[2.12.2016] Eine Vorlesung an einer ausländischen Universität besuchen oder den Mathe-Unterricht zurückspulen, wenn man etwas nicht verstanden hat – die Digitalisierung hat in der Bildung längst Einzug gehalten. Das sollte sich auch in der Schulpolitik widerspiegeln.
Geschichtsunterricht in der neunten Klasse: Max und seine Mitschüler stehen im Schloss von Versailles des Jahres 1919 und beobachten, wie nach erhitzten Diskussionen der Friedensvertrag unterzeichnet wird. In der Ferne ertönt das Klingeln der Schulglocke. Max nimmt seinen Helm ab und wird aus der virtuellen Realität zurück in die Gegenwart befördert.
So oder so ähnlich könnte er aussehen, ein Schultag im Jahr 2025. Schaut man sich hingegen heute in den Schulen um, scheint vieles noch beim Alten. Dabei verändert die Digitalisierung die Anforderungen an das Was und Wie des Lernens immer schneller. Angesichts dieses Spagats zwischen Tradition und Transformation stellt sich die Frage, wie die digitale Bildung der Zukunft aussehen kann.
Medienbildung und Digital Mainstreaming
Zur digitalen Bildung gehört zunächst die Medienbildung, also der Erwerb von Kompetenzen für einen souveränen und reflektierten Umgang mit der digitalen Welt. Die Bedienung von Hard- und Software zählen dazu ebenso, wie Kenntnisse in der Online-Recherche und Datenanalyse. Auch der verantwortungsvolle Umgang mit den eigenen Daten im Netz und ein Bewusstsein für die Risiken, die von Schad-Software, Internet-Sucht und Cybermobbing ausgehen, sind ein unverzichtbarer Bestandteil. Der zweite Bereich digitaler Bildung ist das Digital Mainstreaming. Dabei geht es darum, die erworbenen Medienkompetenzen gezielt einzusetzen, um mithilfe digitaler Möglichkeiten anwendungsbezogene Probleme und Aufgaben zu lösen.
Digital Mainstreaming und seine Instrumente lassen sich nach verschiedenen Ausprägungen differenzieren, beginnend mit der digitalen Unterstützung des Lernens. Lern-Management-Systeme zum Teilen von Lernmaterialien und zum gegenseitigen Austausch sind bereits weit verbreitet. Andere Lösungen wie das virtuelle Klassenzimmer, freie digitale Bildungsmaterialien und Massive Open Online Courses befinden sich hierzulande noch in der Erprobungsphase. Solche neuen Lösungen schaffen oft die Möglichkeit, räumlich und zeitlich unabhängig zu lernen. Instrumente wie virtuelle Realität, Gamification und automatisierte Auswertungen des Lernverhaltens können dazu genutzt werden, den Unterricht interaktiver zu gestalten und stärker an individuelle Anforderungen anzupassen. Dies bietet Chancen für ein selbstbestimmteres Lernen bei mehr Transparenz und Leistungsgerechtigkeit.
Viele dieser Trends und Entwicklungen stehen noch ganz am Anfang. Zu nennen ist etwa der Einsatz künstlicher Intelligenz zur Analyse des Lernverhaltens. Auch verbesserte Techniken für virtuelle und erweiterte Realität lassen sich angesichts der derzeit auf den Markt kommenden Produkte und Anwendungen erwarten. Zudem sind Fragen hinsichtlich der Umsetzung und Folgen digitaler Bildung noch weitgehend unbeantwortet, etwa zum Schutz der Privatsphäre, den Auswirkungen auf soziales Lernen und den kurz-, mittel- und langfristigen Kosten der Umstellung.
Handlungsräume für die kommunale Schulpolitik
Ungeachtet technischer und didaktischer Weiterentwicklungen lassen sich jedoch zwei Handlungsräume identifizieren, die für die kommunale Schulpolitik von Bedeutung sind: Erstens geht es immer um die Erhöhung der Chancengleichheit. Durch neue Möglichkeiten der Interaktion und Individualisierung kann die Digitalisierung wichtige Unterstützung bei der Bewältigung aktueller He-rausforderungen im Bildungssektor geben. Umfassende Bildungsangebote für alle Altersklassen durch die Volkshochschulen sind ebenso gefragt wie ein breites Angebot an digitalen Medien, etwa in der städtischen Bibliothek. So kann verhindert werden, dass digitale Gräben bestehende soziale Ungleichheiten verstärken, statt diese zu überwinden.
Zweitens fehlt es zurzeit vielerorts noch an einer funktionierenden Infrastruktur sowie an entsprechenden Weiterbildungsangeboten für Lehrer. Hinsichtlich mangelnder IT-Ausstattung können Bring-Your-Own-Device-Richtlinien für den geregelten Gebrauch von Privatgeräten im Unterricht kurzfristig für Entlastung sorgen. Langfristig gewinnen Kooperationen an Bedeutung, bei denen sich durch gemeinsam genutzte Ressourcen Kosteneinsparungen realisieren und hohe Qualitätsstandards umsetzen lassen. Zu denken ist hier beispielsweise an gemeinsame Rechenzentren oder Cloud-Lösungen. Zudem sollten im Rahmen verstärkter Kooperation gemeinsame Lösungen mit allen Beteiligten gefunden werden, um das Thema digitale Bildung effektiv voranzutreiben und damit die Weichen für die Zukunft zu stellen.
Nicole Opiela ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) des Fraunhofer-Instituts FOKUS.
Zum Diskussionspapier des ÖFIT (Deep Link)
Spielerischer Ausblick auf das Bildungssystem der Zukunft (Deep Link)
Dieser Beitrag ist in der Dezember-Ausgabe von Kommune21 im Schwerpunkt Schul-IT erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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