[21.5.2021] Deutschland hinkt bei der Digitalisierung der Schulen deutlich hinterher. Ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie gelingt es immer noch nicht, flächendeckend Homeschooling anzubieten. Smart Schools zeigen, wie digitaler Fernunterricht gelingen kann.
In der Corona-Pandemie hat sich das deutsche Bildungssystem als wenig resilient erwiesen. Flächendeckend alle Schülerinnen und Schüler per Homeschooling zu unterrichten, gelingt nicht. Oft fehlt dafür die technische Ausstattung, ebenso mangelt es an Konzepten für den digitalen Fernunterricht und an Digitalkompetenz bei den Lehrkräften.
Laut einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom fällt das allgemeine Krisen-Management der deutschen Bildungspolitik denn auch krachend durch: 30 Prozent der befragten Bürger vergeben dafür die Schulnote 5 (mangelhaft), 29 Prozent die Note 6 (ungenügend). Insgesamt ergab sich eine Durchschnittsnote von 4,5 – Versetzung stark gefährdet. Noch strenger in ihrem Urteil sind die Eltern schulpflichtiger Kinder: Hier ist die Durchschnittsnote eine glatte 5,0. Auch die allgemeine Fähigkeit der Schulen, in Pandemie-Zeiten digitalen Fernunterricht anzubieten, fällt überwiegend durch. Unter den Eltern benoten hier 40 Prozent mit 5 und ein Viertel mit 6.
Erfahrungen und Enttäuschung
Die schlechten Noten spiegeln die persönlichen Erfahrungen der Menschen und ihre Enttäuschung wider. Auch ohne Corona-Pandemie hätten sich früher oder später die jahrelangen Versäumnisse bei der Digitalisierung der Schulen gerächt. Für ein zukunftsfähiges Bildungssystem kommt es jetzt vor allem auf drei Elemente an: eine leistungsfähige und zuverlässige digitale Infrastruktur, die Weiterqualifizierung der Lehrkräfte und nicht zuletzt pädagogische Konzepte, um digitale Technologien gewinnbringend in den Unterricht einzubinden.
Viele Schulen fühlen sich jedoch überfordert mit der Frage, wie sie den digitalen Wandel konkret angehen können. Die notwendigen finanziellen Mittel für die IT-Infrastruktur sind inzwischen zwar vorhanden, allerdings oft nur mit großem bürokratischem Aufwand abrufbar. Und während über Schul-Clouds und flächendeckendes WLAN gesprochen wird, scheitert dies vielerorts schon an einer zuverlässigen Infrastruktur und Breitband-Versorgung. Nicht zuletzt fehlt es an Weiterbildungsangeboten für die Lehrkräfte sowie passenden Unterrichtskonzepten für einen sinnvollen Einsatz digitaler Medien.
Auf Unterstützung angewiesen
Während die Verantwortung für die Aus- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer in der Zuständigkeit der Länder liegt, sind die Kommunen für Gebäude und Ausstattung der Schulen verantwortlich. Bei der digitalen Inhouse-Infrastruktur sind die Schulen auf Unterstützung angewiesen, hier ist vor allem der Schulträger in der Pflicht. Ein häufig angeführtes Argument lautet, dass die Sanierung von Schulgebäuden deutlich wichtiger sei und verfügbare Mittel primär an dieser Stelle investiert werden müssten. Natürlich ist die Instandhaltung von Dächern und Schultoiletten wichtig – das darf jedoch nicht zu Ungunsten der digitalen Infrastruktur gehen. Angesichts dieser Herausforderungen ist der mittlerweile auf insgesamt 6,5 Milliarden Euro aufgestockte DigitalPakt Schule ein Meilenstein, um die Kommunen bei deren Bewältigung zu unterstützen. Er kann jedoch erst der Anfang der Bemühungen sein.
Als Gemeinschaftsaufgabe verstehen
Best-Practice-Beispiele aus digitalen Vorreiterschulen zeigen, wie der digitale Wandel in Gang gesetzt werden kann und was es zu beachten gibt. Digitalisierung ist dabei als Gemeinschaftsaufgabe zu verstehen, die nicht mit dem Engagement einzelner Fachlehrer oder IT-Beauftragter stehen und fallen darf. Wie der Weg zu einer Smart School erfolgreich gestaltet werden kann, zeigt unter anderem das Erich Gutenberg Berufskolleg (EGB). Die Berufsschule in Köln war deutschlandweit eine der ersten Schulen, welche die Idee eines digital gestützten synchronen Lernens auf Distanz konzeptionell entwickelt hat und ab 2016 umzusetzen begann – ohne damals das Szenario einer weltweiten Pandemie vor Augen zu haben. Die Einrichtung verfolgt seit vielen Jahren ein eigenes Smart-School-Konzept, in dem auch der Distanzunterricht – beim EGB heißt dies school@home – Berücksichtigung findet.
Synchroner Distanzunterricht
Technisch umgesetzt wurde das Programm bereits ab dem Jahr 2013 zunächst mittels Skype und der Lernplattform Office 365, heute arbeiten alle Berufsschulklassen und Vollzeit-Bildungsgänge mit der Lösung Microsoft Teams. Auf Basis dieser Technologie realisiert das EGB zu Corona-Zeiten einen Distanzunterricht, der sich zu fast 100 Prozent dem normalen Stundenplan annähert. Alle Dokumente werden digital gespeichert. Die Kommunikation und Koordination des Schulalltags erfolgen über Video, Audio, E-Mail oder Chat. Teams-Sitzungen – geplant über den digitalen Kalender – ermöglichen einen synchronen Distanzunterricht mit Einzel- oder Gruppenarbeit und der gemeinsamen Besprechung von Lernergebnissen im Plenum. Unterrichtssequenzen können aufgezeichnet werden und stehen so als Lernmaterial, als Lernsicherung oder als Informationsmaterial für fehlende Schüler zur Verfügung. Die Resonanz der Schüler auf diese alternative Unterrichtsform ist durchweg positiv – in Evaluationen sprechen die Schüler sogar von einem effektiveren Unterricht als vor Ort.
Zentrale Infrastruktur
Die Bedeutung einer Lernplattform für Schulen wird gerade in der jetzigen Situation sehr deutlich vor Augen geführt. Schuleigene E-Mail-Adressen ermöglichen dann auch die Kommunikation zwischen Schülern und/oder Lehrern ohne externe Dienste wie WhatsApp oder andere Messenger-Dienste. Auch nach der Corona-Pandemie wird sich das Lernen nicht mehr nur auf die Schule beschränken, sondern an vielen weiteren Orten wie dem eigenen Zuhause oder dem Ausbildungsunternehmen stattfinden. Lernplattformen als zentrale Infrastruktur einer Schule sind deshalb das Lernkonzept der Zukunft – learning with any device, anytime, anywhere.
Für diesen Ansatz hat der Bitkom das Erich Gutenberg Berufskolleg als Smart School ausgezeichnet. Mit dem Titel würdigt der Verband jährlich Schulen für herausragende Digitalisierungskonzepte. Sie sollen weitere Einrichtungen für den Weg ins digitale Zeitalter inspirieren. Um einen gegenseitigen Lernprozess zu unterstützen, gilt es, den Best-Practice-Austausch im Bildungssektor zu fördern. Mit dem mittlerweile auf 81 Standorte angewachsenen Netzwerk Smart School möchte der Bitkom dazu einen Beitrag leisten.
Daniel Breitinger ist Referent Bildungspolitik beim Digitalverband Bitkom.
https://www.bitkom.orgDieser Beitrag ist im Spezial der Ausgabe Mai 2021 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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