Social Media:
Im Datenschutz-Dilemma


[4.4.2024] Um den schnellen Draht zur Bevölkerung nicht zu verlieren, kommen Kommunen um eine strategisch aufgesetzte Kommunikation auch in den sozialen Medien kaum noch herum. Zur Gretchenfrage wird dabei der Datenschutz: Wie lässt sich das Dilemma lösen?

Soziale Netzwerke sind der direkte Weg, um Menschen zu erreichen. Instagram, Twitter – jetzt X –, Threads, WhatsApp-Channels, TikTok, LinkedIn oder doch noch Facebook? Immer mehr Plattformen und ein steigender Anspruch an Geschwindigkeit und Informationsfluss in der Bürgerkommunikation, während parallel die Frage nach der Einhaltung des Datenschutzes auf den meisten Plattformen unbeantwortet bleibt. Wie können und sollten sich Kommunen heute in diesem Spannungsfeld aufstellen?
Wo früher ein Pressesprecher für eine mittelgroße Stadt reichte, braucht es heute in den Verwaltungen Video-Skills, Community Manager und Corporate Influencer. Doch müssen Verwaltungen wirklich jeden Hype mitmachen? Juristisch gesehen vielleicht nicht – und doch kommen Landkreise, Städte und Gemeinden immer weniger um eine strategisch aufgesetzte Kommunikation auch auf den Social-Media-Plattformen herum. Denn globale Krisen und deren lokale Auswirkungen, Katastrophen und Bürgerbeschwerden vor Ort oder der Fachkräftemangel in den Kitas sowie den Behörden selbst erfordern ein Umdenken: weg von reaktiven Antworten auf Presseanfragen, hin zum aktiven Dialog mit den Menschen zu transparenter Information und der Positionierung als attraktiver Arbeitgeber.

Wichtigste Brücke zu den Bürgern

Damit wächst das Aufgabenspektrum in den Pressestellen und eben auch die Anforderungen an Fähigkeiten, Spezialisierungen und völlig neu gedachte Prozesse auf multiplen Kanälen. Das wirft jede Menge neuer Fragen auch juristischer Natur auf. Über was dürfen Verwaltungen überhaupt berichten? Wann ist das Sachlichkeitsgebot verletzt? Und wie ist mit dem Dilemma umzugehen, dass nahezu keine Social-Media-Plattform datenschutzkonform betrieben werden kann? Der letzte Punkt wird dabei zur Gretchenfrage. Sollte es Behörden – und damit nicht nur Stadtverwaltungen, sondern auch dem Brand- und Katastrophenschutz, der Polizei, Schulen und Ministerien – verboten werden, auf Plattformen wie Facebook unterwegs zu sein, geht die aktuell wichtigste Brücke zu den Menschen verloren.
Denn, so ehrlich müssen wir sein: Erreichen wir die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr dort, wo sie große Teile ihrer Medien konsumieren, kommen Informationen zu Serviceleistungen, Veranstaltungen, Beteiligungsprozessen oder schlicht geänderte Öffnungszeiten bei vielen gar nicht mehr an. Die Kluft zwischen dem, was die Stadtverwaltung tut, und dem, was die Menschen davon wissen, wird zunehmend größer.

Der direkte Weg zu den Menschen

Dabei brauchen wir viel mehr gut aufbereitete Informationen und Kommunikation aus den Verwaltungen, je komplexer unsere Welt wird: Warum dauert eine Bauleitplanung so lange und was passiert, bevor der erste Bagger zu sehen ist? Welche neuen digitalen Dienstleistungen stehen auf der Kreis-Website zur Verfügung? Wie und wo kann ich meine Ideen einbringen? Der Content muss dabei passend für Zielgruppe und Plattform aufbereitet sein, sonst wird er nicht konsumiert und entsprechend seltener vom Algorithmus ausgespielt.
Bei akuten Krisen wird der fehlende schnelle Draht zur Bevölkerung gar zur Gefahr. Wenn eine Weltkriegsbombe in dichtbesiedeltem Gebiet gefunden wird, durch Schneelast Bäume an Hauptverkehrsadern abzubrechen drohen, bei einem Großbrand die Leitstelle mit interessierten Fragen lahmgelegt wird: Immer dann, wenn es um Geschwindigkeit und Orientierung für die Bevölkerung geht, sind die sozialen Netzwerke der direkte Weg, um Menschen zu erreichen. Fällt er weg, wird der leere Raum mit Gerüchten, Meinungen oder gezielten Fake News gefüllt. Für die Bürgerinnen und Bürger fehlt dann ein Anlaufpunkt für gesicherte Informationen aus erster Hand. Wenn insbesondere die Verwaltungsebene, die direkt an den Menschen dran ist, nicht mehr präsent ist und zuverlässig schnell informiert, beschädigt dies nachhaltig das Vertrauen in den Staat als Ganzes.

Mastodon ist derzeit keine Alternative

Als Alternative zu den US-amerikanischen oder chinesischen Plattformen, deren Datenschutzregelungen denen der EU widersprechen, führen Datenschützer Mastodon ins Feld. Optisch und funktionell ist das Angebot ähnlich aufgebaut wie die Kurznachrichten-Plattform X, die Struktur dahinter ist jedoch eine andere: Das dezentral organisierte Fediverse erlaubt es, mit einem Account auf unterschiedlichen und voneinander unabhängigen In­stanzen zu kommunizieren. Klingt nach einer guten Lösung, um den – unbestreitbar wichtigen – Schutz der persönlichen Daten der Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen.
Das Problem: Die Menschen nutzen sie nicht, trotz eines regelrechten Booms der Plattform nach dem Verkauf von Twitter an Elon Musk und den damit einhergehenden drastischen Veränderungen. Obwohl die registrierten Accounts laut Mastodon im Februar 2024 mit 14,7 Millionen Usern auf dem höchsten Stand sind, sinken parallel die aktiven monatlichen Nutzerzahlen mit rund einer Million auf das Niveau vor Dezember 2022. Damit ist Mas­todon aktuell keine echte Alternative, um die Menschen zu erreichen.

Social Media datenschutzkonform einbinden

Was also tun? Die knappe Antwort darauf lautet, so viel und so breit wie möglich kommunizieren, den Datenschutz wo immer möglich beachten, datensparsam arbeiten – und ansonsten die Ergebnisse der Klage des Bundespresseamts gegen die Anordnung des Bundesdatenschutzbeauftragten, die Facebook-Seite abzuschalten, abwarten. Konkret bedeutet das, beispielsweise über Plug-ins die Social-Media-Kanäle der Verwaltung DSGVO-konform auf der eigenen Website einzubinden, um die Informationen allen Interessierten zur Verfügung zu stellen. Auch die seit Kurzem in Deutschland verfügbaren WhatsApp-Channels können über bestimmte Tools datenschutzkonform genutzt werden und erlauben so, die breite Masse der Bevölkerung direkt auf den Smartphones zu erreichen. Erste Städte wie Köln, Lünen oder Meerane nutzen die Kanäle bereits. Etabliert sich die Nutzung nachhaltig in der Bevölkerung, könnten sie insbesondere für die Krisenkommunikation zur wichtigen Plattform werden.

Gut gemachte Kommunikation über mehrere Kanäle

Fest steht: Ohne dialogorientierte, bürgernahe Kommunikation fehlt dem Staat die Verbindung zur Bevölkerung. Werden Baustellen, Straßensperrungen, neue Verordnungen oder innovative Angebote nicht aktiv erklärt, führt das zu Verdruss und nährt das Klischee der langsamen und unproduktiven Verwaltung. Das führt zum nächsten Problem: Denn in einem trägen, bürokratischen und gesichtslosen Umfeld möchte niemand arbeiten. Allein deshalb müssen Behörden spätestens jetzt anfangen, junge Nachwuchskräfte mit Know-how im Bereich IT, Ingenieurswesen oder eben Social-Media-Kompetenzen anzusprechen und für sich zu gewinnen. Authentische, sympathische Einblicke in den realen Verwaltungsalltag erreichen die Zielgruppe mit kleinen Videos auf Instagram und stärken auch bei der restlichen Bevölkerung das Vertrauen.
In gut gemachter Kommunikation über mehrere Kanäle liegen daher große Chancen für den öffentlichen Dienst. Zeit, sie strategisch zu nutzen.

Julia Scherer-Lupp leitet im Rheingau-Taunus-Kreis den Stabsbereich und ist persönliche Sprecherin des Landrats. Zudem ist sie Mitgründerin der Smartlearning-Akadamie Amtshelden.

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe April 2024 von Kommune21 im Schwerpunkt Social Media erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Social Media, Datenschutz, Bürgerkommunikation, Bürgerservice

Bildquelle: bloomicon/stock.adobe.com

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