[5.7.2021] Der Nationale Normenkontrollrat hat ein Gutachten vorgelegt, das am Beispiel des Einkommens aufzeigt, wie Recht und Technik aufeinander abgestimmt werden müssen, damit die Verwaltungsdigitalisierung und das Once-Only-Prinzip gelingen können.
Ein schon angejahrtes Bonmot lautet: „Die Daten sollen laufen, nicht die Bürger“. Das trifft insbesondere auf das Once-Only-Prinzip zu, nach dem Bürgerinnen und Bürger der Verwaltung nur einmal ihre Daten mitteilen sollen und die Behörden sich dann – mit Einwilligung der Betroffenen – untereinander austauschen. Damit dieses Prinzip Wirklichkeit wird, hat man sich auf die Modernisierung der Register geeinigt und ein entsprechendes Gesetz erlassen, das zunächst die informationstechnische Harmonisierung der Register vorsieht.
Damit Bürger staatliche Leistungen beziehen können, müssen sie meist viele Nachweise einreichen, die den Behörden häufig schon vorliegen oder aus Informationen bestehen, die in Behördenregistern und -datenbanken ohnehin gespeichert sind. Beim Antrag auf Elterngeld müssen beispielsweise mehr als zehn Nachweise eingereicht werden, von der Geburtsurkunde des Kindes über die Personaldokumente der Eltern bis hin zu Einkommensbescheinigungen. Allein durch den behördlichen Zugriff auf das Melde- und Geburtenregister entfallen hier mühevolle Schritte für die Antragsteller. Beim Einkommensnachweis wird es allerdings schwieriger.
Baukastensystem der Rechtsbegriffe
In einem neuen Gutachten hat der Nationale Normenkontrollrat (NKR) nun exemplarisch am Beispiel des Einkommensbegriffs untersuchen lassen, welche rechtliche Anpassungen – neben den technischen – für die Verwirklichung des Once-Only-Prinzips nötig sind. Das Gutachten „Digitale Verwaltung braucht digitaltaugliches Recht: Der modulare Einkommensbegriff“ ist von der Ruhr-Universität Bochum in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung msg systems ag erstellt worden. Unter Einkommen werden in den unterschiedlichen Antragsverfahren demnach ganz unterschiedliche Dinge verstanden: Gehalt, Vermögen, andere staatliche Leistungen. Die unterschiedliche Handhabung schafft sowohl aufseiten der Antragsteller als auch bei den Behörden viel Aufwand.
Eine Lösung sieht das NKR-Gutachten in einer Art Baukastensystem der Rechtsbegriffe. Ein „standardisiertes Baukastensystem ermöglicht die Passgenauigkeit von Recht und Technik“, heißt es seitens des NKR. Beispielsweise könnte eine Modularisierung des Einkommens die Elemente Einkommenssteuer, ALG II, Eingliederungshilfen, Kinderzuschläge, Elterngeld oder BAföG als Einzelkomponenten umfassen. Je nach Antragsbedarf werden nur einzelne Komponenten relevant. Diese Zerlegung in einzelne Bausteine muss allerdings verbindlich und behördenübergreifend einheitlich erfolgen. „Im Nationalen Normenkontrollrat sind wir davon überzeugt, dass diese Modularisierung des Einkommensbegriffs einen echten Durchbruch für die Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen bewirken kann“, sagte Landrätin Dorothea Störr-Ritter anlässlich der Vorstellung des Gutachtens auf einer virtuellen Pressekonferenz.
Gesetze sollten digitaltauglich sein
Die Initiative des NKR zielt darauf ab, rechtzeitig die Weichen für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) und der Registermodernisierung zu stellen. Die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen bedeutet nämlich nicht nur, technische Standards zu schaffen, sondern auch die rechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen: digitaltaugliche Gesetze. Im optimalen Fall soll eine Digitaltauglichkeitsprüfung schon beim Verfassen von Gesetzen erfolgen. „Technik und Fachlichkeit müssen zusammengebracht werden“, sagte der Bremer Staatsrat Martin Hagen. Beim Bremer ELFE-Projekt hätte der Kinderzuschlag bisher nicht umgesetzt werden können, weil der Abruf von Einkommensdaten daran scheiterte, dass die relevanten Datenfelder nicht programmierbar waren. „Der Einkommensbegriff muss codierbar werden“, so Martin Hagen.
Während der Einkommensbegriff sich für eine Modularisierung idealtypisch anbietet, gibt es „auch Rechtsbegriffe, die eine Ermessensentscheidung bedeuten und die nicht digitalisiert werden können“. Darauf wies Maria Marquardsen, Professorin für Steuerrecht an der Ruhr-Universität, auf der Veranstaltung hin. Solche unbestimmten Rechtsbegriffe ermöglichen einen Entscheidungsspielraum für die Verwaltung und haben in der Regel eine intensive Auseinandersetzung mit einem Fall zur Folge. Sie markieren die Grenzen der Digitalisierbarkeit und können nicht automatisiert werden.
Helmut Merschmann
Digitale Verwaltung braucht digitaltaugliches Recht: Der modulare Einkommensbegriff (PDF; 12,7 MB) (Deep Link)
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