Interview:
Digitale Leitplanken


[8.7.2021] Die Verwaltungsdigitalisierung braucht eine gemeinsame IT-Architektur und einheitliche Standards. Dafür soll das IT-Architekturboard bei der Föderalen IT-Kooperation, kurz FITKO, sorgen. Kommune21 sprach mit dessen Leiter Jörg Kremer über die Aufgaben des Gremiums.

Jörg Kremer. Herr Kremer, zum 1. Mai 2021 ist das föderale IT-Architekturboard zur FITKO übergegangen. Es ist als neues Steuerungsgremium des IT-Planungsrats errichtet worden. Was sind die Aufgaben des Boards?

Zunächst: Das Architekturboard hat bereits Ende Februar seine Arbeit aufgenommen. Es leistet begleitende und beratende Unterstützung bei der Verwaltungsdigitalisierung und hat Entscheidungsfunktionen hinsichtlich von Richtlinien. Es geht vor allem darum, strategische und langfristige Architekturrichtlinien zu bestimmen, mit denen bestimmte Leitplanken für die Verwaltungsdigitalisierung eingeschlagen werden. Das können Datenaustauschformate und Standards sein. Ausgehend von diesen Architekturrichtlinien legen wir auch spezialisierte Vorgaben für bestimmte Domänen fest. Wenn neue Infrastrukturelemente gebaut oder neue Standards verabschiedet werden, können wir so sichergehen, dass diese grundsätzlich die Architekturrichtlinien erfüllen. Darüber hinaus ist es Aufgabe des Boards, sich neue Vorhaben anzuschauen und zu beurteilen, ob sie in die Architektur passen. Das Board begleitet auch aktiv Projekte und beobachtet, ob alles richtig läuft oder unter Umständen noch etwas angeglichen werden muss. Außerdem beraten wir den IT-Planungsrat und die Abteilungsleiterrunde darüber, was sie sich in den nächsten Jahren an Themen vornehmen sollten.

Wer sitzt in dem elfköpfigen Gremium?

Im Gremium sitzen Vertreter des Bundesinnenministeriums, der FITKO sowie Vertreter mehrerer Bundesländer. Unter uns ist sogar ein CIO, ansonsten haben wir von Anfang an darauf gedrängt, dass wir Fachexperten und -expertinnen in diesem Gremium haben – eine gute Mischung also aus Management- und Arbeitsebene. Die FITKO führt den Vorsitz, und befristet bis Ende 2022 hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat den Co-Vorsitz inne.

Was machte die Gründung dieses neuen Gremiums notwendig?

Im Zuge der Corona-Krise haben wir festgestellt, dass es eigentlich eine föderale Architektur noch gar nicht gibt. Das Thema hat in den vergangenen Jahren keine besondere Aufmerksamkeit erfahren, und nun fällt uns das auf die Füße. Wir mussten feststellen, wie schwierig es ist, Daten zwischen den Ländern und auch zwischen Bund und Ländern auszutauschen. Ein Architektur-Management soll uns dabei helfen, genau diese Infrastrukturen so aufzustellen, dass wir schneller auf Veränderungen reagieren und Neue­rungen besser managen und steuern können.

„Es geht vor allem darum, strategische und langfristige Architekturrichtlinien zu bestimmen.“

Was funktioniert denn aus Ihrer Sicht momentan nicht gut?

Wir haben auf allen föderalen Ebenen eine große Inhomogenität. Grundsätzlich verfügen die Länder intern zwar über eine gute Infrastruktur. Handlungsbedarf gibt es allerdings beim Datenaustausch über Landesgrenzen und auch über Bundesgrenzen hinaus. Damit Daten von Hamburg nach Berlin laufen können, muss es eine entsprechend gute Infrastruktur und einheitliche Standards geben. Vereinzelt sind diese Infrastrukturen vorhanden, aber nicht in allen Fachdomänen. Gerade bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) zeigen sich Lücken, wie etwa das Routing von Antragsdaten an zuständige Behörden.

Auf Ihrer Agenda steht das Stichwort Komplexitätsreduktion. Was ist darunter zu verstehen?

Eine Komplexitätsreduktion erreicht man schon dadurch, dass anhand der Architektur klar wird, wer in Bezug auf den föderalen Datenaustausch konkret welche Aufgabe hat. Welche Aufgaben liegen beim Bund, welche beim Land und wo sind die Netzübergabepunkte, sodass sich eine Kommune nicht mehr damit befassen muss? Das betrifft beispielsweise die Einer-für-Alle-Dienste. Worum sich Kommunen allerdings weiter kümmern müssen, ist, wie sie ihre Fachverfahren an einen EfA-Dienst anschließen. Das alles lässt sich mithilfe einer Architektur darstellen, aus der sich Aufgaben ableiten. Und es hilft, auf kommunaler Ebene die Komplexität zu reduzieren und die Konzentration auf die wesentlichen Aufgaben zu richten.

Bei der strategischen Ausrichtung ist immer von Ist- und Soll-Architektur die Rede. Wie weit liegen die auseinander?

Das kommt auf die Betrachtungsweise an. Wir haben eine Infrastruktur, die funktioniert. Im Bereich der Standardisierung gibt es sicherlich Aufgaben, die gelöst werden müssen. Wenn man allerdings strategische Vorgaben wie eine Digitale Souveränität betrachtet und sich aus dieser Perspektive die Architektur anschaut, dann gibt es schon noch einige Aspekte, an denen gearbeitet werden muss. Das betrifft etwa die Themen Cloud Computing und Open Source, die sich in der Ist-Architektur nicht in ausreichendem Maß wiederfinden und Teil der Soll-Architektur wären.

Woran arbeiten Sie derzeit konkret?

Wir arbeiten im Board derzeit unter anderem an den Architekturrichtlinien. Die strategischen Architekturrichtlinien befinden sich im finalen Review und werden vermutlich bis Mitte Juni veröffentlicht. Darüber hinaus beschäftigt sich ein Team mit der Parametrisierung von EfA-Diensten. Dabei geht es um die Fragen, wie bestimmte Besonderheiten in Ländern abgebildet werden können.

Was ist darunter zu verstehen?

Es kann sein, dass bei einem EfA-Dienst, der für ganz Deutschland ein Antragsverfahren abbildet, in den Ländern unterschiedliche Daten abgefragt werden. Ein Beispiel: Im Meldewesen hat Hamburg ein zusätzliches Datenfeld, dort muss nämlich der Beruf angegeben werden. Alle anderen Bundesländer verlangen das nicht. Wenn man nun einen Dienst in ganz Deutschland hat, über den man sich an- oder ummelden kann, dann muss das System für Hamburg wissen, dass dort ein zusätzliches Datenfeld angeboten werden muss. Ein weiteres Beispiel für Parametrisierung ist die Bezahlung.

Welche Bezahldienste werden wo verwendet und müssen aufgerufen werden, wenn man sich etwa in München anmelden möchte?

Der Normenkontrollrat (NKR) hat im aktuellen Monitor Digitale Verwaltung eine systematische Bündelung von Plattformansätzen und eine Gesamtarchitektur angeregt.
Man muss sich eingestehen, dass wir im Moment keine Gesamtarchitektur verfügbar haben, der Weg dorthin ist aber nicht allzu weit. Wenn man die Ziele konsequent umsetzt, wäre der Plattformansatz durchaus in fünf Jahren erreichbar. Sicher nicht abschließend, aber gute Grundlagen wären geschaffen.

Der NKR spricht sich auch für eine Digitalisierungsagentur mit mehreren hundert Mitarbeitern aus. Ist die FITKO stark genug aufgestellt?

Grundsätzlich begrüße ich den Ansatz des Normenkontrollrats, ob es allerdings ein paar hundert Mitarbeiter sein müssen, darüber lässt sich streiten. Im Bereich Architektur-Management haben wir bei der FITKO augenblicklich zwei Personen. Fakt ist also, dass wir, gemessen an den Aufgaben, tatsächlich unterbesetzt sind.

Interview: Helmut Merschmann

https://www.fitko.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juli 2021 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: IT-Infrastruktur, FITKO, OZG

Bildquelle: FITKO

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