E-Government-Konferenz:
Schäuble fordert Umbau der Verwaltung


[5.3.2007] Web 2.0 und Second Life sind in der Politik angekommen. Auf der internationalen Konferenz Advancing E-Government in Berlin war viel die Rede von der neuen Internet-Generation und den Auswirkungen von Online Communities und Social Software auf die öffentliche Verwaltung. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble sprach von der Notwendigkeit eines umfassenden Umbaus der öffentlichen Verwaltung in Deutschland. Anders sei die EU-Dienstleistungsrichtlinie nicht umzusetzen.

Wolfgang Schäuble: Das Internet verändert Wirtschaft und Gesellschaft. (Foto: Grünewald/BMI) Rund 300 Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung mehrerer Nationen diskutierten am 1. März in Berlin über den Stand und die Perspektiven von E-Government in der Europäischen Union. Das Bundesministerium des Innern richtete die Konferenz Advancing E-Government im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft aus. Auf der Konferenz wurde eine Bilanz der Entwicklung des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnologien in Ämtern und Behörden gezogen. Die Ergebnisse sollen zudem der Vorbereitung der nächsten E-Government-Ministerkonferenz dienen, die vom 19. bis 21. September in Lissabon stattfindet.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bezeichnete in seiner Eröffnungsrede die Schaffung eines elektronischen Kommunikationsraumes in Europa als eine der großen Aufgaben der Politik. Das Internet ermögliche völlig neue Formen der Kommunikation. Als Beispiele nannte Schäuble die Entwicklung zum Web 2.0 mit der Nutzung von so genannter Social Software wie Blogs, Wikis und Podcasts. Das Internet verändere Wirtschaft und Gesellschaft, so Schäubles Resümee.
Auch für die Aufgabenerfüllung des Staates nehme die Bedeutung der Informationstechnik zu, sagte Schäuble. Jedes politische Vorhaben sei mittlerweile auch ein IT-Projekt. Für die Reform des Arbeitsmarktes und des Gesundheitswesens oder die Einführung der Lkw-Maut sei der Einsatz von Informationstechnik unentbehrlich und erfolgskritisch. E-Government hat nach Auffassung des Innenministers die Aufgabe, die IT in die Aufgabenerfüllung des Staates einzubringen. Die größte Herausforderung sei die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie, die dazu dient, einen Binnenmarkt für Dienstleistungen in Europa zu schaffen. Die von der EU geforderten grenzüberschreitenden elektronischen Services machten ein beträchtliches Umbauprogramm aller öffentlichen Verwaltungen in einem föderalen System wie Deutschland nötig.
E-Government könne jedoch nur erfolgreich sein, wenn die Sicherheit in offenen Netzen gewährleistet sei. Und um die Sicherheit im Internet macht sich der Innenminister große Sorgen. Cyber-Attacken nähmen zu, Bürger seien durch Phising-Angriffe bedroht und der E-Mail-Verkehr drohe an Spam Mails zu ersticken. Insbesondere der Identitätsdiebstahl sei ein großes Problem, sagte Schäuble. Sicherheit sei also ein wichtiges Thema für E-Government und die Schlüsselfrage für die Informationsgesellschaft. Schäuble nannte mehrere Felder für die weitere Entwicklung von E-Government: Im Zeitalter von Web 2.0 müssten Online-Services nutzerorientiert aufgebaut werden. Wiki-Lösungen und intelligente Suchtechnologien sollten berücksichtigt werden. E-Government solle auch dazu beitragen, die Bürokratie abzubauen und Bürger und Unternehmen von entsprechenden Kosten zu entlasten. Die digitale Verwaltung müsse auch als Teil der Lissabon-Strategie begriffen werden, mit der Europa zum attraktivsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt gemacht werden soll. Die Online-Zusammenarbeit der Behörden in Europa führe zur serviceorientierten Verwaltung und stärke den Wirtschaftsstandort.
Als größte Baustelle des E-Government bezeichnete Schäuble das Thema Standardisierung. Deutschland setze sich für eine Harmonisierung der IT und offene Standards ein. Es müssten einheitliche Datenformate ohne Rechte Dritter verwendet werden. Herstellerabhängigen Formaten erteilte Schäuble eine Absage. Bis 2010 will die Bundesregierung eine sichere elektronische Identifikation in der Behördenkommunikation ermöglichen. Dazu seien interoperable Lösungen für die Identifikation nötig. Deshalb liege der Schwerpunkt der deutschen Initiative E-Government 2.0 auf den Themen elektronische Identität und sichere Prozessketten.
Auch Viviane Reding, EU-Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien, betonte in Berlin die Bedeutung der elektronischen Identität. Um E-Government europaweit voranzubringen, seien interoperable Identitätssysteme nötig, welche die Nutzung von Online-Services von Behörden und Unternehmen vereinfachen. Das Stichwort laute: Open Government, also die einfache Interaktion der Behörden mit ihren Kunden. Online-Services der Behörden seien zwar inzwischen Standard, aber die Qualität lasse noch zu wünschen übrig. Entscheidend sei, dass die Dienste einfach genutzt werden könnten, denn im Unterschied zur Wirtschaft müssten Behörden alle Bürger erreichen.
Hierbei sei es insbesondere wichtig, die Web-2.0-Generation einzubinden. Denn Web 2.0 eröffne eine andere Dimension für die Demokratie. Neue Formen des Dialogs und der Debattenkultur sowie der Bürgerbeteiligung seien denkbar. Als Beispiel nannte die EU-Kommissarin die Online Community Second Life, in der kürzlich Schweden eine virtuelle Botschaft eröffnet hat und das amerikanische Repräsentantenhaus einen Debattierclub betreibt. Viviane Reding: „Als Politiker können wir es uns nicht leisten, diese Entwicklungen zu ignorieren. Wir müssen die Web-2.0-Generation einbinden und junge Menschen einladen, die Politik in diesem Bereich zu beraten.“
Thierry Stoll, stellvertretender EU-Generaldirektor Binnenmarkt und Dienstleistungen, hob die entscheidende Rolle der Informationstechnik bei der Realisierung des europäischen Binnenmarktes hervor. Er nannte beispielhaft die Vergaberichtlinie der Union und die EU-Dienstleistungsrichtlinie. Die Vergaberichtlinie sieht vor, dass die öffentliche Hand bis Ende 2007 elektronische Auftragsvergabe ermöglicht. Öffentliche Aufträge machten rund 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU aus, dies seien 1,5 Billionen Euro. Durch E-Procurement erwartet die EU Einsparungen von bis zu 30 Prozent. Noch sei jedoch die elektronische Abgabe von Angeboten kaum möglich, weil die digitale Signatur fehle und interoperable Standards nicht existierten. Für die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie soll ein Binnenmarkt-Informationssystem aufgebaut werden. Ziel ist es, den Ämtern und Behörden europaweit vorübersetzte Textbausteine zur Verfügung zu stellen sowie einen automatischen Übersetzungsdienst anzubieten. Damit sollen die nationalen Behörden die Anfragen in der jeweiligen Landessprache bearbeiten können.
Die wichtigste Erkenntnis auf der Berliner E-Government-Konferenz kam von EU-Kommissarin Viviane Reding: „Über Strategien ist genug geredet worden, nun müssen Taten folgen.“ (al)

http://www.advancing-egovernment2007.de

Stichwörter: Schäuble, Reding, Europäische Union, Europa, EU-Dienstleistungsrichtlinie, E-Government



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