachbereichs Finanzen und Organisation, konnte die telefonische Erreichbarkeit dadurch von 36,5 auf 55 Stunden pro Woche erhöht werden. Nahezu zwei Drittel der Anfragen werden im Erstkontakt beantwortet. Und auch beim Service Level, also der Anzahl der Anrufe, die in den ersten 20 Sekunden angenommen werden, zeige der Testbetrieb mit 87,5 Prozent einen beachtlichen Wert. Die Erfahrungen der Testphase waren so positiv, dass die Zusammenarbeit nun dauerhaft über eine Zweckvereinbarung fortgeführt wird. Als zertifizierte mittelstandsorientierte Kommune hält die Samtgemeindeverwaltung nach Aussage von Huslage bereits heute ihr Serviceversprechen gegenüber den mittelständischen Unternehmen ein, auf Anrufe und E-Mails spätestens am nächsten Arbeitstag zu reagieren. Mithilfe des Service-Centers der Stadt Oldenburg und entsprechender innerorganisatorischer Prozessoptimierungen sei ein vergleichbares Versprechen auch gegenüber den Bürgern denkbar. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, weitere Einrichtungen wie beispielsweise die Tourismusinformation, die Bäder oder die Außenstelle der Verwaltung einzubinden.

Arbeitskreis interkommunale Zusammenarbeit

Verwaltungen sollten aber nicht nur im unmittelbaren Kontaktbereich zum Bürger und zur Wirtschaft Rationalisierungen erzielen, sondern auch im Back Office, meint Erko Grömig vom Deutschen Städtetag. Hier böten sich eine gemeinsame kommunale Einrichtung oder eine Auslagerung an Private an. Grömigs Überlegungen gehen gar in die Richtung für alle Kommunen innerhalb eines Landes eine gemeinsames Back Office aufzubauen. Denn schließlich werden die Pflichtaufgaben der Verwaltung innerhalb eines Landes auf der Grundlage des gleichen Rechtsrahmens erbracht.
Auch Markus Lewe, Oberbürgermeister der nordrhein-westfälischen Stadt Münster, ist der Meinung, dass es abwegig wäre, wenn alle Kommunen die gleichen Ressourcen für identische Leistungen vorhalten würden. Durch Zusammenarbeit werde ein wachsendes Potenzial zur Ressourceneinsparung erschlossen. Aus diesem Grund hat der Rathaus-Chef Ende 2010 einen Arbeitskreis für interkommunale Zusammenarbeit ins Leben gerufen und dazu Kollegen aus acht Großstädten des Landes eingeladen. Die Idee: Die Kommunen sollen IT-basierte Prozesse auslagern und interkommunal konzentrieren. Erfolg versprechend sei, dass alle teilnehmenden Städte einen durchaus realistischen Blick auf die Potenziale interkommunaler Zusammenarbeit haben, so Lewe. Allen sei bewusst, dass bei der Umsetzung gemeinsamer Projekte viele knifflige Detailfragen zu klären sind, sich diese Arbeit letztlich aber mehr als auszahlen könne. Die Gewinne sind zum einen finanzieller Natur, tragen zum anderen aber auch zum positiven Image der Verwaltung bei. (rt)

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Stichwörter: Interkommunale Kooperationen, Deutscher Städtetag, Ulm, Artland, Münster, Markus Lewe, Erko Grömig, Mario Huslage



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