Stuttgart:
Modulare E-Partizipation


[5.3.2015] Stuttgart baut eine ambitionierte E-Partizipationsinfrastruktur auf. Eine neue Plattform stellt dafür wiederverwendbare Module bereit. Nach dem Baukastenprinzip lassen sich somit unterschiedlichste Beteiligungsformate realisieren.

Stuttgart: Einfach vielseitig beteiligen. In einer Zeit, die vom Aufstieg des Internets zum zentralen Organisationsmedium der Gesellschaft gekennzeichnet ist, stellt sich die Frage nach angemessenen Formen einer digital vermittelten Bürgerbeteiligung nicht als Nischenproblem oder technische Spielerei. Vielmehr adressiert sie ein neues Grundproblem der Staat-Bürger-Beziehung. Die Stuttgarter Stadtverwaltung hat sich entschlossen, dieses Problem ernst zu nehmen. Sie hat eine umfangreiche E-Partizipationsinfrastruktur in Form einer ambitionierten Web-Portal-Lösung aufgebaut. Statt für jedes neue Beteiligungsverfahren eine eigenständige Web-Seite zu konzipieren, auszuschreiben und zu pflegen, lassen sich wiederverwendbare Partizipationsmodule nutzen. Diese können auf jeweils wechselnde inhaltliche Fragestellungen zugeschnitten werden. Die bislang fertiggestellten Module umfassen Interaktionsformate mit hoher Wiederverwendbarkeit und realisieren beispielsweise Umfragen, interaktive Kartenmarkierungen oder Diskussionsforen. Eine solche Gesamtlösung ist wirtschaftlicher und nachhaltiger als die anlassbezogene Konzeption immer neuer Einzelfalllösungen. Die Plattform erlaubt es zudem, umfassendere Funktionalitäten zu entwickeln, als dies bei Einzellösungen realisierbar wäre. Auch die Konzeption neuer Beteiligungsformate ist in kürzester Zeit möglich. Weil die Stadtverwaltung sich die Eigentumsrechte an der Auftragsentwicklung gesichert hat, entfallen zudem die sonst üblichen Lizenzzahlungen. Für Erstellung, redaktionelle Pflege und Moderation neuer Verfahren steht eine komfortabel nutzbare webbasierte Bedienoberfläche zur Verfügung.

Breites Angebot

Das Beteiligungsportal wird in der ersten Jahreshälfte 2015 freigeschaltet. Es stellt ein Serviceangebot des Haupt- und Personalamtes an die Fachämter zur unkomplizierten und hochwertigen Realisierung eigener Partizipationsvorhaben dar. Die Erstellung redaktioneller Beiträge folgt dem Prinzip: zentrale Redaktion – dezentrale Moderation. Die Beiträge werden künftig von der Internet-Redaktion der Landeshauptstadt erstellt, die inhaltliche Moderation konkreter Verfahren nehmen die Fachämter wahr. Den Bürgern steht eine interaktive Stadtbezirkskarte als zentrales Navigationselement zur Verfügung. Darüber ist sowohl eine Recherche nach Online-Verfahren als auch nach klassischen Beteiligungsverfahren im Stadtgebiet möglich. Die Plattform ist zudem an das städtische Ideen- und Beschwerde-Management angeschlossen, sodass Störungsmeldungen und Ideen ohne direkten Bezug zu laufenden Beteiligungsverfahren direkt in den dafür vorgesehenen Bearbeitungskanal weitergeleitet werden. Um auch weniger internetaffine Gesellschaftsgruppen anzusprechen, wurde ein besonderes Augenmerk auf die Verknüpfung von Online- und Offline-Elementen gelegt. So können alle Fragestellungen aus Online-Verfahren im Prinzip auch in Papierform an Bürger übermittelt werden. Das Moderatoren-Team stellt sie dann nachträglich auf die Plattform – gleichberechtigt mit Online-Beiträgen – zur Diskussion.
Im Rahmen eines Vorprojekts ist bereits im Jahr 2013 ein technischer Prototyp sowie ein exemplarisches Online-Beteiligungsverfahren entwickelt und freigeschaltet worden. Hierzu wurde das in der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg vorgeschriebene Beteiligungsverfahren für lokale Bürgerversammlungen um Online-Elemente erweitert. Das Verfahrensdesign sieht vor, dass Bürger bereits vor der Versammlung im Rahmen einer Abstimmung eine Empfehlung für besonders wichtige Themen abgeben, konkrete Fragen einreichen sowie die Fragen anderer Mitbürger kommentieren und bewerten können. Das prototypische Pilotverfahren hat bereits zu wichtigen Lern- und Erkenntniseffekten in der Verwaltung im Umgang mit Online-Bürgerbeteiligungsverfahren geführt. So konnte ein tieferes Verständnis für die Vor- und Nachteile bestimmter Interaktionsformate, für die Konzeption ganzheitlicher Interaktionsdesigns, sowie für notwendige organisatorische Strukturen und Abläufe erreicht und in die Konzeption der finalen Portallösung eingearbeitet werden.

Durchdachter Entwicklungsprozess

Das beschriebene Verfahren wurde bei fünf verschiedenen Bürgerversammlungen eingesetzt und soll auch im Rahmen des neuen Portals fortgeführt werden. Nicht nur bei der Konzeption des neuen E-Government-Dienstes, sondern auch beim Projekt-Management hat Stuttgart durch den Einsatz von Methoden der agilen Software-Entwicklung neue Wege beschritten. Die Abteilung eGovernment hat zunächst die fachliche Architektur der Anwendung konzipiert und in Zusammenarbeit mit dem durch die Ausschreibung ermittelten Entwicklungspartner technisch spezifiziert. Unter Steuerung eines Projektleiters der Abteilung eGovernment wurden die Entwicklungsaufgaben zunächst priorisiert, dann im Zwei-Wochen-Rhythmus zu so genannten Sprints gebündelt und anschließend unmittelbar getestet und abgenommen. Im laufenden Projekt konnte somit strukturiert auf nachgemeldete Anforderungen etwa in Bezug auf Layout, Barrierefreiheit und Funktionalität sowie unvorhergesehene technische Herausforderungen reagiert werden. Unterstützt wurde der Entwicklungsprozess von einer Spezial-Software für agiles Projekt-Management. Vollständige Mobilfähigkeit, Teilbarkeit über soziale Medien, weitgehende Barrierefreiheit sowie ein ansprechendes und frisches Design waren ebenfalls wichtige Entwicklungsprinzipien. Auf diese Weise ist es gelungen, im Jahr 2014 dieses Projekt innerhalb von acht Monaten von der technischen Konzeption bis zur Fertigstellung der Software voranzubringen. Durch das beschriebene Vorgehen ließen sich wichtige Erkenntnisse zum Einsatz agiler Projekt-Management-Methoden auf dem Gebiet der Software-Entwicklung gewinnen. Davon werden künftig auch andere E-Government-Entwicklungsprojekte der Landeshauptstadt profitieren. Die Stuttgarter Portallösung ermöglicht es Verwaltung und Politik, flexibel und systematisch auf die zunehmende Nachfrage nach vermehrter (Online-)Bürgerbeteiligung zu reagieren. Sie bildet damit – zusammen mit ihrem Schwesterprojekt, dem workflowfähigen Ideen- und Beschwerde-Management – ein funktionsmächtiges Instrument zur Beförderung eines nachhaltigen Open-Government-Ansatzes in der Landeshauptstadt.

Johann Herzberg ist IT-Projektleiter in der Abteilung eGovernment der Landeshauptstadt Stuttgart.

http://www.stuttgart.de
Dieser Beitrag ist im Titel der März-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Portale, CMS, E-Partizipation, Stuttgart



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