Interview:
Keine regionalen Sonderwege


[16.2.2012] Warum er bei mobilen Behördendiensten zur Zurückhaltung rät und welche Entwicklungsmöglichkeiten für das mobile Internet bestehen, erläutert Martin Wind, Geschäftsführer des Instituts für Informationsmanagement Bremen, im Kommune21-Interview.

Dr. Martin Wind Herr Dr. Wind, immer mehr Bürger besitzen ein Smartphone. Welche Auswirkungen hat dies auf die Kommunikation mit der öffentlichen Verwaltung?

Ich glaube nicht, dass Apps der Behörden ganz oben auf den Wunschlisten der Smartphone-Nutzer stehen. Aber es wird erwartet, dass Online-Angebote der Verwaltungen so gestaltet werden, dass sie auch mit dem Smartphone genutzt werden können. Auf Ladezeiten und Darstellung beim Einsatz mobiler Endgeräte wird daher künftig verstärkt geachtet werden müssen.

Sollten Kommunen Ihrer Meinung nach mobile Angebote zur Verfügung stellen und wenn ja, warum?

Wir müssen zwischen den üblichen Behördendiensten und Angeboten für spezielle Zielgruppen unterscheiden. Letztere können in Großstädten oder Urlaubszielen interessant sein. Wer seine Region vermarkten möchte, sollte allerdings mit Anbietern kooperieren, die sich auf professionell erstellte mobile Dienste spezialisiert haben und kommunale Informationen dann an passender Stelle einbauen können. Bei mobilen Behördendiensten rate ich erst recht zur Zurückhaltung. Wenn jede Kommune in die App-Entwicklung einsteigen sollte, würde wieder an vielen Stellen das Gleiche gemacht. Das wird sich angesichts des Aufwands für mobile Angebote, die ja auch noch für iOS, Android und künftig wohl auch für Windows Phone entwickelt und gepflegt werden müssen, einfach nicht lohnen. Vielleicht investiert ja jemand in eine Behörden-App für ganz Deutschland, in die sich interessierte Kommunen dann einbinden lassen können. So etwas wäre ökonomisch vermutlich schon eher darstellbar.

Welche kommunalen Beispiele im Bereich Mobile Solutions würden Sie als besonders gelungen bezeichnen?

Bislang sind mir noch gar keine kommunalen Angebote so ins Auge gesprungen, dass ich sie hervorheben könnte. Vielleicht ändert sich das ja nach diesem Interview. Aber im Ernst: Ich nutze mobile Geräte unterwegs, also in unterschiedlichen Ecken Deutschlands. Angebote, die nur für ein abgestecktes Gebiet relevant sind, finde ich daher gar nicht so interessant. Aus meiner Sicht spielen die Kommunen bei mobilen Anwendungen auch weniger als Anbieter oder gar als Entwickler eine Rolle, sondern vielmehr als Content-Zulieferer. Kommunale Daten sollten so zur Verfügung gestellt werden, dass sie von Anbietern regionaler oder überregionaler Angebote aufbereitet und genutzt werden können. Das wurde im Zuge der Überlegungen zu Open Data auch bereits erkannt.

„Vielleicht investiert ja jemand in eine Behörden-App für ganz Deutschland, in die sich interessierte Kommunen dann einbinden lassen können.“


Auf welche Entwicklungen müssen sich öffentliche Verwaltungen beim mobilen Internet in Zukunft einstellen?

Ich sehe vor allem verwaltungsintern interessante Entwicklungsmöglichkeiten: Mit mobilen Geräten können Arbeitsabläufe ganz neu gestaltet werden. Ob diese Chance genutzt wird, ist weniger eine Frage der Technik als des Managements und der Kultur in den Verwaltungen. Ich finde es erschreckend, wie wenig an dieser Stelle passiert, obwohl gerade den Kommunen finanziell das Wasser bis zum Halse steht und sie in den nächsten Jahren die Pensionierung vieler Wissensträger verkraften müssen. Außerdem wird damit zu rechnen sein, dass sich moderne und attraktive Arbeitsplätze in den Verwaltungen immer stärker durch die Nutzung von mobilem Equipment auszeichnen. Hier sind noch viele Fragen bezüglich der Integration mobiler Geräte in gewachsene IT-Infrastrukturen und zur IT-Sicherheit zu beantworten.

Bremen unterstützt den bundesweiten Wettbewerb Apps4Deutschland. Was waren die Gründe hierfür?

In Bremen hat die Idee der Verwaltungstransparenz seit Langem große Bedeutung. Auch wenn dies in der Anfangseuphorie bei Open Government verschiedentlich übersehen worden ist: Open Government hat – in den USA wie auch in Deutschland – einen Vorgänger im Gedanken der Informationsfreiheit. Mehrere deutsche Bundesländer haben mit ihren Informationsfreiheitsgesetzen wichtige Grundlagen für Open Government gelegt. Und diejenigen, die es bislang noch nicht getan haben, geraten nun mehr und mehr unter Zugzwang. Schon das Bremer Gesetz aus dem Jahr 2006 sah eine proaktive Veröffentlichungspflicht für eine Reihe von Dokumenten und Informationen vor. In nächster Zeit geht es darum, Verwaltungsdaten so offenzulegen, dass Bürger und Unternehmen damit Anwendungen entwickeln können und auf diese Weise die Verwaltungstransparenz erhöht wird. Wir verstehen dies als Fortsetzung des in Bremen längst eingeschlagenen und bewährten Weges.

Parallel zu Apps für Deutschland läuft der Wettbewerb Apps4Bremen. Zudem hat Bremen mehrere Sonderpreise ausgelobt. Was sind die Ziele dieser beiden Initiativen?

Apps4Bremen läuft nicht parallel, sondern ist eng verknüpft mit Apps4Deutschland. Hier gilt dasselbe wie bei der Entwicklung von Apps: Wenn es eine bundesweite Initiative gibt, ist es besser, sich dieser anzuschließen, als einen regional begrenzten Sonderweg zu gehen. In Bremen gibt es einen Sonderpreis für Teilnehmer am bundesweiten Wettbewerb, die Anwendungen auf Basis von Daten der Hansestadt entwickeln. Außerdem prämiert die Bremer Wirtschaftsförderung im Rahmen eines Wettbewerbs die beste Projektidee für eine Anwendung, die Bremer Daten nutzt. Mit beiden Preisen sollen kreative Geister in unserer Region zusätzlich motiviert und unterstützt werden. Unter Apps sind dabei übrigens nicht nur Entwicklungen für mobile Plattformen, sondern auch Angebote zu verstehen, die mit üblichen Webbrowsern genutzt werden können.

Interview: Alexandra Reiter

Wind, Dr. Martin
Dr. Martin Wind ist Geschäftsführer des Instituts für Informationsmanagement Bremen.


Stichwörter: Apps für Deutschland, Social Media

Bildquelle: ifib

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