REPORT:
E-Government im Vergleich


[28.2.2011] Hieß es in der Vergangenheit eher, Deutschland trete im europäischen E-Government-Vergleich auf der Stelle und tummle sich lediglich im Mittelfeld, hat die Bundesrepublik nun deutlich an Boden gewonnen: Beim aktuellen E-Government-Benchmark der EU-Kommission hat sie den besten Platz seit 2001 belegt.

Deutschland holt im europäischen E-Government-Vergleich auf. (Foto: PEAK) Deutschland holt beim E-Government im europäischen Vergleich auf. Dieses Ergebnis der neunten Benchmark-Studie der EU-Kommission hat das Bundesinnenministerium so sehr begeistert, dass erste Informationen durchsickerten, bevor die Studie offiziell vorgestellt wurde (wir berichteten). Seit vergangenen Montag (21. Februar 2011) liegen die Ergebnisse nun auch öffentlich vor. Dabei zeigt sich: Nicht nur die Bundesrepublik hat einen Sprung nach vorne gemacht.

Europäisches E-Government kommt voran

Europaweit haben immer mehr Bürger Zugang zu Online-Verwaltungsdienstleistungen. 82 Prozent der 20 untersuchten Behördenservices sind in den EU-Staaten sowie in Kroatien, Island, Norwegen, der Schweiz und der Türkei im Durchschnitt online umgesetzt. Mit einem Zuwachs von 13 Prozentpunkten im Vergleich zu 2009 hat sich die Situation also deutlich verbessert. Neelie Kroes, Vizepräsidentin der EU-Kommission, erklärte hierzu: „Ich freue mich, dass eine wachsende Zahl von EU-Bürgern nun öffentliche Online-Dienstleistungen für so wichtige Dinge wie die Arbeitsplatzsuche, das Ausfüllen von Steuererklärungen oder die Registrierung neuer Unternehmen nutzen kann.“ Am besten schneiden Österreich, Italien, Malta, Portugal und Schweden ab. Aus der Studie geht auch hervor, dass die Services zunehmend interaktiv sind und Transaktionen erlauben. Außerdem habe sich die Qualität der Dienstleistungserbringung deutlich verbessert. Der durchschnittliche Grad der Online-Verfügbarkeit von Dienstleistungsangeboten ist europaweit ebenfalls gestiegen – auf 90 Prozent. Österreich, Irland, Malta und Portugal liegen hier vorne, dicht gefolgt von Deutschland und Schweden.

Online-Dienste verfügbar, aber ungenutzt?

Die Online-Verfügbarkeit ist laut der Studie allerdings nur der erste Schritt. Künftig sind – nicht zuletzt in Anbetracht knapper Haushaltsmittel – Initiativen gefragt, die sich auf Nutzung und Wirkung von E-Government-Diensten konzentrieren. Die Studie konstatiert nämlich, wie bereits in der Vergangenheit, eine deutliche Lücke zwischen der Verfügbarkeit von Services und der tatsächlichen Nutzung, vor allem durch die Bürger. Der Public Sector müsse dringend über eine bürgerzentriertere Dienstleistungserbringung nachdenken. Zahlreiche EU-Mitgliedsländer nutzen zwischenzeitlich Methoden, um die Bedürfnisse der Nutzer zu identifizieren und setzen auf eine individuellere Zielgruppenansprache und Personalisierung, heißt es in der Studie. Malta unterscheide bei seiner Kundenansprache beispielsweise nach Altersgruppen und Internet-Affinität. Spanien teilt die Nutzergruppen in Ältere, Jugendliche und Frauen ein. Finnland bezieht die Verwendung alter Computer und langsamer Internet-Verbindungen ebenso ein wie die Nutzung mobiler Dienste.
Die Studie stellt darüber hinaus bei den EU-Mitgliedern Bemühungen fest, Dienste und Portale etwa in Bezug auf Multikanalfähigkeit, Usability oder Transparenz der Dienstleistungserbringung zu verbessern, um für positive Nutzererfahrungen zu sorgen. Die Kundenorientierung zeige sich auch in der Durchführung von Monitorings zur Nutzerzufriedenheit. 2007 wurden diese in 9 Staaten durchgeführt, 2009 in 23 und 2010 in 26 Ländern.

Ebenenübergreifende Zusammenarbeit

Um einen beständigen Fortschritt beim E-Government zu erzielen, seien – unabhängig von der politischen Struktur eines Landes – die Koordination der E-Government-Aktivitäten und Kooperationen von entscheidender Bedeutung. Zudem sollten die Organisationsstrukturen hinterfragt werden, die für die Insellösungen verantwortlich sind.
Wie es gehen kann, zeigt das Beispiel Österreich. Die Plattform Digitales Österreich, die als übergreifende Institution für E-Government-Aktivitäten alle Beteiligten einbindet, wird in der Studie explizit als Beispiel für effiziente E-Government-Koordination genannt. Der in der Alpenrepublik für E-Government zuständige Medienstaatssekretär Josef Ostermayer sagte: „Ohne die intensive gemeinsame Arbeit von Bund, Ländern, Städten, Gemeinden und der Wirtschaft in der Plattform Digitales Österreich und dem neu gegründeten Kompetenzzentrum Internet-Gesellschaft wären diese Erfolge auf internationalem Niveau nicht möglich.“ Als weiteres positives Beispiel wird der IT-Planungsrat in Deutschland angeführt, der als zentrale Steuerungsinstanz die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Fragen der IT koordiniert, IT-Interoperabilitäts- und -Sicherheitsstandards beschließt und E-Government-Projekte steuert.
Auch wenn die Entwicklungen in den öffentlichen Verwaltungen in die richtige Richtung gehen, bestehen zwischen den Mitgliedsstaaten nach wie vor große Unterschiede, heißt es aufseiten der EU-Kommission. Im Rahmen der Digitalen Agenda für Europa arbeite die Europäische Union deshalb darauf hin, dass bis 2015 einer von zwei Bürgern und vier von fünf Unternehmen E-Government-Dienstleistungen in Anspruch nehmen.

Deutschland verbessert seinen Tabellenplatz

Bis zu diesem Zeitpunkt will die Bundesrepublik im EU-weiten Vergleich eine Spitzenplatz einnehmen. Das steht zumindest in der ersten Nationalen E-Government-Strategie Deutschlands, die der IT-Planungsrat im September 2010 formuliert hat. Die richtige Richtung scheint Deutschland schon eingeschlagen zu haben. In der aktuellen E-Government-Vergleichsstudie erzielte die Bundesrepublik das beste Resultat seit Beginn der Erhebung im Jahr 2001. Beim Online-Reifegrad, mit dem bewertet wird, inwieweit die E-Government-Dienste die Interaktion und Transaktion zwischen Verwaltung und Kunden ermöglichen, kam Deutschland mit 99 Prozent auf Platz 6 (2009: Platz 12). Außerdem sind 95 Prozent der 20 untersuchten Dienstleistungen vollständig online verfügbar. Aufgrund der Steigerung um 21 Prozentpunkte hat sich Deutschland im Gesamtranking gegenüber 2009 vom 15. auf den 12. Platz verbessert. Die Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik, Staatssekretärin Cornelia Rogall-Grothe, zeigte sich mit dem Ergebnis sehr zufrieden: „Die Anstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen haben sich gelohnt. Das gute Abschneiden von Deutschland beim EU-Benchmark 2010 zeigt, dass wir beim E-Government auf dem richtigen Weg sind.“
Nach Angaben der Unternehmensberatung Capgemini werden die deutschen Web-Portale in ihrer Gestaltung als bürgerorientiert empfunden und verzeichnen zufriedenstellende Werte im Bereich Benutzerfreundlichkeit. Bei der Vernetzung der einzelnen Angebote weisen sie jedoch noch erheblichen Nachholbedarf auf. Mit 13 Prozent sei der Abstand zum EU-Durchschnitt von 77 Prozent sehr groß. Obwohl die Ergebnisse der diesjährigen Studie vielversprechend seien, werde es darauf ankommen, die Online-Angebote der Behörden in den kommenden Jahren weiterzuentwickeln, zumal immer mehr technisch versierte Bürger mit der Verwaltung kommunizieren und deren Erwartungen nicht nur hinsichtlich Servicequalität, sondern zunehmend auch in Bezug auf Beteiligungsmöglichkeiten steigen werden. Tom Gensicke, Leiter Public Services bei Capgemini Consulting, meint: „Nur wenn wir E-Government-Dienstleistungen auch auf Länder- und kommunaler Ebene stärker ausbauen und Querverbindungen schaffen, wird Deutschland eine europäische Spitzenposition erreichen und wettbewerbsfähig bleiben.“

Kommunale Ebene erstmals berücksichtigt

Die regionale und kommunale Dimension von E-Government hat bei der diesjährigen Vergleichsstudie erstmals Berücksichtigung gefunden. Dabei wurde deutlich, dass die elektronischen Verwaltungsservices auf diesen Ebenen denen auf Landesebene merklich hinterherhinken. Nach Angaben der EU-Kommission bieten kleinere Gemeinden nur die Hälfte der Online-Dienstleistungen größerer Kommunen an. Während erstere auf ihren Web-Seiten lediglich über die Beantragung der Kopie einer Urkunde informierten, stellten größere Städte auch Formulare zum Download bereit. Ein Grund könnte laut EU-Kommission sein, dass kleinere Verwaltungen herkömmliche Kommunikationsformen bevorzugen oder aber über weniger Kapazitäten verfügen, um entsprechende Online-Angebote zu realisieren.
Der Umfang der Studie wurde nicht nur durch das Einbeziehen der regionalen und kommunalen Verwaltungsebene erweitert. Neu hinzu kamen auch detaillierte Fallbeispiele zur Unternehmensgründung oder Arbeitsplatzsuche. Den Schwerpunkt bildet jedoch nach wie vor die Analyse der 20 von der EU definierten Angebote für Bürger und Unternehmen: zwölf Basisdienstleistungen für Bürger, darunter Steuererklärung, Pkw-Registrierung oder die Beantragung einer Baugenehmigung, und acht Online-Services für die Wirtschaft wie die Registrierung eines neuen Unternehmens, die Übermittlung von Daten an statistische Ämter oder die öffentliche Auftragsvergabe. Untersucht wurden in diesem Jahr mehr als 10.000 Behörden-Websites in den 32 Teilnehmerländern. Durchgeführt wird das Benchmarking von Capgemini, dem Rand Europe Institut, dem Analystenhaus IDC und dem Dänischen Technologie Institut. Laut Tom Gensicke von Capgemini hat sich die Vergleichsstudie, die seit 2001 die E-Government-Fortschritte in der EU misst, über die Jahre zu einem wichtigen Impulsgeber für die Politik entwickelt. Diese Rolle wird sie wohl auch in Zukunft erfüllen: 2009 hat die EU-Kommission den Auftrag an Capgemini zur Erstellung der jährlichen Vergleichsstudie verlängert. (rt)

Zum Download der englischsprachigen Studie (Deep Link)

Stichwörter: EU-Kommission, E-Government-Studie, Capgemini, Neelie Kroes, Digitales Österreich, Josef Ostermayer, Cornelia Rogall-Grothe, Tom Gensicke



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