[18.1.2024] Low-Code-Plattformen halten vermehrt Einzug in die öffentliche Verwaltung. Der Ansatz eignet sich nicht nur für kleine Apps, sondern funktioniert für Software jeder Größe und Komplexitätsstufe – wenn die passende Plattform gewählt wurde.
Die Digitalisierung der Verwaltung macht Fortschritte, kommt bislang aber eher zaghaft voran. Ein Hoffnungsträger, um den Prozess zu beschleunigen, sind Low-Code-Plattformen. Mehrere Kommunen, Bundesbehörden und Bundesländer haben bereits entsprechende Entwicklungsplattformen angeschafft. Das breite Spektrum der Anwendungsmöglichkeiten und Ausprägungen solcher Plattformen wirft aber Fragen auf: Was genau ist mit Low Code gemeint? Wie hängen die verschiedenen Ansätze zusammen? Und was bedeutet diese Entwicklung langfristig für die behördliche IT-Landschaft?
Alle Low-Code-Ansätze zielen darauf ab, manuelle Aufwände für die Entwicklung von Software zu senken. Mithilfe spezieller Editoren können auch Personen ohne Programmierkenntnisse bestimmte Aspekte einer Anwendung gestalten. Generatoren oder Interpreter überführen das Gestaltete dann in ausführbaren Programmcode. So muss weniger Code von Hand geschrieben werden. Die verschiedenen Low-Code-Plattformen unterscheiden sich aber teilweise stark darin, was sich wie gestalten lässt und welche Möglichkeiten zur Individualisierung und Weiterentwicklung einem Entwicklungsteam eingeräumt werden.
Schnelle Erstellung von Kleinstanwendungen
Der prominenteste Anwendungsbereich von Low-Code-Plattformen besteht in der schnellen Erstellung von Kleinstanwendungen. Hinter den dabei genutzten Plattformen steckt meist das Baukastenprinzip. Ein Beispiel dafür ist die Modulare Lösung für Fachverfahren (MODUL-F), die seit Juli 2023 über den von govdigital entwickelten Marktplatz für EfA-Leistungen von Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden nachgenutzt werden kann. Die Lösung ist für kleinere Fachverfahren konzipiert und soll eine lückenlose Digitalisierung von Verwaltungsprozessen in der internen Sachbearbeitung fördern. Das Baukastenprinzip ist hier sehr vielversprechend, da die bereitgestellten Module direkt aus verwaltungsspezifischen Anforderungen abgeleitet sind.
Am anderen Ende des Einsatzspektrums stehen Low-Code-Ansätze, die in komplexe Individualanwendungen eingebettet sind. Ein solches Verfahren ist bei der Elektronischen Steuererklärung ELSTER bereits seit 2008 im Einsatz, seitdem wurde es kontinuierlich weiterentwickelt. Das Bayerische Landesamt für Steuern stellt den Steuerfachleuten der Verwaltung Werkzeuge bereit, mit denen sie die jährlich anfallenden Gesetzesänderungen eigenständig in Software umsetzen können. Notwendige Änderungen müssen nicht mehr an ein Entwicklungsteam weitergereicht werden. Mittlerweile sind 18 Millionen Zeilen Code der Umgebung Mein ELSTER generiert. Dieser Low-Code-Ansatz zielt vor allem darauf ab, die Kernanwendung handhabbar zu halten und Wartungsaufwände zu reduzieren. Anstatt Jahr für Jahr Unsummen für die fehleranfällige manuelle Ausprogrammierung steuerfachlicher Sachverhalte auszugeben, bleibt die Hoheit über diese Fachlichkeit bei den Steuerexperten. Gleichzeitig erlaubt die Trennung von Fachlichkeit und Technik, die technische Basis kontinuierlich zu innovieren.
Zentrale Beantragung
Auch bei mittelgroßen Software-Projekten mit vielen Stakeholdern bringt der Low-Code-Ansatz Vorteile. Ein Beispiel dafür ist das seit Mitte 2023 verfügbare Antragsportal der Steuerberaterkammern. Es stellt bundesweit 24 vereinheitlichte Online-Leistungen für die mehr als 100.000 Mitglieder der Steuerberaterkammern bereit. So lässt sich darüber etwa die Zulassung zur Steuerberaterprüfung zentral beantragen. Das System leitet eingereichte Anträge automatisch an die jeweils zuständige Kammer und an die richtige Person in der Sachbearbeitung weiter. Eine wesentliche Herausforderung bei der Entwicklung dieses Portals war die Abstimmung der 20 beteiligten Kammern, um die regional unterschiedlichen Anträge zu vereinheitlichen. Durch den Einsatz einer Low-Code-Plattform ließen sich die zugrunde liegenden Datenmodelle sowie die fachlichen Zusammenhänge und darauf aufbauenden Online-Formulare schnell modellieren. Änderungen konnten mit den Werkzeugen der Plattform leicht ergänzt werden und wurden in einer Live-Vorschau angezeigt. Gerade bei vielen beteiligten Stakeholdern ist die direkte Sichtbarkeit von Änderungen in der Entwicklungsphase ein entscheidender Vorteil.
In jeder Größe und Komplexitätsstufe einsetzbar
Wie diese Beispiele zeigen, lassen sich Low-Code-Ansätze für Software-Projekte jeder Größe und Komplexitätsstufe einsetzen. Was bei der Einführung entsprechender Plattformen jedoch nur selten berücksichtigt wird, ist die hohe Dynamik von Software. In der Praxis starten viele Anwendungen klein, decken aber zunehmend mehr Anforderungen ab. Der Übergang von einer kleinen App zur komplexen Anwendung, die mit anderen Systemen aus der umgebenden Landschaft interagiert, ist fließend. Insofern greift es zu kurz, Low-Code-Plattformen nur mit Anwendungen einer bestimmten Art oder Größe zu assoziieren. Deshalb ist bei Low-Code-Plattformen auch die dahinterliegende technische Ebene wichtig, auf der ein Entwicklungsteam aufbauen kann. Bieten die technischen Komponenten der Plattform nur unzureichende Erweiterungsmechanismen, bleibt bei der Evolution einer Anwendung häufig nur die Option „Abreißen und neu bauen“. Das lässt sich verhindern, wenn ein Entwicklungsteam von Anfang an involviert ist. Dann kann mit Low-Code-Ansätzen auch eine kleine App in eine ausgewachsene Kernanwendung überführt werden.
Dr. Sebastian Lorenz ist IT-Spezialist bei der mgm technology partners GmbH.
https://www.mgm-tp.comDieser Beitrag ist in der Ausgabe Januar 2024 von Kommune21 im Schwerpunkt Low Code erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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