E-Recruiting:
Rechtssicher vorgehen


[13.1.2023] In Zeiten des Fachkräftemangels müssen Kommunen bei der Personalgewinnung neue Wege beschreiten. Das Internet, moderne Online-Stellenportale und soziale Netzwerke bieten vielfältige Kontaktoptionen. Rechtliche Leitplanken sollten aber beachtet werden.

Beim E-Recruiting rechtliche Leitlinien einhalten. Der kontinuierliche Fachkräftemangel stellt auch in Kommunen ein großes Problem dar. Gerade öffentliche Arbeitgeber tun sich zunehmend schwer, geeignetes Personal über klassische Stellenausschreibungen und anschließende Auswahlverfahren zu rekrutieren. Öffentliche Arbeitgeber unterliegen im Recruiting-Prozess zudem besonderen rechtlichen Anforderungen, die Bewerbungsverfahren nicht unbedingt schneller und flexibler machen.
Um die Zielgruppe der raren potenziellen Bewerber zu erreichen, rücken das Internet und soziale Netzwerke immer mehr in den Fokus. Jeden Tag lassen sich über diese Wege tausende Menschen auch überregional zielgenau erreichen, die entweder aktuell auf Jobsuche sind oder sich gedanklich bereits mit einem Arbeitgeberwechsel beschäftigen.
Die neuen Möglichkeiten des Recruiting im Internet werfen aber auch rechtliche Fragen auf. Im Stellenbesetzungsverfahren dürfen arbeits- und dienstrechtliche Aspekte nicht außer Acht gelassen werden, die vor allem bei der Personalbeschaffung (Stellenanzeige, Personalberater, interne Ausschreibung), der Personalauswahl (Sichtung der Unterlagen, weitergehende Recherche, Bewerbungsgespräch, Bestenauslese) und im Arbeitsverhältnis eine bedeutende Rolle spielen.

Arbeitsrechtliche Mindestanforderungen einhalten

Bereits bei der Stellenausschreibung im Internet müssen arbeitsrechtliche Mindestanforderungen beachtet werden. Es gibt, anders als teilweise im Beamtenrecht, für Kommunen weder eine tarifvertragliche noch eine gesetzliche Pflicht, Arbeitnehmerstellen öffentlich, also klassisch extern, auszuschreiben. Insbesondere lässt sich eine solche Pflicht auch nicht aus Art. 33 Abs. 2 GG herleiten. Vorbehaltlich der Mitwirkungsrechte der Personalvertretungen ist es daher ausschließlich Angelegenheit des Arbeitgebers, ob und auf welcher Plattform er eine Stelle anbietet. Im öffentlichen Dienst ist es aber zwingend, für zu besetzende Stellen ein Anforderungsprofil zu erstellen. Dort werden die Kriterien für die Bewerberauswahl im Voraus definiert und gelten für die gesamte Dauer des Auswahlverfahrens. Dem Anforderungsprofil kommt somit im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens auch im Internet eine besondere Bedeutung zu.
Bei der textlichen Ausschreibung ist daher auch auf internetbasierten Plattformen insbesondere auf die Vermeidung von Diskriminierungen, geschlechts- und altersneutrale Formulierungen in der Stellenanzeige sowie die Zusammenarbeit mit dem Personalrat zu achten. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) kann abgelehnte Bewerbende bereits bei einer nur textlichen Ungenauigkeit in die formale Lage versetzen, eine finanzielle Entschädigung einzufordern, wenn eine diskriminierungsfreie Auswahlentscheidung vom Arbeitgeber nicht restlos nachgewiesen werden kann, was in der Praxis meist schwierig ist. Rechtssicher ist in den meisten Ausschreibungen neben der Stellenbezeichnung heute die Ergänzung „m/w/d“ gebräuchlich. Aber auch im weiteren Ausschreibungstext sollten nicht ungewollt Diskriminierungsansätze versteckt sein (wie zum Beispiel „junges Team“ oder „Muttersprachler“).

Zurückhaltung bei nicht berufsorientierten Plattformen

Eine besondere Pflicht im öffentlichen Dienst ergibt sich aus § 165 SGB IX. Öffentliche Arbeitgeber sind demnach verpflichtet, nicht offensichtlich ungeeignete Stellenbewerber mit einer Schwerbehinderung stets zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, damit sie ihre Chance in einem persönlichen Gespräch verbessern und mögliche Vorbehalte ausräumen können. Insoweit ist auch bei internetbasierten Ausschreibungsverfahren ein be­sonderes Augenmerk auf versteckte Hinweise bezüglich einer Schwerbehinderung zu legen. In Online-Formularen, die häufig die Besonderheiten des öffentlichen Dienstes nicht gesondert berücksichtigen, könnte dies mitunter übersehen werden.
Weitere interaktive und zielführende Recruiting-Kanäle zur Personalgewinnung können Karrierenetzwerke wie Xing und LinkedIn darstellen. Zurückhaltung muss vonseiten der Personalabteilungen allerdings bei Plattformen wie Instagram oder Facebook gewahrt werden, da diese nicht berufsorientiert und damit wegen datenschutz- und persönlichkeitsrechtlicher Bedenken als Ausgangspunkt für Recruiting-Aktivitäten weniger geeignet sind.

Datenschutzaspekte beachten

Aspekte des Datenschutzes und des Persönlichkeitsrechts sind auch darüber hinaus wichtige eingrenzende Faktoren beim E-Recruiting. Gerade bei einem onlinebasierten Bewerbungsprozess wird eine große Menge an digitalen Daten erhoben und gespeichert. Auch bei einer temporären Speicherung dieser Daten ist Vorsicht geboten, denn prinzipiell dürfen Daten nur so lange gespeichert werden, wie es für den Verarbeitungszweck tatsächlich erforderlich ist. Im Bewerbungsverfahren wäre der Löschzeitpunkt somit mit der Stellenbesetzung erreicht. Im Sinne des rechtlichen Eigenschutzes ist es jedoch sinnvoll und auch zulässig, die Daten der abgelehnten Bewerbenden noch für zwei bis drei Monate aufzubewahren und sie erst dann zu löschen.
Vorsicht gilt in datenschutzrechtlicher Hinsicht auch beim so genannten Active Sourcing, bei dem Unternehmen im Internet gezielt initiativ auf Bewerbersuche gehen. Da die potenziellen Bewerbenden hiervon (noch) nichts wissen, überwiegen zunächst deren Interessen am Schutz der eigenen Daten, was auch für öffentlich zugängliche Informationen gilt. Zur Erhebung oder Weitergabe solcher Daten ist zunächst die Einwilligung des Betroffenen einzuholen. Folgen eines rechtswidrigen Active Sourcing könnten im schlimmsten Fall Schadensersatzansprüche oder Geldbußen sein.

Einsatz von KI ethisch und rechtlich kritisch

Eine weitere Möglichkeit im digitalen Recruiting ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), der in allen Phasen des Bewerbungsprozesses theoretisch möglich ist. So genannte Chatbots können beispielsweise die erste Kommunikation mit potenziellen Kandidaten übernehmen und Anfragen zum Bewerbungsprozess autonom bearbeiten. Voraussetzung für die Nutzung von KI ist aber, dass der zugrundeliegende Algorithmus nicht diskriminierend handelt und zu einer Benachteiligung von Bewerbenden führt. Ob zukünftig sogar eine Software die Bewertung und finale Auswahl der eingegangenen Bewerbungen samt Einstellungsentscheidung autark übernehmen kann, ist noch nicht geklärt. Ethisch und rechtlich wird diese Option jedoch kritisch gesehen.
Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes sind zudem an das Prinzip der Bestenauslese bei der Stellenvergabe gebunden. Jede Entscheidung über eine Einstellung darf ausschließlich aufgrund von Kriterien getroffen werden, die mit der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung des ausgewählten Bewerbers in Verbindung stehen. Zwar gibt es Stimmen, die eine softwarebasierte Bestenauslese sogar als rechtssicherer ansehen als die menschengemachte. Gleichwohl werden bislang auf dem Markt erhältliche Software-Lösungen vorrangig für die Privatwirtschaft konzipiert, weshalb Kommunen nicht unbedingt davon ausgehen dürfen, dass die rechtlichen Besonderheiten der Stellenvergabe im öffentlichen Dienst von einer Software ausreichend berücksichtigt werden.
Digitales Recruiting stellt private wie öffentliche Arbeitgeber also vor neue Herausforderungen, eröffnet zugleich aber auch viele Chancen und Perspektiven. Werden die rechtlichen Leitlinien eingehalten, bietet digitales Recruiting im Internet gute Möglichkeiten, um dem Fachkräftemangel auch im öffentlichen Dienst entgegen zu wirken.

Florian Christ ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei PBC legal.

https://www.pbc-legal.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Januar 2023 von Kommune21 im Schwerpunkt Personalwesen erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.  (Deep Link)

Stichwörter: Personalwesen, E-Recruiting

Bildquelle: sdecoret/stock.adobe.com

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