FirmennewsAnzeige

Interview mit Professor Robert A. Sedlák:
Transformation in der kommunalen Wirtschaft


19.7.2022 Im Interview erläutert der systemische Organisationsberater Robert A. Sedlák, inwiefern Institutionen der kommunalen Wirtschaft und insbesondere Stadtwerke die aktuellen Herausforderungen im Kontext gesellschaftlicher, politischer und technologischer Transformationsprozesse nutzen können, um zu einem proaktiven Gestalter der Trends unserer Zeit zu werden.

"Kaum eine Branche ist derzeit in ähnlich großem Ausmaß von den gerade zu beobachtenden politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen betroffen wie Organisationen der kommunalen Wirtschaft. Ob Dekarbonisierung, Mobilitätswende, Digitalisierung oder die energie­politischen Reaktionen auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine – Stadtwerke und weitere Institutionen der kommunalen Wirtschaft spielen bei der Erreichung der jeweils damit verbundenen Ziele eine wesentliche Rolle."

Herr Professor Sedlák, in welcher Rolle sehen Sie die Stadtwerke der Zukunft?

Auf unsere Gesellschaft wartet eine Reihe großer Herausforderungen: Ob Energie- oder Wärmewende, Mobilitätslösungen, Dekarbonisierung oder das Erreichen von Klimazielen insgesamt – Stadtwerke werden bei der Bearbeitung dieser Themen eine wesentliche Rolle spielen. Komplexe Aufgabenstellungen wie diese werden zwar auf oberster Ebene in der Politik diskutiert, aber für die Umsetzung braucht es konkrete Lösungen auf Kommunalebene. Hierfür sind Stadtwerke mit ihren Kenntnissen und Kompetenzen rund um Energieversorgung und Infrastruktur geradezu prädestiniert, insbesondere dann, wenn Stadtwerke auch für den ÖPNV verantwortlich sind.

Stadtwerke und ähnliche Organisationstypen werden sich zunehmend von ihrer Rolle als reiner Versorger abkehren und sich zu zentralen Infrastrukturdienstleistern auf Regionalebene entwickeln. Wir beobachten in unserem Netzwerk, dass sich viele Stadtwerke bereits auf dem Weg dorthin befinden.

Wichtig dabei ist, dass auch Stadtwerke die Herausforderungen unserer Zeit natürlich nicht im Alleingang lösen können. Hierzu bedarf es einer klug gestalteten Zusammenarbeit mit den Kommunen und Städten sowie weiteren Organisationen, wie beispielsweise den Universitäten oder auch Handwerks- und Industrieunternehmen. Es gilt, die Kompetenzen zielgerichtet zu bündeln und effektiv einfließen zu lassen. Der kommunalen Wirtschaft kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Aber es erfordert auf allen Seiten eine große Veränderungsbereitschaft.

Wie lässt sich diese Veränderungsbereitschaft erzeugen?

Um Veränderungsbereitschaft zu erzeugen, müssen zwei wesentliche Voraussetzungen gegeben sein: die kollektive Wahrnehmung, dass eine Veränderung stattfinden muss, und ein attraktives sowie authentisches Zukunftsbild, das motivierend wirkt und handlungsleitende Orientierung für kollaborative Prozesse stiftet. Ohne diese beiden Voraussetzungen kann nicht die Energie erzeugt werden, die notwendig ist, um Veränderungsvorhaben wirkungsvoll zu realisieren.

Aber mit der Veränderungsbereitschaft allein ist es nicht getan. Wenn wir als Beratung in ein neues Projekt starten, hat die Organisation des entsprechenden Kunden in der Regel schon mehrere Veränderungsprozesse hinter sich, die häufig nicht die gewünschte Wirkung erzielt haben.

Woran liegt es, dass so viele Veränderungsprozesse scheitern?

Viele Veränderungsprozesse scheitern daran, dass sie prozessual und kommunikativ nicht auf breiter Ebene in der Organisation verankert werden.

Dank der wissenschaftlichen Arbeiten von Niklas Luhmann und weiteren Vertretern der Neueren Systemtheorie wissen wir, dass Organisationen einerseits stets einen stabilen Zustand anstreben, andererseits komplexe Sozialsysteme sind.

Ein Unternehmen ist eben kein Kaffeeautomat, in den man Kaffeebohnen und Wasser einfüllt und genau weiß, was später unten rauskommt. Die in Organisationen herrschende Komplexität macht es sehr schwierig, vorauszusagen, was passiert, wenn Veränderungen angestoßen werden. Der Ausgang ist immer offen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Entwicklungen genau im Blick zu behalten und die Maßnahmen, falls notwendig, immer wieder anzupassen.

Als systemische Organisationsberatung betrachten wir die Beobachtungs- und Bewertungsraster unserer Kunden. Wir analysieren die Kommunikations- und Entscheidungsroutinen in den jeweiligen Kundensystemen.

Liegt es an den Strukturen oder an der Kommunikation oder liegt es vielleicht daran, wie der Prozess der Entscheidungsfindung gestaltet ist, dass ein Veränderungsprojekt zum wiederholten Male scheitert ? In der Regel sind nicht Einzelpersonen der Grund dafür, sondern die Art und Weise, wie eine Organisation tickt - also die Organisationskultur sowie etablierte und historisch gewachsene Strukturen. Gerade in Institutionen der kommunalen Wirtschaft ist das besonders spürbar: In der Wahrnehmung vieler agieren manche Stadtwerke noch heute wie staatliche Behörden bzw. Monopolisten im entsprechenden Versorgungsgebiet.

Dennoch sind Sie zuversichtlich, dass Stadtwerke an den aktuellen Herausforderungen wachsen. Steht das nicht in einem Widerspruch?

Auf den ersten Blick mag das widersprüchlich erscheinen. Tatsächlich sehe ich in der aktuellen Situation für Stadtwerke die große Chance, eine wesentliche Rolle in der proaktiven Gestaltung der großen gesellschaftlichen Themen einzunehmen.

Auf Basis der Neueren Systemtheorie verstehen wir Stadtwerke und ähnliche Infrastrukturunternehmen als einen besonderen Organisationstyp, der Paradoxien zwischen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Anforderungen erfolgreich managen muss und aus dem Grund adäquate Abstimmungs- und Entscheidungsroutinen entwickelt.
Durch unsere jahrelange Erfahrung im Umgang mit diesem Organisationstyp konnten wir ein tiefgreifendes Verständnis dafür aufbauen, wie diesen Organisationen der tägliche Spagat gelingt.

Dieses Wissen kommt uns aktuell auch in anderen Beratungsprojekten bei Mandaten aus der Industrie, Chemie oder aus dem Handel zugute. Denn das Balancieren von ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen unterschiedlicher Anspruchsgruppen wird auch in diesen Branchen immer bedeutsamer.

Stadtwerke haben hier einen gewissen Erfahrungsvorsprung. Dessen sind sich leider die wenigsten Akteure in der kommunalen Wirtschaft bewusst. Wird diese Erfahrung aber proaktiv genutzt und die vorhandene Systemintelligenz in den entsprechenden Organisationen systematisch mobilisiert, sodass das in der Organisation verfügbare Wissen und die Kompetenzen der Belegschaft wirklich nutzbar werden, bin ich zuversichtlich, dass die Stadtwerke an den aktuellen Aufgaben wachsen.

Der Autor

Robert A. Sedlák ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von SEDLÁK & PARTNER, Guest Professor an der ECNU und zertifizierter Wirtschaftsmediator.

Nach über 30 Jahren Erfahrung in den Bereichen Strategie-, Organisations- und Personalentwicklung hat sich Robert Sedlák zu einem der renommiertesten systemischen Organisationsberater in Deutschland entwickelt. Er gilt als Experte für organisatorische Transformation im strategischen Kontext. Gemeinsam mit der ECNU, der East China Normal University in Shanghai, hat er das "ECNU-S&P Research Center for ICT-enabled systemic change and innovation" gegründet.

Kontakt
SEDLÁK & PARTNER
Schillerallee 4a
22926 Ahrensburg
Telefon: +49 4102 6993-0


Info:
info@sedlak-partner.de
https://www.sedlak-partner.de
https://www.sedlak-partner.de/stadtwerke/


Bildquelle v.o.n.u.: SEDLÁK & PARTNER, SEDLÁK & PARTNER

Weitere FirmennewsAnzeige

Kundenportal: Der Weg in die digitale Zukunft der Antragsprozesse
[27.2.2024] Willkommen in der Ära der digitalen Transformation für die öffentliche Verwaltung. Ein Kundenportal für digitale Antragsstrecken revolutioniert nicht nur die Art und Weise, wie Anträge bearbeitet werden, sondern schafft auch Raum für Effizienz, Flexibilität und reibungslose Abläufe. mehr...

SCCON bringt Politik, Verwaltung und Digitalwirtschaft zusammen: Berlin wird vom 7. – 9. November 2023 mit der Smart Country Convention zum Zentrum der Digitalisierung des öffentlichen Sektors
[1.10.2023] KI-Anwendungen in der Smart City, Bürokratieabbau in der Verwaltung und Open Data-Plattformen für innovative Städte – die Digitalisierung ist der Schlüssel für eine intelligente Vernetzung des öffentlichen Raums. Anfang November kommen Spitzenvertreterinnen und -vertreter aus Verwaltung, Politik und Wissenschaft, Pioniere der Digitalwirtschaft, Hidden Champions und lokale Branchenköpfe auf der Smart Country Convention 2023 zusammen und zeigen, wie sich die Herausforderungen der Digitalisierung bewältigen lassen. Sie geben nachhaltige Strategien an die Hand, um die Digitalisierung des Public Sector entscheidend voranzubringen. mehr...

EU-Richtlinie 2016/2102: So funktioniert barrierearme Rechnungsverarbeitung
[22.8.2023] Einen barrierearmen Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen zu gewährleisten, dazu sind öffentliche Stellen in Deutschland und der EU seit 2019 verpflichtet. Was bedeutet dies für die Verarbeitung eingehender Rechnungen in SAP? Sind Dokumentenprozesse überhaupt betroffen? mehr...
Weitere Meldungen und Beiträge
Serie GovTech Start-ups: Das Klima im Blick Bericht
[26.4.2024] Die Herausforderungen für Kommunen beim Klimaschutz sind groß. Start-ups unterstützen sie bei Klimaschutz, Energiewendeprojekten und den Auswirkungen des Klimawandels mit ganz unterschiedlichen Lösungen. mehr...
Viele GovTech Start-ups haben Lösungen für den Klimaschutz im Gepäck.
Bürger-App: Kommunale Kommunikation Bericht
[26.4.2024] Bürger-Apps ermöglichen den unkomplizierten, direkten Austausch zwischen Kommunen und Einwohnern. Die Smart Village App ist ein offenes Baukastensystem speziell für Kommunen, das individuell angepasst werden kann. Rund 40 Kommunen nutzen es bereits - darunter auch die Stadt Hagenow in Mecklenburg-Vorpommern. mehr...
Die Smart Village App ist modular und individualisierbar.
10. Kommunaler IT-Sicherheitskongress : Ein Jahrzehnt Engagement
[26.4.2024] Zum 10. Kommunalen IT-Sicherheitskongress fanden sich knapp 700 Fachleute aus Ländern und Kommunen in der Hauptgeschäftsstelle des Deutschen Landkreistags ein. Die Veranstaltung markiert ein Jahrzehnt des kommunalen Engagements im Bereich Cyber-Sicherheit. mehr...
Prosoz: Partnerschaft mit VSK geschlossen
[26.4.2024] Das Unternehmen Prosoz verbindet seine Expertise im Fachverfahren PROSOZ Bau mit der zukunftsweisenden BIM-Technologie und kooperiert dafür mit dem Unternehmen VSK Software. mehr...
Prosoz Herten und VSK Software gehen strategische Partnerschaft ein.
Ortenaukreis : Virtuelles Bauamt eingeführt
[26.4.2024] Der Ortenaukreis führt das Virtuelle Bauamt Baden-Württemberg (ViBa BW) ein und will Baugenehmigungsverfahren damit deutlich vereinfachen und beschleunigen. mehr...
Augsburg: Online mehr Service Bericht
[25.4.2024] Mit einem kontinuierlichen Ausbau der Online-Dienste, einem Chatbot als zusätzlichem Kommunikationskanal sowie Hilfe bei der Digitalisierung sorgt die Stadt Augsburg für Bürgerservice. Auch verwaltungsinterne Optimierungen sind in vollem Gange. mehr...
Augsburg baut sein Online-Serviceangebot stetig aus.
Köln: Videoident statt Amtsbesuch
[25.4.2024] Die Stadt Köln hat den Einsatz eines videogestützten Identifikationsverfahrens zur Anmeldung von Eheschließungen sowie An- und Ummeldungen beschlossen. Vorbild für die Entscheidung war die Stadt Wiesbaden, die ein Videoidentifkationsverfahren erfolgreich nutzt. mehr...
Die Einführung von Videoident-Verfahren soll Kölner Bürgerinnen und Bürgern bald einige Amtsbesuche ersparen.
E-Rechnungs-Gipfel 2024: In die Umsetzung kommen
[25.4.2024] Ab Januar 2025 ist die E-Rechnung für den B2B-Bereich verpflichtend. Der diesjährige E-Rechnungs-Gipfel fokussiert sich mit Lösungsstrategien und Best Practices folglich stark auf die Umsetzung. Eine Fachausstellung ergänzt das Tagungsprogramm. mehr...
Diskussionspanels gehören auch in diesem Jahr wieder zum Tagungsprogramm des E-Rechnungs-Gipfels in Berlin.
Frankfurt am Main: Baumfällantrag wird digital
[25.4.2024] Das Umweltamt der Stadt Frankfurt am Main bietet die Möglichkeit, Anträge zur Fällung eines von der Baumschutzsatzung geschützten Baums online einzureichen. mehr...
Frankfurt am Main: Ab einem bestimmten Stammumfang darf ein Baum nur mit Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde gefällt werden.
ANGA COM: Das ist der Gipfel
[25.4.2024] Vom 14. bis 16. Mai findet in Köln die ANGA COM statt, Europas führende Kongressmesse für Breitband, Fernsehen und Online. Zu den Highlights des Kongressprogramms zählen der Gigabitgipfel, der Mediengipfel, der Glasfasergipfel und der Infrastrukturgipfel. mehr...
Auch dieses Jahr findet die ANGA COM in Köln statt.
Suchen...

Aktuelle Ausgabe Kommune21

Kommune21 Ausgabe 4/2024
Heft 4/2024 (Aprilausgabe)

Social Media
Schneller Draht zu den Bürgern

Weitere Portale des Verlags

www.stadt-und-werk.de www.move-online.de